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Dannyl blickte auf den Band in seinen Händen hinab. Magische Praktiken der Volksstämme aus den Grauen Bergen. Das Datum unter dem Titel ließ darauf schließen, dass das Buch mindestens fünf Jahrhunderte alt war, und er wusste, dass es spätestens ab diesem Zeitpunkt keine Volksstämme mehr in den Bergen zwischen Elyne und Kyralia gegeben hatte. Fasziniert schlug er das Buch auf und begann zu lesen.

8

Wie er es beabsichtigt hatte

Also sitzen wir einfach nur da und hören zu?« Yaldin legte die Stirn in Falten und ließ den Blick durch den Abendsaal wandern, während er konzentriert den Stimmen lauschte. Rothen unterdrückte ein Kichern. Das Gesicht des alten Magiers war bei weitem zu ausdrucksstark. Wer immer ihn beobachtete, würde wissen, dass er sich alle Mühe gab zu lauschen.

Aber nachdem Dannyl fort war, brauchte Rothen einen anderen »Spion«. Jetzt, da ein skandalöses Gerücht die Runde machte, waren alle auf größte Vorsicht bedacht. Da das Gerücht sich um Rothen drehte, achteten die Klatschsüchtigen unter den Magiern stets genau darauf, ob er in der Nähe war, bevor sie frei zu reden begannen. Deshalb hatte er beschlossen, seinen alten Freund Yaldin in Dannyls Techniken zu unterweisen.

»Es ist zu offensichtlich, Yaldin.«

Der andere Mann runzelte die Stirn. »Offensichtlich? Wie meint Ihr das?«

»Wenn Ihr…«

»Lord Rothen?«

Rothen blickte auf und stellte zu seiner Überraschung fest, dass Administrator Lorlen neben seinem Sessel stand.

»Ja, Administrator?«

»Ich würde Euch gern unter vier Augen sprechen.«

Rothen bemerkte, dass mehrere Magier um ihn herum Lorlen erwartungsvoll ansahen. Yaldin runzelte die Stirn, sagte jedoch nichts.

»Selbstverständlich«, erwiderte Rothen. Er erhob sich und folgte Lorlen durch den Raum zu einer kleinen Tür. Die Tür schwang auf, und sie betraten den benachbarten Bankettsaal.

Der Raum lag im Dunkeln. Über dem Kopf des Administrators flammte eine Lichtkugel auf, deren Schein auf einen großen Tisch fiel. Lorlen setzte sich auf einen der Stühle, und Rothen, der neben ihm Platz nahm, wappnete sich für das Gespräch, dem er voller Unbehagen entgegengesehen hatte.

Lorlen seufzte, und sein Gesichtsausdruck bekam etwas Grimmiges. »Kennt Ihr die Gerüchte, die über Euch und Sonea im Umlauf sind?«

Rothen nickte. »Allerdings.«

»Zweifellos habt Ihr sie von Yaldin gehört.«

»Und von Sonea.«

»Sonea?« Lorlen zog die Augenbrauen in die Höhe.

»Ja«, bekräftigte Rothen. »Sie hat mir vor vier Wochen erzählt, dass einer ihrer Mitschüler das Gerücht erfunden habe, und sie machte sich Sorgen, dass die Leute es glauben könnten. Ich habe sie beruhigt. Gerüchte haben eine kurze Lebensdauer und werden rasch vergessen.«

»Hm.« Lorlen schürzte die Lippen. »Gerüchte wie dieses kann man nicht so leicht abtun, wie Ihr es vielleicht hofft. Mehrere Magier haben mir gegenüber ihre Besorgnis zum Ausdruck gebracht. Sie sind der Meinung, es gehöre sich nicht, dass ein Magier eine junge Frau in seinem Quartier beherberge.«

»Das Gerücht würde dadurch nicht entkräftet, dass man sie woanders unterbringt.«

Lorlen nickte. »Das ist wahr. Trotzdem würde man damit weiteren Spekulationen vorbeugen, die euch beiden beträchtlichen Schaden zufügen könnten. Rückblickend hätte Sonea wohl gleich zu Beginn des Unterrichts in das Novizenquartier umziehen sollen.« Er sah Rothen direkt an. »Nicht um zu verhindern, was das Gerücht andeutet, sondern um zu verhindern, dass überhaupt irgendwelche Gerüchte aufkommen. Niemand glaubt, dass zwischen Euch und Sonea etwas Unziemliches vorgefallen ist.«

»Warum soll sie dann überhaupt umziehen?« Rothen breitete die Hände aus. »Sie wird nach wie vor viel Zeit in meinem Quartier zubringen, um zu lernen oder mit mir zu Abend zu essen. Wenn Ihr jetzt nachgebt, wie lange wird es dauern, bevor andere Fragen stellen, wann immer wir eine Stunde miteinander verbringen?« Er schüttelte den Kopf. »Lasst einfach alles beim Alten, und jene, die töricht genug sind, diesem Gerücht Glauben zu schenken, werden einsehen, dass es keine Beweise für Ungehörigkeiten zwischen uns gibt.«

Ein schiefes Lächeln spielte um Lorlens Mundwinkel. »Ihr seid sehr zuversichtlich, Rothen. Was sagt Sonea dazu?«

»Dieses Gerücht hat sie natürlich aus dem Gleichgewicht gebracht, aber sie glaubt, dass es in Vergessenheit geraten wird, sobald Garrels Schützling sie nicht länger schikaniert.«

»Wenn - falls - sie in die Winterklasse aufrücken kann?«

»Ja.«

»Seid Ihr der Meinung, dass sie den Wechsel bewältigen und sich in dieser Klasse wird halten können?«

»Mühelos.« Rothen lächelte und versuchte gar nicht, seinen Stolz zu verbergen. »Sie lernt schnell, und sie ist ziemlich entschlossen. Sie wird nicht wollen, dass man sie wieder in Regins Klasse zurückschickt.«

Lorlen nickte, dann sah er Rothen eindringlich an. »Ich teile Euren Optimismus nicht, was dieses Gerücht betrifft, Rothen. Eure Argumente gegen Soneas Umzug in das Novizenquartier haben durchaus etwas für sich, aber wenn Ihr Euch irrt, könnte sich die Situation dadurch noch erheblich verschlimmern. Ich denke, sie sollte um ihrer selbst willen umziehen.«

Rothen musterte den Administrator stirnrunzelnd. Lorlen glaubte doch nicht etwa, dass Rothen eine Novizin in sein Bett nehmen würde, noch dazu ein Mädchen, das nicht einmal ein Drittel seiner Jahre zählte? Lorlens Blick war jedoch fest und klar, und Rothen begriff zu seinem Entsetzen, dass der andere Mann diese Möglichkeit tatsächlich erwogen hatte.

Das konnte Lorlen unmöglich glauben! Wie konnte er auch nur daran denken? Wann hatte Rothen Lorlen Anlass gegeben, an ihm zu zweifeln?

Und plötzlich dämmerte ihm der Grund. Akkarin!, dachte er. Wenn ich erfahren hätte, dass mein bester und ältester Freund die böseste nur denkbare Form der Magie praktiziert, würde ich ebenfalls mein Urteil über andere hinterfragen. Rothen holte tief Luft und wog seine nächsten Worte sorgfältig ab.

»Nur Ihr könnt verstehen, warum ich Sonea in meiner Nähe behalten will, Lorlen«, sagte er mit leiser Stimme. »Sie hat hier schon genug zu befürchten, ohne unter Menschen leben zu müssen, die ihr schaden wollen. Und möglicherweise wären es nicht nur die anderen Novizen, die ihr etwas antun könnten.«

Lorlen runzelte die Stirn, dann weiteten sich seine Augen ein wenig, und er wandte den Blick ab. Schließlich nickte er langsam. »Ich verstehe Eure Sorge. Das Leben hier muss für Sonea sehr beängstigend sein. Aber wenn ich eine Entscheidung treffe, die der Meinung der Mehrheit zuwiderläuft, würde das nur Aufmerksamkeit erregen. Ich glaube nicht, dass sie größeren Gefahren ausgesetzt wäre, wenn sie in das Novizenquartier umzieht… Aber ich werde versuchen, die Entscheidung so lange wie möglich hinauszuzögern, und hoffen, dass Gras über die Sache wächst, so wie Ihr es vermutet.«

Rothen nickte. »Ich danke Euch.«

»Und«, fügte Lorlen noch kurzem Nachdenken hinzu, »ich werde diesen Novizen, Regin, ein wenig genauer im Auge behalten. Um Unruhestifter muss man sich beizeiten kümmern.«

»Das wäre mir sehr recht«, erwiderte Rothen.

Lorlen erhob sich, und Rothen folgte seinem Beispiel. Einen Moment lang trafen sich ihre Blicke, und Rothen sah einen gehetzten Ausdruck in Lorlens Zügen, der ihn frösteln ließ. Dann wandte Lorlen sich ab und ging durch die Tür zum Abendsaal.

Dort angekommen, trennten sie sich voneinander, und Lorlen ging auf seinen gewohnten Sessel zu. Auf dem Weg zu seinem eigenen Platz beobachtete Rothen, dass mehrere Magier in seine Richtung blickten. Auch Yaldin sah ihm fragend entgegen.

»Nichts Ernstes«, sagte Rothen, während er sich in seinem Sessel neben dem älteren Magier niederließ. »Also, wo waren wir? Oh ja. Beim Thema Unauffälligkeit. Wenn Ihr lauscht, seht Ihr ungefähr so aus…«

Als es an ihrer Tür klopfte, stieß Sonea einen leisen Seufzer aus. Sie hörte auf zu schreiben und rief, ohne sich umzudrehen: »Herein.«