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»Vielen Dank«, sagte Sonea und verließ den Raum. Die Tür fiel hinter ihr ins Schloss. Sie sah sich in dem Korridor um. Er war ihr unvertraut, aber er musste schließlich irgendwohin führen. Seufzend ging sie weiter.

Die Stunden im Abendsaal hatten für ihn merklich an Interesse verloren, ging es Rothen durch den Kopf. In den letzten Monaten hatte er den wöchentlichen Zusammenkünften mit leichtem Unbehagen entgegengesehen, weil er mit Fragen nach dem rätselhaften Mädchen aus den Hüttenvierteln förmlich überschüttet worden war. Jetzt dagegen wurde er praktisch ignoriert.

»Dieses Mädchen aus Elyne muss man genau im Auge behalten«, erklang eine weibliche Stimme von der anderen Seite des Raums. »Lady Kinla zufolge wird es nicht lange dauern, bis sie ein privates Gespräch mit einer Heilerin wird führen müssen.«

Die Antwort konnte Rothen nicht verstehen.

»Bina? Mag sein. Oder meint Ihr…? Nein. Wer würde das wollen? Überlasst die Angelegenheit Rothen.«

Als Rothen seinen Namen hörte, hielt er Ausschau nach der Sprecherin. Er entdeckte zwei junge Heilerinnen, die neben einem Fenster standen. Eine der Frauen fing seinen Blick auf, errötete und sah hastig beiseite.

»Sie hat etwas Merkwürdiges an sich. Es ist etwas…«

Eine andere Stimme - Rothen erkannte sie, und ein Gefühl des Triumphs stieg in ihm auf. Es war Lord Elben, einer von Soneas Lehrern. Lautere Gespräche drohten seine Stimme zu übertönen, und Rothen schloss die Augen und konzentrierte sich, wie Dannyl es ihn gelehrt hatte.

»Sie passt nicht zu uns«, erklang eine zitternde Stimme. »Aber wer hätte das auch erwartet?«

Rothen runzelte die Stirn. Der zweite Sprecher war der Geschichtslehrer der Novizen im ersten Studienjahr.

»Das ist es nicht allein, Skoran«, beharrte Elben. »Sie ist zu still. Sie redet nicht einmal mit den anderen Novizen.«

»Die anderen mögen sie auch nicht besonders, nicht wahr?«

Ein trockenes Lachen. »Nein, aber daraus kann man ihnen wohl kaum einen Vorwurf machen.«

»Denkt an Lord Rothen«, sagte Skoran jetzt. »Der arme Mann. Glaubt Ihr, er hat gewusst, worauf er sich da einlässt? Ich würde mich ganz und gar nicht wohl fühlen, wenn sie jeden Abend in mein Quartier zurückkehrte. Von Garrel weiß ich, dass sie irgendwelche fantastischen Geschichten erzählt. Sie behauptet sogar, sie sei, als sie noch in den Hüttenvierteln lebte, einmal mit einem Messer auf einen Mann losgegangen. Ich hätte keine Lust, eine kleine Mörderin in meinem Quartier zu beherbergen, während ich schlafe.«

»Wunderbar! Ich hoffe, dass Rothen für den Fall des Falles nachts seine Tür absperrt.«

Die beiden Männer gingen weiter, und ihre Stimmen verblassten. Rothen öffnete die Augen wieder und betrachtete sein Weinglas. Dannyl hatte Recht gehabt. Dieser Sessel stand an einer günstigen Stelle, um die Gespräche anderer zu belauschen. Die Stammgäste des Abendsaals waren Dannyl zufolge stets zu erpicht darauf, ihre Meinungen kundzutun, um darauf zu achten, wer ihnen zuhörte.

Im Gegensatz zu Dannyl fühlte sich Rothen jedoch unwohl dabei, seinen Kollegen nachzuspionieren. Er stand auf und hielt nach Skoran und Elben Ausschau. Dann zwang er sich zu einem höflichen Lächeln und ging auf die beiden zu.

»Guten Abend, Lord Elben«, sagte er mit einem knappen Nicken. »Lord Skoran.«

»Lord Rothen«, begrüßten sie ihn ihrerseits höflich.

»Ich wollte mich nur erkundigen, was meine kleine Diebin so treibt.«

Die beiden Lehrer stutzten überrascht, dann stieß Elben ein nervöses Lachen aus.

»Sie macht sich gut«, sagte er. »Tatsächlich macht sie ihre Sache besser, als ich erwartet hatte. Sie lernt schnell, und ihre Kontrolle über ihre Kräfte ist ziemlich… fortgeschritten.«

»Sie hatte viele Monate Zeit, um zu üben, und wir haben ihre Stärke im Grunde noch nicht auf die Probe gestellt«, fügte Skoran hinzu.

Rothen lächelte. Nur wenige Magier hatten ihm geglaubt, als er berichtet hatte, wie stark Sonea sei, obwohl sie natürlich wussten, dass ein Magier sehr stark sein musste, damit seine Kräfte sich von selbst entwickelten.

»Ich freue mich schon darauf, Eure Meinung zu hören, wenn Ihr sie geprüft habt«, sagte er und trat beiseite.

»Bevor Ihr geht, noch ein Wort.« Skoran hob seine runzlige Hand. »Ich würde gern wissen, welche Fortschritte mein Enkelsohn Urlan in Chemie macht.«

»Ich habe keine Klagen über ihn.« Rothen drehte sich wieder zu dem Magier um. Während er sich in ein Gespräch über den Jungen verwickeln ließ, nahm er sich vor, Sonea zu fragen, ob die Lehrer sie anständig behandelten. Wenn man einen Novizen nicht mochte, war das niemals ein Grund, um seine Ausbildung zu vernachlässigen.

Administrator Lorlen blieb vor der Universität am Fuß der Außentreppe stehen und betrachtete die im Dunkel verschwimmenden Bauten der Gilde. Zu seiner Rechten lagen die Heilerquartiere, ein zweistöckiger Rundbau, der hinter den hohen Bäumen im Garten aufragte. Davor verlief die Straße, die zu den Dienstbotenquartieren führte und sich im Wald verlor, der sich über das gesamte Gelände der Gilde erstreckte. Direkt vor ihm befand sich die breite, kreisförmige Auffahrt. Sie führte in einem Halbkreis von den Toren zur Universität und in einem zweiten Halbkreis wieder zurück zu den Toren des Gildeviertels. Links davon lagen Stallungen, hinter denen ebenfalls Wald aufragte.

Zwischen dem Waldrand und den Gärten residierte der Hohe Lord. Im Gegensatz zu den anderen, weißen Gebäuden der Gilde schimmerten die grauen Mauern seiner Residenz nicht im Mondlicht, sondern zeichneten sich nur geisterhaft vor dem Wald ab. Akkarins Quartier war abgesehen von der Gildehalle das einzige Gebäude, das noch aus der Zeit stammte, da die Gilde sich formiert hatte. Seit mehr als sieben Jahrhunderten beherbergte es nun den mächtigsten Magier einer jeden Generation. Lorlen zweifelte nicht daran, dass der Mann, der jetzt dort lebte, einer der stärksten Magier war, der je dort residiert hatte.

Er holte tief Luft und ging langsam auf die Tür des Gebäudes zu.

Für den Augenblick musst du all diese Dinge vergessen, sagte er sich. Er ist ein alter Freund, der Akkarin, den du so gut kennst. Wir werden über Politik reden, über unsere Familien und über Angelegenheiten der Gilde. Du wirst versuchen, ihn zu einem Besuch im Abendsaal zu überreden, und er wird ablehnen.

Als Lorlen die Residenz erreichte, drückte er die Schultern durch. Wie immer öffnete sich die Tür, kaum dass er angeklopft hatte. Er verspürte eine gewisse Erleichterung darüber, dass weder Akkarin noch sein Diener erschienen, um ihn zu begrüßen.

Er nahm im Empfangszimmer Platz und sah sich um. Ursprünglich war dieser Raum eine Eingangshalle mit einer abgetretenen Treppe zu beiden Seiten gewesen. Akkarin hatte die Halle modernisiert, indem er die rückwärtig gelegenen Treppen durch Wände verblendet und den Raum mit dicken Teppichen und bequemen Möbeln ausgestattet hatte. So war ein sehr ansprechender, aber nicht mehr so großer Empfangsraum daraus geworden.

»Was haben wir denn da?«, erklang eine vertraute Stimme. »Ein unerwarteter Besucher.«

Lorlen drehte sich um und brachte ein Lächeln zustande, als er den schwarz gewandeten Mann begrüßte, der in der Tür zur Treppe stand.

»Guten Abend, Akkarin.«

Der Hohe Lord lächelte, und nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte, ging er zu einem schmalen Schrank, in dem sich ein Vorrat an Weinflaschen, eine Sammlung von Gläsern und silbernes Besteck befanden. Er wählte eine Flasche von ebendem Wein aus, den nicht mehr zu kaufen Lorlen am vergangenen Tag beschlossen hatte.

»Ich hätte dich um ein Haar nicht wiedererkannt, Lorlen. Du warst schon ziemlich lange nicht mehr hier.«

Lorlen hob die Schultern. »Unsere kleine Familie war in letzter Zeit recht anstrengend.«