Und jetzt war er so nervös, daß die Analyse ein völlig falsches Bild ergeben mußte. Wenige Minuten später war alles vorbei, als die Maschine zu summen aufhörte. George sah zu Dr. Antonelli auf.
"Unmöglich, schätze ich?" meinte George.
"Was unmöglich?"
"Ich als Programmierer?"
Dr. Antonelli rieb sich die Nase, bevor er antwortete. "Nehmen Sie Ihre Sachen und gehen Sie in Zimmer 15c. Dort liegt dann bereits Ihr Ordner. Mein Befund ebenfalls."
George war völlig überrascht. "Bin ich schon fertig? Ich dachte, das hier sei nur eine Vorbereitung auf..."
Dr. Antonelli sah auf den Schreibtisch hinunter. "Für weitere Erklärungen bin ich nicht zuständig. Tun Sie, was ich Ihnen gesagt habe."
George fühlte eine unbestimmte Angst in sich aufsteigen. Warum drückte der Arzt sich so undeutlich aus? Bestimmt taugte er nur zu einem Registrierten Arbeiter. Sie wollten ihn darauf vorbereiten; wollten es ihm allmählich beibringen.
Er wußte plötzlich, daß er mit seiner Vermutung recht hatte, und mußte sich mühsam beherrschen, um nicht vor Zorn in Tränen auszubrechen.
Ein Führer in roter Uniform begleitete ihn durch die langen Gänge, bis sie schließlich den Raum 15c erreicht hatten. George stieß einen erleichterten Seufzer aus, als er feststellte, daß außer ihm niemand mehr anwesend war. Das Klassifizierungsbüro für Arbeiter wäre doch bestimmt überfüllt gewesen...
Dann öffnete sich eine Tür hinter der hüfthohen Barriere. Ein weißhaariger Mann betrat den Raum und lächelte George aufmunternd zu.
Er sagte: "Guten Abend, George. Diesmal sind Sie anscheinend der einzige in Ihrem Sektor, wie ich sehe."
"Der einzige?" fragte George verständnislos.
"Selbstverständlich gibt es auf der Erde noch unzählige andere. Tausende. Sie sind nicht allein."
George war völlig verwirrt. "Das verstehe ich nicht, Sir", sagte er. "Wie bin ich klassifiziert worden? Was ist eigentlich mit mir los?"
"Immer mit der Ruhe, junger Freund. Alles ist in bester Ordnung. Schließlich kann das jedem passieren." Er streckte George die Hand entgegen. "Setzen Sie sich, mein Junge. Ich heiße Sam Ellenford."
George nickte ungeduldig. "Ich möchte endlich erfahren, was mit mir los ist, Sir."
"Natürlich, natürlich. Nun, Sie sind nicht als Programmierer geeignet, George. Aber das wissen Sie vermutlich bereits selbst."
"Ja, ich weiß", antwortete George langsam. "Wofür bin ich also geeignet?"
"Das ist nicht leicht zu erklären, George." Ellenford machte eine Pause, bevor er weitersprach. "Zu nichts."
"Was?"
"Zu nichts!"
"Aber was soll denn das heißen? Warum können Sie mir keinen Beruf zuweisen?"
"Uns bleibt keine andere Wahl, George. Ihre Gehirnstruktur ist dafür entscheidend."
George wurde leichenblaß. Seine Augen traten hervor. "Ist mein Verstand nicht ganz in Ordnung?"
"Irgendwie ist er anders. Vom Gesichtspunkt der Berufswahl aus könnte man vielleicht wirklich den Ausdruck ›nicht ganz in Ordnung‹ gebrauchen."
"Aber warum denn?"
Ellenford zuckte mit den Schultern. "Sie wissen doch, wie unser Erziehungsprogramm funktioniert, George. Fast jeder Mensch kann alles in sich aufnehmen, aber je nach seiner persönlichen Gehirnstruktur ist er für bestimmte Gebiete besser als für andere geeignet. Wir versuchen diese besonderen Fähigkeiten auszunützen, solange sie sich mit den Bedarfsmeldungen der einzelnen Berufe vereinbaren lassen."
George nickte. "Ja, das weiß ich."
"Aber gelegentlich geraten wir an einen jungen Mann, George, dessen Verstand für unsere Erziehungsmethode ungeeignet ist."
"Wollen Sie damit sagen, daß ich nicht erzogen werden kann?"
"Genau das."
"Aber das ist doch verrückt! Ich bin intelligent. Ich verstehe..." Er sah sich hilflos um, als suche er nach einem Weg, um zu beweisen, daß sein Gehirn funktionierte.
"Bitte, verstehen Sie mich nicht falsch", sagte Ellenford ernst. "Sie sind intelligent. Daran besteht nicht der geringste Zweifel. Sie sind sogar überdurchschnittlich begabt. Aber leider hat das keinen Einfluß auf die Tatsache, daß Sie unserer Erziehungsmethode nicht zugänglich sind. Vielleicht tröstet Sie der Gedanke, daß wir es hier mit äußerst intelligenten jungen Menschen zu tun haben."
"Soll das heißen, daß ich nicht einmal zu einem Registrierten Arbeiter tauge?" erkundigte George sich ungläubig. Selbst das wäre einem vorläufig noch sehr ungewissen Schicksal vorzuziehen gewesen. "Was muß denn ein einfacher Arbeiter schon können?"
"Unterschätzen Sie die Arbeiter nicht, junger Mann. Auch da gibt es große Unterschiede zwischen den zahllosen Sparten, die gewisse Kenntnisse voraussetzen. Außerdem gehört zu einem Arbeiter nicht nur ein entsprechendes Gehirn, sondern auch ein geeigneter Körper. Sie sind nicht der Typ, George, der für schwere Arbeiten geeignet ist."
George wußte selbst, daß er dazu zu leicht gebaut war. "Aber ich habe noch nie von jemand gehört, der gar keinen Beruf hatte", sagte er verstört.
"Es gibt nicht allzu viele", gab Ellenford zu. "Und wir beschützen sie."
"Beschützen?" George starrte Ellenford fragend an.
"Sie sind jetzt ein Mündel der Erde, George. Seitdem Sie diesen Raum betreten haben, sind wir für Sie verantwortlich."
Das Lächeln Ellenfords war freundlich. Für George wirkte es wie ein besitzergreifendes Lächeln; wie das Lächeln eines Erwachsenen einem hilflosen Kind gegenüber.
"Soll das heißen, daß ich eingesperrt werde?" erkundigte er sich mit tonloser Stimme.
"Selbstverständlich nicht. Sie werden mit anderen Ihrer Art zusammen sein."
Ihrer Art. Die beiden Wörter klangen in Georges Ohren schmerzhaft laut.
"Sie brauchen eine Spezialbehandlung", sagte Ellenford. "Wir werden für Sie sorgen."
George konnte plötzlich die Tränen nicht mehr zurückhalten. Ellenford wandte sich taktvoll ab und sah zum Fenster hinaus.
George beherrschte sich mit einer gewaltsamen Anstrengung. Er dachte an seine Eltern, an seine Freunde, an Trevelyan, an seine eigene Schande...
"Aber ich habe doch lesen gelernt", protestierte er dann.
"Das kann jeder, der geistig gesund ist. Gewisse Ausnahmen stellen sich erst später heraus - in Ihrem Fall erst heute. Aber selbst damals meldete der behandelnde Arzt verschiedene Abweichungen in Ihrer Gehirnstruktur."
"Können Sie denn nicht wenigstens den Versuch unternehmen, mich trotzdem zu erziehen? Warum eigentlich nicht? Ich nehme das Risiko gern auf mich."
Ellenford schüttelte den Kopf. "Nein, George, das ist streng verboten. Aber vielleicht ist alles doch nicht so schlimm, wie es jetzt aussieht. Wir werden Ihre Familie beruhigen, damit sie sich keine Sorgen macht. Und Ihnen werden wir alle Bücher besorgen, die Sie lesen möchten, um sich weiterzubilden."
"Ich soll also löffelweise lernen", sagte George wütend. "Stück für Stück. Bis im Alter von sechzig Jahren weiß ich dann vermutlich genug, um Registrierter Bürobote zu werden."
"Aber Sie haben doch schon aus Büchern gelernt..."
George erstarrte. Plötzlich glaubte er alles zu verstehen. "Deshalb also..."
"Was meinen Sie?"
"Dieser Antonelli. Er versucht mich hereinzulegen."
"Nein, George. Sie irren sich."
"Sie brauchen es gar nicht abzustreiten", schrie George wütend los. "Der verdammte Kerl will mich mundtot machen, weil ich ihm zu schlau war. Ich habe Bücher gelesen, um mich auf meinen Beruf vorzubereiten. Schön, was wollen Sie von mir? Geld? Keinen Cent bekommen Sie! Aber ich werde dafür sorgen, daß..."
Seine Stimme überschlug sich.
Ellenford schüttelte den Kopf und drückte auf einen Knopf.
Zwei Männer betraten leise den Raum und nahmen George in die Mitte. Während der eine ihm die Arme festhielt, gab der andere George eine Beruhigungsspritze, die fast augenblicklich wirkte.
Sein Kopf sank schwer nach vorn. Seine Knie gaben nach, so daß er gefallen wäre, wenn die beiden Männer ihn nicht gestützt hätten. Er schlief.