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Wann immer der Gong die Novizen zum Nachmittagsunterricht rief, krampfte Soneas Magen sich zusammen. Sowohl Rothen als auch Tania hatten angeboten, sie auf dem Weg durch die Universität zu begleiten, aber damit hätte sie, wie sie sehr wohl wusste, Regin und seinen Freunden nur bestätigt, dass sie mit ihren Schikanen Erfolg hatten. Stattdessen versuchte sie, Streiche und hämische Bemerkungen zu ignorieren, denn ihr war klar, dass sie ihre Situation nur noch verschlimmerte, wenn sie darauf reagierte.

Der letzte Gongschlag des Tages erfüllte sie stets mit Erleichterung. Was immer die anderen Novizen in ihrer Freizeit nach dem Unterricht taten, es musste interessanter sein als die Versuche, Sonea zu quälen, denn sobald der Lehrer die Klasse entließ, eilten sie davon. Sonea pflegte zu warten, bis sie fort waren, bevor sie sich unbehelligt auf den Weg zum Magierquartier machte. Aber für den Fall, dass die anderen ihre Meinung änderten, nahm sie stets den Umweg durch die Gärten, wählte jeden Tag einen anderen Pfad und hielt sich in der Nähe anderer Magier und Novizen.

Als sie sich heute wie an jedem Tag dem Ende des Korridors näherte, entspannten sich ihre Schultern, und der Krampf in ihrem Magen ließ langsam nach. Im Stillen dankte sie Rothen dafür, dass er ihr erlaubte, in seinem Quartier zu wohnen. Schaudernd dachte sie an die Qualen, die Regin für sie ersonnen hätte, wenn sie jeden Abend in das Quartier der Novizen hätte zurückkehren müssen.

»Da ist sie!«

Sonea erkannte die Stimme, und ein jähes Gefühl der Kälte breitete sich in ihr aus. Der Korridor war voller Novizen höherer Klassen, aber das hatte Regin noch nie aufgehalten. Sie beschleunigte ihre Schritte und hoffte, dass sie vor Regin und seinen Freunden die belebte Eingangshalle der Universität erreichen würde, wo sich gewiss ein oder zwei Magier aufhielten.

Eilige Schritte erklangen hinter ihr im Korridor.

»Sonea! Sooooneeeeaaaa!«

Die älteren Novizen drehten sich um. Ihr Blick sagte Sonea, dass Regin und seine Bande jetzt direkt hinter ihr sein mussten. Sie holte tief Luft und nahm sich vor, Regin ohne jedes Anzeichen von Erschrecken zu begegnen.

Jemand packte sie am Arm und drehte sie grob herum. Sie schüttelte die Hand ab und funkelte Kano wütend an.

»Wolltest du uns etwa ignorieren, Hüttenmädchen?«, fragte Regin. »Das ist sehr unhöflich, aber wir dürfen von dir wohl keine guten Manieren erwarten, nicht wahr?«

Sie umzingelten sie. Sonea blickte in die grinsenden Gesichter um sie herum. Sie drückte ihre Bücher fester an sich, machte einen Schritt nach vorn und versuchte, sich zwischen Ahrind und Issle hindurchzudrängen. Mehrere Hände packten sie an den Schultern und stießen sie zurück in die Mitte des Kreises. Furcht stieg in ihr auf. Bisher waren sie noch nie handgreiflich geworden, wenn man davon absah, dass sie ihr gelegentlich ein Bein stellten oder sie am Arm zerrten.

»Wo willst du hin, Sonea?«, fragte Kano. Jemand gab ihr von hinten abermals einen Stoß. »Wir wollen mit dir reden.«

»Nun, ich will aber nicht mit euch reden«, zischte sie. Noch einmal versuchte sie, sich zwischen den anderen hindurchzudrängen, wurde jedoch abermals in den Kreis zurückgestoßen. Ein Anflug von Angst blitzte in ihr auf. »Lasst mich durch.«

»Warum bettelst du nicht darum, Hüttenmädchen?«, höhnte Regin.

»Ja, wir wollen dich betteln hören. Darauf musst du dich doch verstehen.«

»Du hast in den Hüttenvierteln sicher reichlich Erfahrung darin sammeln können.« Ahrind lachte. »So schnell vergisst man so etwas gewiss nicht. Ich wette, du warst eins von diesen greinenden Bälgern, die immer hinter den Häusern unserer Väter herumhängen und um Essen betteln.«

»Bitte, gebt mir etwas zu essen. Biiitte!«, heulte Vallon. »Ich habe Huuuunger!« Die anderen fielen lachend in seinen Spottgesang ein.

»Oder vielleicht hatte sie ja etwas zu verkaufen«, meinte Issle. »Guten Abend, Mylord.« Ihre Stimme nahm einen schmeichelnden Tonfall an. »Wünscht Ihr vielleicht ein wenig Gesellschaft?«

Vallon erstickte ein Lachen. »Überlegt nur, wie viele Männer sie wohl schon gehabt hat.«

Gekicher erfüllte den Korridor, dann wich Ahrind plötzlich vor ihr zurück. »Wahrscheinlich hat sie eine ansteckende Krankheit.«

»Jetzt nicht mehr.« Regin bedachte Ahrind mit einem wissenden Blick. »Man hat uns erzählt, die Heiler hätten sie untersucht, als man sie fand, weißt du noch? Wenn sie krank war, haben sie sie gewiss wieder gesund gemacht.« Er drehte sich zu Sonea um und musterte sie von Kopf bis Fuß.

»Also… Sonea.« Seine Stimme war plötzlich seidenweich. »Wie viel hast du verlangt?« Er kam näher, doch die anderen erlaubten es Sonea nicht, vor ihm zurückzuweichen. »Nun ja«, fügte er gedehnt hinzu, »vielleicht habe ich mich ja geirrt. Vielleicht könnte ich mich dazu überwinden, dich zu mögen. Du bist ein wenig mager, aber das könnte ich übersehen. Sag mir, hast du dich auf bestimmte, äh, Gefälligkeiten spezialisiert?«

Sonea versuchte, die Hände auf ihren Schultern abzuschütteln, aber die Novizen packten sie nur umso fester. Regin schüttelte mit geheucheltem Mitgefühl den Kopf. »Wahrscheinlich haben die Magier dir befohlen, damit aufzuhören. Wie frustrierend für dich. Aber sie brauchen schließlich nichts davon zu wissen. Wir werden es ihnen nicht erzählen.« Er neigte den Kopf zur Seite. »Du könntest dir eine Menge Geld verdienen. Reiche Kunden gäbe es genug.«

Sonea starrte ihn an. Sie konnte nicht glauben, dass er auch nur zum Schein so tun würde, als sei er daran interessiert, sie in sein Bett zu holen. Einen Moment lang fühlte sie sich versucht, seinen Schwindel auffliegen zu lassen, aber wenn sie das tat, würde er anschließend behaupten, sie habe ihn ernst genommen. Die anderen Novizen, die sich im Korridor befanden, waren inzwischen stehen geblieben, um das Schauspiel voller Interesse zu verfolgen.

Regin beugte sich zu ihr vor, und sie konnte seinen Atem auf ihrem Gesicht spüren. »Wir bezeichnen es einfach als geschäftliches Arrangement«, gurrte er. Er versuchte nur, sie einzuschüchtern und festzustellen, wie weit er gehen konnte. Nun, mit dergleichen Schikanen war sie schon früher fertig geworden.

»Du hast Recht, Regin«, sagte sie. Seine Augen weiteten sich vor Überraschung. »Ich bin schon vielen Männern wie dir begegnet. Und ich weiß genau, was ich mit ihnen machen muss.« Sie fuhr mit der Hand hoch und packte ihn an der Gurgel. Während er versuchte, sich aus ihrem Griff zu befreien, schob sie einen Fuß hinter sein Standbein und stieß ihn mit aller Kraft nach hinten. Sie spürte, wie die Knie unter ihm nachgaben, und kostete ihren Triumph voll aus, als er, wild mit den Armen rudernd, zu Boden fiel. Stille senkte sich über den Korridor, während alle Novizen, gleichgültig welchen Jahrgangs, Regin anstarrten. Sonea rümpfte verächtlich die Nase.

»Was für ein Prachtexemplar du doch bist, Regin. Wenn sich alle Männer des Hauses Paren so benehmen, dann haben sie keine besseren Manieren als der Pöbel in den Bolhäusern.«

Regin versteifte sich, und seine Augen wurden schmal. Sie wandte ihm den Rücken zu und forderte die anderen Novizen mit zornigem Blick heraus, sie noch einmal zu berühren. Sie schraken zurück, und als der Kreis aufbrach, ging Sonea hocherhobenen Hauptes zwischen ihnen hindurch.

Sie war jedoch nur wenige Schritte weit gekommen, als Regins Stimme laut durch den Korridor hallte.

»Du hast offensichtlich reichlich Erfahrung, um solche Vergleiche anzustellen«, rief er ihr nach. »Wie schneidet Rothen dabei ab? Er muss sich sehr glücklich schätzen, dass du in seinem Quartier wohnst. Ah, jetzt ergibt alles einen Sinn. Ich habe mich schon immer gefragt, wie es dir gelungen ist, ihn als Mentor zu gewinnen.«