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Gennyls Vater war ebenfalls ein Lonmar, aber seine Mutter war Kyralierin, und er schien keine Probleme im Umgang mit Bina und Issle zu haben. Sonea ignorierte er zwar, aber ihr war verschiedentlich aufgefallen, dass er sie mit schmalen Augen beobachtete.

Shern richtete nur selten das Wort an andere Novizen und starrte die meiste Zeit über ins Leere. Sonea konnte noch immer seine seltsame magische Aura wahrnehmen, die jedoch nicht mehr so sprunghaft pulsierte wie am Anfang.

Bina war ein stilles, zurückhaltendes Mädchen, und Sonea vermutete, dass sie einfach zu schüchtern und zu verlegen war, um an irgendeinem Gespräch teilzunehmen. Als Sonea versucht hatte, mit ihr zu reden, war das Mädchen zurückgewichen und hatte gesagt: »Ich darf nicht mit dir sprechen.« Da Sonea sich an die Bemerkungen erinnerte, die die Mutter des Mädchens vor der Aufnahmezeremonie gemacht hatte, überraschte sie Binas Verhalten nicht weiter.

Kano, Alend und Vallon benahmen sich wie kleine Jungen, lachten über die kindischsten Dinge und prahlten mit ihren Besitztümern und ihrem Erfolg bei Mädchen. Da Sonea solche Dinge häufig von den Jungen in Harrins Bande gehört hatte, wusste sie, dass die Geschichten über Letzteres reine Erfindungen waren. Die Jungen aus den Hüttenvierteln hätten allerdings in ihrem Alter genug Erfahrung gehabt, um solchen Prahlereien schon lange entwachsen zu sein.

Regin war der Mittelpunkt aller Aktivitäten der Novizen. Er beherrschte die anderen mit Komplimenten, Scherzen und überlegen klingenden Bemerkungen. Sonea war aufgefallen, dass all ihre Mitschüler nickten, wann immer Regin eine Meinung äußerte. Diese Beobachtung hatte sie erheitert, bis er angefangen hatte, bei jeder Gelegenheit gehässige Bemerkungen über Soneas Vergangenheit zu machen. Selbst Ahrind, der zu Anfang Sonea gegenüber eine gewisse Freundlichkeit gezeigt hatte, lachte über Regins böse Scherze. Und nach ihrem gescheiterten Versuch, Bina in ein Gespräch zu verwickeln, war Regin prompt neben dem Mädchen erschienen und hatte Charme und Freundlichkeit versprüht.

»Sonea!«

Hinter ihr erklang eine atemlose Stimme. Sie drehte sich um und sah, dass Ahrind auf sie zugelaufen kam.

»Ja?«

»Heute Abend bist du an der Reihe«, stieß er keuchend hervor.

»An der Reihe?« Sie runzelte die Stirn. »Womit?«

»Küchendienst.« Er starrte sie an. »Hat man dir das nicht gesagt?«

»Nein…«

Er schnitt eine Grimasse. »Natürlich. Regin hat den Plan. Wir alle müssen einmal die Woche abends Küchendienst machen. Heute bist du an der Reihe.«

»Oh.«

»Du solltest dich besser beeilen«, warnte er sie. »Du willst doch nicht zu spät kommen.«

»Vielen Dank«, erwiderte Sonea.

Alend zuckte die Achseln und ging davon.

Küchendienst. Sonea seufzte. Es war den ganzen Tag über drückend heiß gewesen, und sie hatte sich auf ein kühles Bad vor dem Abendessen gefreut. Wahrscheinlich würde man den Novizen jedoch keine schmutzigen oder zeitaufwendigen Arbeiten zuweisen, so dass ihr vielleicht doch noch ein wenig Zeit bleiben würde.

Sie lief die Wendeltreppe zum Erdgeschoss hinunter und ließ sich von den Essensgerüchen zum Speisesaal leiten. Etliche Novizen hatten bereits an den Tischen Platz genommen. Sonea folgte einer Dienerin, die mit einem schweren Tablett unterwegs war, in die Küche und fand sich in einem großen, mit langen Bänken gesäumten Raum wieder. Aus brodelnden Töpfen stieg Dampf auf, Fleisch zischte auf dem Grill, und das Klirren von Metall auf Metall war zu hören. Etliche Diener eilten umher und versuchten, sich trotz des Lärms miteinander zu verständigen.

Sonea blieb an der Tür stehen, überwältigt von dem Chaos und der Vielzahl der Gerüche. Eine junge Frau, die in einem Topf rührte, blickte auf. Sie starrte Sonea an, dann drehte sie sich um und rief eine ältere Frau herbei, die ein weites, weißes Gewand trug. Als die Frau Sonea entdeckte, ließ sie ihren Topf stehen, trat auf Sonea zu und verneigte sich.

»Wie kann ich Euch helfen, Mylady?«

»Küchendienst.« Sonea zuckte die Achseln. »Man hat mir gesagt, ich soll hier helfen.«

Die Frau starrte sie an. »Küchendienst?«

»Ja.« Sonea lächelte. »Nun, hier bin ich. Wo soll ich anfangen?«

»Novizen kommen niemals hierher«, erklärte die Frau. »Es gibt keinen Küchendienst.«

»Aber…« Die Worte erstarben in Soneas Kehle, als ihr klar wurde, dass man ihr einen Streich gespielt hatte. Als würde man von den Söhnen und Töchtern der Häuser jemals erwarten, dass sie in einer Küche arbeiteten! Die Frau musterte Sonea argwöhnisch.

»Es tut mir Leid, dass ich Euch gestört habe«, seufzte Sonea. »Ich glaube, ich bin auf einen Scherz hereingefallen.«

Lautes Gekicher übertönte den Lärm in der Küche. Die Frau blickte über Soneas Schulter und zog die Augenbrauen in die Höhe. Sonea drehte sich mit einem leichten Gefühl von Übelkeit um. In der Tür standen fünf ihrer Mitschüler, allesamt mit einem hämischen Grinsen auf dem Gesicht. Als Sonea sie ansah, brachen die Novizen in unkontrolliertes Gelächter aus.

Der Lärm in der Küche verebbte. Mehrere Diener hatten in ihrer Arbeit innegehalten, um den Fortgang der Ereignisse zu beobachten. Heiße Röte stieg Sonea ins Gesicht. Sie biss die Zähne zusammen und machte einen Schritt auf die Tür zu.

»Oh nein. Du wirst nicht gehen«, rief Regin. »Du kannst hier bei den Dienern bleiben, wo du hingehörst. Aber wenn ich genauer darüber nachdenke, stimmt das eigentlich nicht. Selbst Diener sind besser als die Leute aus den Hüttenvierteln.« Er wandte sich an die Küchenmagd. »Ich an Eurer Stelle würde auf der Hut sein. Sie ist eine Diebin - und sie wird es zugeben, wenn Ihr sie danach fragt. Passt auf, dass sie sich nicht mit einem Eurer Messer davonmacht und es Euch in den Rücken rammt, wenn Ihr nicht hinseht.«

Mit diesen Worten zog er die Tür hinter sich zu. Sonea versuchte, den Griff zu drehen, was ihr auch ohne weiteres gelang. Aber die Tür ließ sich trotzdem nicht öffnen. In der Luft über ihrer Hand konnte sie eine schwache Vibration wahrnehmen.

Magie? Wie konnten sie Magie benutzen? Keiner von ihnen hatte bisher die zweite Stufe gemeistert.

Hinter der Tür wurden Gekicher und gedämpftes Gemurmel laut. Sie erkannte Ahrinds Stimme, und Issles Lachen war unverwechselbar. Sie konnte auch Vallon und Kano lachen hören, und ihr fiel auf, dass die einzige Stimme, die sie nicht hörte, die von Regin war.

Was wahrscheinlich daran lag, dass er sich ganz darauf konzentrierte, die Tür mit Hilfe von Magie verschlossen zu halten. Mutlos ließ sie die Schultern sinken, als ihr klar wurde, was das bedeutete. Regin hatte bereits die zweite Stufe und mehr gemeistert. Er konnte jetzt nicht nur Zugriff auf seine Kraft nehmen, sondern hatte auch gelernt, wie er sie einsetzen musste. Rothen hatte sie gewarnt, dass einige Novizen dieses Stadium möglicherweise sehr schnell erreichen würden. Aber warum musste es ausgerechnet Regin sein?

Als sie an die Monate dachte, in denen sie sich in Magie geübt hatte, lächelte sie grimmig. Er hatte noch immer eine Menge Arbeit vor sich. Sie trat einen Schritt zurück und betrachtete die Tür. Könnte sie seine Magie bezwingen? Wahrscheinlich, aber sie würde damit vielleicht die Tür zerstören. Sie wandte sich wieder an die Küchenmagd.

»Es muss noch einen anderen Weg hinaus geben. Würdet Ihr ihn mir bitte zeigen?«

Die Frau zögerte. In ihrem Gesicht war jetzt keine Freundlichkeit mehr zu sehen, nur Argwohn. Die Übelkeit, die Sonea verspürt hatte, verwandelte sich jäh in Wut.

»Also?«, fuhr sie die Dienerin an.

Die Augen der Frau weiteten sich, dann senkte sie den Blick. »Ja, Mylady. Folgt mir.«

Während die Frau zwischen den Bänken hindurchging, starrten die übrigen Dienstboten Sonea an, die sich jedoch von diesem Verhalten nicht beirren ließ. Die Frau führte sie in einen Lagerraum, der noch größer war als die Küche und in dem sich auf hohen Regalen Essen und Kochgeräte stapelten. Am anderen Ende des Lagerraums blieb die Frau vor einer Tür stehen, öffnete sie und deutete wortlos auf den Korridor dahinter.