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Deshalb folgte ich Ihnen aus reiner Neugier und setzte mich neben Sie. Als der Wettbewerb vorüber war, ging ich Ihnen wieder nach und belauschte Ihre Unterhaltung mit Ihrem Freund. Von diesem Augenblick an waren Sie für mich als Studienobjekt - tut mir leid, wenn das etwas nüchtern klingt - zu wertvoll, als daß ich Sie einfach einem Polizisten hätte überlassen können." Ingenescu lächelte aufmunternd. "Wollen Sie mir nicht sagen, was Sie bedrückt?"

George konnte sich nicht zu einer klaren Entscheidung durchringen. Wenn es sich um eine Falle handelte, weshalb sollte sie dann so umständlich aufgebaut sein? Und er mußte sich an jemand wenden, der ihm helfen konnte. Er war deswegen nach San Francisco gekommen, und hier wurde ihm Hilfe angeboten. Vielleicht war das überhaupt der Haken an der ganzen Sache. Das Angebot war zu bereitwillig gemacht worden.

Ingenescu schien zu erraten, was George dachte. "Was Sie mir als Sozialwissenschaftler erzählen, unterliegt selbstverständlich meiner Schweigepflicht. Wissen Sie, was das bedeutet?"

"Nein, Sir."

"Das bedeutet, daß ich den Inhalt unseres Gesprächs nicht weitergeben darf - und niemand kann mich dazu zwingen."

George sah ihn mißtrauisch an. "Ich dachte, Sie seien Historiker?"

"Das bin ich auch."

"Aber eben haben Sie sich doch selbst als Sozialwissenschaftler bezeichnet."

Ingenescu lachte laut und entschuldigte sich sofort für seinen Heiterkeitsausbruch. "Tut mir leid, junger Mann, ich hätte nicht lachen sollen, aber ich habe nicht über Sie gelacht. Ich habe mich nur über die Tatsache amüsiert, daß heutzutage fast jeder sämtliche Gebiete der Technik herunterrasseln kann, ohne die geringste Ahnung von anderen Wissensgebieten zu haben."

"Schön, aber was versteht man denn unter dem Begriff Sozialwissenschaft?"

"Die Sozialwissenschaft beschäftigt sich mit den verschiedenen Formen des menschlichen Zusammenlebens. Natürlich gibt es dabei verschiedene Unterteilungen, wie zum Beispiel auch in der Biologie. Die Kulturisten befassen sich mit der Entwicklung, dem Wachstum und dem Verfall der Kulturen. Das schließt alle Aspekte unseres Lebens ein", fügte er hinzu und kam dadurch einer Frage zuvor. "Dazu gehören unsere Lebensart, unsere Vorlieben und Abneigungen, unsere Tabus und so weiter. Verstehen Sie das?"

"Ja, ich glaube es wenigstens."

"Die Wirtschaftswissenschaftler - nicht die Statistiker, sondern die Wissenschaftler - spezialisieren sich auf die Art und Weise, in der eine Kultur die physischen Bedürfnisse ihrer Angehörigen befriedigt. Die Futuristen befassen sich mit der zukünftig zu erwartenden Entwicklung, und die Historiker... Das ist eben mein Fachgebiet."

"Ja, Sir."

"Die Historiker beschäftigen sich mit der Vergangenheit unserer Zivilisation und der anderer Gesellschaftsformen."

George sah interessiert auf. "Waren die Verhältnisse früher anders?"

"Völlig anders. Bis vor etwa tausend Jahren gab es noch keine Erziehung; wenigstens nicht in unserem jetzt gebräuchlichen Sinn."

"Ich weiß", stimmte George zu. "Damals lernten die Menschen noch mühsam aus Büchern."

"Wo haben Sie das gelernt?"

"Oh, ich habe zufällig davon gehört", antwortete George vorsichtig. Dann fragte er weiter. "Hat es eigentlich Sinn, sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen? Ich meine, das spielt doch eigentlich gar keine Rolle mehr, nicht wahr?"

"Es spielt immer eine Rolle, mein Junge. Die Vergangenheit erklärt die Gegenwart. Weshalb wurde zum Beispiel unser Erziehungssystem eingeführt?"

George bewegte sich unruhig. Warum fing der Kerl immer wieder davon an? Er sagte kurz: "Weil es das beste denkbare System ist."

"Aha. Aber warum ist es das beste? Wenn Sie mir einen Augenblick lang zuhören, werde ich es Ihnen erklären. Dann können Sie selbst beurteilen, ob Geschichtsforschung sinnvoll ist. Selbst bevor die Menschheit zu den Sternen fliegen konnte..." Ingenescu brach ab, als er den erstaunten Ausdruck auf Georges Gesicht wahrnahm. "Dachten Sie etwa, daß die Menschen schon immer dazu fähig gewesen wären?"

"Ich habe nie darüber nachgedacht, Sir."

"Das glaube ich. Vor fünftausend Jahren war die Menschheit noch auf die Oberfläche der Erde beschränkt. Aber selbst damals war die Kultur hoch technisiert, denn nur durch eine hochentwickelte Technik war die Ernährung der ständig wachsenden Bevölkerung einigermaßen gewährleistet. Allerdings dauerte die Ausbildung der Wissenschaftler um so länger, je weiter die technische Entwicklung fortschritt.

Als schließlich der Raumflug Wirklichkeit wurde, behinderte dieser Engpaß jeden weiteren Fortschritt. Die Besiedlung der Planeten außerhalb unseres Sonnensystems wäre schon fünfzehnhundert Jahre früher möglich gewesen, wenn genügend ausgebildete Männer zur Verfügung gestanden hätten.

Die entscheidende Wendung trat erst ein, als die Vorgänge im Innern des menschlichen Gehirns erforscht worden waren. Von diesem Zeitpunkt an war es möglich, jeden Menschen mit sozusagen vorfabriziertem Wissen zu versorgen. Aber das wissen Sie ja selbst.

Nachdem dieser Schritt einmal getan war, konnten Millionen in kürzester Zeit ausgebildet werden, konnte die Eroberung des Universums beginnen - auf friedlichem Wege. Es gibt jetzt bereits fünfzehnhundert bewohnte Planeten, aber das Ende ist noch nicht in Sicht.

Verstehen Sie, was ich damit sagen will. Die Erde exportiert Erziehungsbänder für weniger spezialisierte Berufe und trägt dadurch dazu bei, daß die Verbindung zwischen den Planeten nicht abreißt. Lesebänder, zum Beispiel, vermitteln uns alle die gleiche Sprache... Sie brauchen mich nicht so erstaunt anzustarren. Andere Sprachen sind durchaus möglich und wurden in der Vergangenheit auch benützt.

Die Erde exportiert aber auch hochspezialisierte Techniker und verringert dadurch die Gefahr einer Überbevölkerung. Außerdem erfolgt die Bezahlung für die Bänder und Menschen in Rohstoffen, die wir dringend benötigen. Verstehen Sie jetzt, weshalb unser Erziehungssystem das beste ist?"

"Ja, Sir."

"Begreifen Sie jetzt auch, daß es eine Vorbedingung für die Besiedlung anderer Planeten war?"

"Ja, Sir."

"Dann müssen Sie auch einsehen, daß die Geschichtsforschung einen bestimmten Zweck erfüllt." Ingenescu lächelte. "Ich frage mich nur, ob Sie erraten, warum ich mich für Sie interessiere?"

George kehrte wieder in die Gegenwart zurück. Offenbar verfolgte Ingenescu eine bestimmte Absicht und wollte George auf die Probe stellen.

Er zögerte einen Augenblick. "Warum?"

"Die Sozialwissenschaft beschäftigt sich mit Gesellschaftsformen, und jede Gesellschaft besteht aus Menschen."

"Richtig."

"Aber Menschen unterscheiden sich von Maschinen. Techniker arbeiten mit Maschinen. Sie haben es leicht, denn über eine Maschine kann man in verhältnismäßig kurzer Zeit alles wissen. Aber Menschen... Sie sind so voneinander verschieden, daß man sie immer wieder studieren muß, um sein eigenes Fachgebiet zu beherrschen; besonders aber ungewöhnliche Typen."

"Wie mich", sagte George tonlos.

"Ich dürfte Sie eigentlich nicht als Typ bezeichnen, aber Sie sind wirklich außergewöhnlich. Wenn Sie nichts dagegen haben, daß ich mich mit Ihnen beschäftige, werde ich Ihnen nach Möglichkeit behilflich sein, Ihr Problem zu lösen."

"Ich muß einen Augenblick darüber nachdenken", bat George. Ingenescu nickte zustimmend. Dann sprach George weiter: "Wollen Sie etwas für mich tun, Sir?"

"Wenn ich es kann", antwortete der Historiker bereitwillig.

"Unser Gespräch ist aber streng vertraulich. Das haben Sie selbst gesagt."

"Richtig."

"Dann verschaffen Sie mir ein Interview mit einem einflußreichen Mann von einem anderen Planeten, mit einem... Novianer."

Ingenescu starrte ihn verblüfft an. "Nun, ich..."

"Sie können es bestimmt", sagte George. "Sie sind selbst bedeutend genug. Ich habe den Polizisten beobachtet, als Sie ihm Ihren Ausweis zeigten. Wenn Sie sich weigern, lasse ich mich nicht studieren."