"Aber dafür hast du doch eine Zeitgutschrift erhalten."
"Natürlich, aber ich habe Zeit verloren, als ich darüber nachdachte, weshalb das Federstück nicht bei den bereits vorhandenen Ersatzteilen lag. Dafür gibt es keine Gutschrift. Bei einem Henslergerät hätte ich es einfach gewußt. Wie konnte ich mir da noch Hoffnungen machen? Der Sieger stammt aus San Francisco. Die ersten fünf kamen alle aus Großstädten, wo sie wirklich gute Erziehungsbänder zur Verfügung gehabt haben. Wie kann ich da noch auf einen guten Platz hoffen? Ich bin absichtlich nach San Francisco gekommen, weil hier die Novianer das Patronat über die Olympischen Spiele übernommen haben. Dabei hätte ich ebensogut zu Hause bleiben können. Aber Novia ist schließlich nicht die einzige Welt in dem ganzen verdammten Universum..."
Er sprach nicht mehr mit George. Er sprach nur mit sich selbst. George wußte, daß der andere über seine Niederlage zutiefst verbittert war.
George fragte: "Hättest du dich nicht über die Beemans informieren können, nachdem du erfahren hattest, daß sie benutzt werden würden?"
"Sie waren nicht auf meinen Bändern, sage ich dir."
"Du hättest... Bücher darüber lesen können."
Trevelyan sah ihn mißtrauisch an.
"Willst du dich über mich lustig machen? Hältst du das für einen guten Witz? Wie soll ich denn gegen andere aufkommen, die alles wissen?"
"Ich dachte nur..."
"Du kannst es ja versuchen. Bitte schön..." Trevelyan machte eine Pause und fuhr dann plötzlich fort: "Welchen Beruf hast du eigentlich?" Seine Stimme klang feindselig.
"Nun, ich..."
"Los, heraus damit! Wenn du dich über mich lustig machen willst, mußt du selbst etwas vorweisen können. Du bist noch auf der Erde, sehe ich gerade, deshalb kannst du kein Programmierer sein. Und deine Spezialaufgabe ist wahrscheinlich auch nicht viel wert."
George versuchte auszuweichen. "Leider habe ich im Augenblick nicht viel Zeit, Trev. Ich muß dringend zu einer Besprechung." Er lächelte verkrampft.
"Nein, das ist gelogen." Trevelyan hielt George am Jackenärmel fest. "Ich will eine Antwort! Warum hast du Angst davor? Was ist mit dir los? Du kannst dich nicht einfach über mich lustig machen, George, wenn du selbst nichts vertragen kannst. Hast du mich verstanden?"
Er schüttelte George heftig, obwohl George sich loszureißen versuchte. Dann ertönte plötzlich die Stimme eines Polizisten hinter ihnen.
"Aufhören! Sofort aufhören, sage ich!"
George erstarrte auf der Stelle. Der Polizist würde die Personalausweise verlangen - und George besaß keinen. Er würde Fragen beantworten müssen, wodurch seine Berufslosigkeit an den Tag kam; und das alles vor Trevelyan, der zu Hause wilde Gerüchte verbreiten würde, um sein eigenes Versagen zu vertuschen.
George konnte den Gedanken daran nicht ertragen. Er riß sich von Trevelyan los und wollte fortrennen, aber der Polizist hielt ihn auf. "Langsam, junger Mann. Ich möchte erst einmal Ihren Ausweis sehen."
Trevelyan hatte seinen bereits in der Hand und wandte sich an den Beamten. "Ich heiße Armand Trevelyan und bin Registrierter Metallurg. Ich habe eben an den Olympischen Spielen teilgenommen. Stellen Sie lieber fest, was mit ihm los ist..."
George starrte die beiden sprachlos an.
In diesem Augenblick ertönte eine andere Stimme: "Sergeant. Einen Augenblick, bitte."
Der Polizist trat einen Schritt zurück. "Sir?"
"Dieser junge Mann ist mein Gast. Worum handelt es sich?"
George sah sich überrascht um. Hinter ihm stand der grauhaarige ältere Mann, der neben ihm gesessen hatte. Der Grauhaarige nickte ihm wohlwollend zu.
Sein Gast? War der Kerl verrückt geworden?
"Diese beiden hier führten sich in der Öffentlichkeit unmöglich auf, Sir", erklärte der Polizist.
"Liegt etwas gegen sie vor? Haben sie einen Schaden angerichtet?"
"Nein, Sir."
"Ausgezeichnet, dann nehme ich den jungen Mann mit." Er zeigte dem Polizisten einen roten Ausweis, woraufhin der Beamte noch einen Schritt zurücktrat.
Trevelyan mischte sich wütend ein. "He, was geht hier eigentlich vor...", begann er, aber der Polizist ließ ihn nicht ausreden.
"Schon gut. Haben Sie etwas gegen diesen Herrn vorzubringen?" Er wies auf George.
"Ich wollte..."
"Dann brauchen Sie nicht mehr länger herumzustehen. Auch die anderen Herrschaften gehen gefälligst weiter." Unterdessen hatte sich eine Menschenmenge angesammelt, die sich jetzt nur widerstrebend auflöste.
George ließ sich bis zu einem Taxi führen, wollte aber nicht einsteigen.
Er sagte: "Vielen Dank, aber ich bin nicht Ihr Gast."
Aber der Grauhaarige lächelte nur und erwiderte: "Bisher noch nicht, aber Sie sind es jetzt. Aber ich muß mich Ihnen noch vorstellen - Ladislaus Ingenescu, Registrierter Historiker."
"Aber..."
"Kommen Sie ruhig mit. Ich wollte Ihnen nur weitere Unannehmlichkeiten auf der Polizei ersparen."
"Aber weshalb?"
"Brauchen Sie unbedingt einen Grund? Schön, sagen wir also, daß ich ehrenhalber Mitbürger Ihrer Heimatstadt bin, weil wir für den gleichen Mann geklatscht haben. Und die Bürger der gleichen Stadt müssen zusammenhalten, selbst wenn die Verbindung nur ehrenhalber besteht. Habe ich nicht recht?"
George nickte unsicher und fand sich plötzlich in dem Taxi wieder. Bevor er sich überlegt hatte, daß er lieber wieder aussteigen sollte, hatte das Fahrzeug sich bereits in Bewegung gesetzt.
Während der Fahrt bestritt Ingenescu den größten Teil der Unterhaltung, indem er auf Sehenswürdigkeiten hinwies und Erinnerungen an vergangene Olympische Spiele einflocht. George hörte allerdings kaum zu, sondern beobachtete genau, welche Richtung das Taxi nahm.
Steuerten sie etwa auf eine der Öffnungen in der Abschirmung zu, um die Stadt zu verlassen?
Nein, sie bewegten sich auf die Stadtmitte zu, und George seufzte unhörbar. Inmitten des Häusergewirrs fühlte er sich sicherer.
Das Taxi hielt vor einem Hotel. Als sie ausstiegen, sagte Ingenescu: "Ich hoffe, daß Sie eine Einladung zum Abendessen mit mir nicht ausschlagen werden?"
"Nein", antwortete George und grinste verkrampft. Allmählich spürte er deutlich, daß er heute das Mittagessen ausgelassen hatte.
Ingenescu ließ ein reichhaltiges Abendessen für zwei Personen auf sein Zimmer bringen. Sie aßen schweigend. Weit unter ihnen lag San Francisco in seiner strahlenden Festbeleuchtung.
Ingenescu sprach erst wieder, als der Kaffee serviert wurde. "Sie haben sich benommen, als glaubten Sie, daß ich Ihnen schaden wollte."
George wurde rot, stellte seine Tasse ab und versuchte zu widersprechen, aber der Ältere lachte und schüttelte den Kopf.
"Doch, doch, ich habe recht. Ich habe Sie lange genug beobachtet und glaube, daß ich ziemlich viel über Sie weiß."
George wäre vor Schreck fast aufgesprungen.
"Bleiben Sie ruhig sitzen", meinte Ingenescu freundlich. "Ich möchte Ihnen nur helfen."
George setzte sich wieder und überlegte verwirrt. Wenn der Alte wußte, wen er vor sich hatte, warum hatte er ihn dann nicht dem Polizisten überlassen? Und weshalb sollte er seine Hilfeleistung freiwillig anbieten?
"Sie möchten wissen, warum ich Ihnen geholfen habe?" meinte Ingenescu lächelnd. "Sie brauchen mich nicht so ängstlich anzusehen - ich bin kein Gedankenleser. Ich habe nur eine gute Ausbildung im Umgang mit Menschen gehabt, durch die ich Reaktionen richtig einschätzen kann. Verstehen Sie das?"
George schüttelte den Kopf; Ingenescu sprach weiter. "Denken Sie nur an unser erstes Zusammentreffen. Sie standen in einer Schlange, um einen Wettbewerb zu sehen, aber ihre unbewußten Reaktionen stimmten mit dieser Absicht nicht überein. Ihr Gesichtsausdruck war falsch, ihre Handbewegungen waren falsch. Das bedeutete, daß irgend etwas mit Ihnen nicht ganz stimmte - und interessanterweise mußte es sich dabei um einen nicht alltäglichen Fall handeln. Ich überlegte mir, ob Sie vielleicht selbst gar nichts davon ahnten.