»Ich hoffe, dass es Ihnen Spaß macht, Mr. Williams, Ordnung im völligen Chaos zu schaffen«, hatte mich Mrs. Tarrant gefragt und durch ihre kleine Sonnenbrille auf ihren Garten geblickt. Ich hatte den Eindruck gewonnen, dass sie Fortyfoot House nicht sehr mochte, auch wenn sie immer und immer wieder erklärt hatte, wie sehr sie es vermisse.
Ich öffnete vorsichtig die Schlafzimmertür, um Danny nicht aufzuwecken, der im Zimmer nebenan schlief, dann schlich ich leise durch den schmalen Flur im Obergeschoss. Egal, wo ich hinsah, überall entdeckte ich etwas, das für mich Arbeit bedeutete. Feuchtigkeit hatte auf der blassgrünen Tapete große Flecken hinterlassen, die Deckenfarbe schälte sich ab, die Fensterbretter waren verrottet. Die Heizkörper waren undicht, die Ventile mit Kalk überzogen. Das gesamte Haus roch verwahrlost.
Ich erreichte die oberste Stufe der steilen, schmalen Treppe und wollte gerade nach unten gehen, als ich das Schlurfen erneut hörte - es war mehr ein Huschen als ein Schlurfen. Ich zögerte. Es klang so, als komme das Geräusch vom Dachboden. Nicht vom Dachvorsprung, was ich erwartet hätte, wenn es nistende Vögel gewesen wären. Sondern von der Mitte des Dachbodens, fast so, als habe sich etwas diagonal über den Fußboden bewegt.
Eichhörnchen, dachte ich. Ich hasse Eichhörnchen. Sie sind so zerstörerisch, und sie essen ihre Jungen auf. Vermutlich hatten sie den gesamten Dachboden übernommen und ihn zu einem riesigen stinkenden Eichhörnchenreich gemacht.
Neben dem Treppenabsatz gab es eine kleine mit Tapete beklebte Tür, die nicht direkt ins Auge fiel. Mrs. Tarrant hatte mir gesagt, dass dies der einzige Zugang zum Dachboden sei, auf dem sie auch nur wenige Möbelstücke eingelagert hatten.
Ich öffnete die Tür und spähte hinein. Der Speicher war stockfinster, und der Luftzug wehte mir von Trockenfäule geprägte, stickige Luft entgegen. Ich horchte, konnte aber nur den Wind hören, der sich unter den Dachziegeln fing. Das Kratzen war wieder verstummt.
In der Nähe der Tür ertastete ich einen altmodischen braunen Lichtschalter, doch egal, wie oft ich ihn betätigte, es passierte nichts. Entweder war die Glühbirne durchgebrannt oder die Leitungen waren verrostet. Vielleicht hatten auch die Eichhörnchen die Kabel durchgebissen. Am gegenüberliegenden Treppenabsatz sah ich einen großen Spiegel, den ich so ausrichtete, dass er das wenige Sonnenlicht des frühen Morgens reflektierte und wenigstens die ersten Stufen der auf den Dachboden führenden Treppe schwach beleuchtete. Ich fand, dass es eine recht gute Idee war, mich zumindest einmal schnell umsehen, damit ich wusste, mit wem oder was ich es zu tun hatte. Ich hasse Eichhörnchen, aber sie sind mir immer noch lieber als Ratten.
Ich zog den Teppich aus dem Flur herüber, damit er die Tür zum Speicher daran hinderte, hinter mir zuzufallen, dann betrat ich vorsichtig die ersten drei Stufen. Sie waren extrem steil und mit dickem braunen Filz belegt, wie ich ihn seit zwanzig Jahren bestimmt nirgends mehr gesehen hatte. Der Luftzug wehte mir beständig entgegen, aber es war keine frische Luft, eher wie verbrauchter Atem, so als atme der Dachboden aus.
Auf der vierten Stufe hielt ich kurz inne, um wieder zu horchen, gleichzeitig konnten sich meine Augen an den schwachen Lichtschein gewöhnen. Es überraschte mich, dass zwischen den Dachziegeln kein einziger Lichtstrahl hindurchdrang. Offenbar befand sich das Dach noch immer in gutem Zustand. Das bleiche Licht, das der Spiegel reflektierte, war keine große Hilfe, aber ich konnte immerhin einige Umrisse auf dem Dachboden ausmachen. Etwas, das aussah wie ein Sessel. Etwas, das aussah wie ein kleiner Schreibtisch. Im Winkel zwischen Fußboden und Dach etwas, bei dem es sich um einen Berg alter Kleidung handeln mochte, das aber ebenso gut ein sonderbar geformtes Möbelstück unter einem Laken sein konnte.
Es hing Trockenfäule in der Luft. Das roch ich. Aber es war auch noch ein anderer Geruch da. Ein schwacher süßlicher Geruch wie der von Gas oder von einem verwesenden Vogel, der sich in einem Kamin verfangen hatte. Ich konnte nicht sagen, was es war, aber zumindest, dass ich diesen Geruch nicht mochte. Ich beschloss, später noch einmal mit einer Taschenlampe hierher zu kommen, um der Sache auf den Grund zu gehen.
Gerade wollte ich wieder nach unten gehen, als ich erneut das Scharren hörte. Es kam aus der Ecke, die am weitesten von mir entfernt und wo der Dachboden am dunkelsten war. Hier oben war das Geräusch schwerer, es hatte mehr Substanz - nicht das, was ein Eichhörnchen oder ein Vogel verursachen würde. Es ließ eher an einen großen Kater oder eine sehr große Ratte denken oder sogar an einen Hund. Allerdings konnte ich mir nicht vorstellen, wie ein Hund auf den Dachboden hätte gelangen sollen.
»Pssssssttt!«, zischte ich in die Richtung, um das Tier zu erschrecken.
Das Kratzen brach abrupt ab, jedoch nicht, um sich erschrocken und überhastet zurückzuziehen, sondern eher auf eine Weise, als wolle das Geschöpf abwarten, um herauszufinden, was ich als Nächstes machen würde. Ich lauschte intensiv, und einen Augenblick lang glaubte ich, eine raues Almen zu hören, aber das war wohl nur der Wind.
»Pssssssttt!«, wiederholte ich, diesmal noch nachdrücklicher.
Es kam keine Reaktion. Ich hatte keine Angst vor der Dunkelheit, und ich hatte auch keine große Angst vor Tieren, nicht einmal vor Ratten. Ich hatte einen Freund, der in London für Islington Council Ratten fing. Einmal hatte er mich kilometerweit durch die Kanalisation geführt und mir schmierig graue Ratten gezeigt, die durch die Fäkalien der Menschen schwammen. Ich glaube, danach gab es nichts mehr, was mir Angst einjagen konnte.
»Sie haben uns eine Woche lang im Chigwell Reservoir trainieren lassen«, hatte mein Freund gesagt, »damit wir einen menschlichen Körper sofort erkennen können.«
»Ihr braucht eine Woche Training?«, hatte ich ihn ungläubig gefragt.
Ich erklomm die letzte Stufe, machte einen großen Schritt und starrte weiter in die Dunkelheit. Am anderen Ende des I »achbodens konnte ich eine Gestalt ausmachen, aber ganz sicher war ich mir nicht.
Sie war nicht so groß wie ein erwachsener Mann, es konnte gar kein Erwachsener sein, dafür war zwischen Dach und Boden kein Platz mehr. Aber auch kein Kind, denn dafür wirkte sie zu klobig. Andererseits existierte auch keine derart große Katze.
Nein, meine Augen spielten mir sicher einen Streich. Es war vermutlich nichts Unheimlicheres als ein alter Pelzmantel, der über einem Stuhl lag. In der Dunkelheit sah ich Formen und sich bewegende Schatten, wo sich nichts befinden oder bewegen konnte. Ich sah, wie durchsichtige Kügelchen vor meinen Augen hin-und herschwirrten, Staub oder Tränen.
Ich tat noch einen Schritt. Mein Fuß stieß gegen die Kante eines harten rechteckigen Objekts - eine Truhe oder eine Kiste. Ich horchte wieder, während ich leise atmete. Obwohl ich das Gefühl hatte, dass sich etwas auf dem Dachboden befand, das mich beobachtete und darauf wartete, dass ich mich noch weiter vorwagte, kam ich zu dem Entschluss, weit genug gegangen zu sein.
Die Wahrheit war, dass ich sicher war, es sehen zu können. Etwas äußerst Finsteres, Kleines. Es bewegte sich nicht, sondern wartete angespannt, dass ich mich bewegte. Es war mir peinlich, so sicher zu sein. Die Logik sagte mir, dass es schlimmstenfalls eine Ratte sei.
Ich hatte keine Angst vor Ratten. Genauer gesagt, ich hatte keine allzu große Angst vor Ratten. Ich hatte einmal versucht, einen Horrorroman über Ratten zu lesen, der nichts weiter bewirkt hatte, als mich friedlich einschlummern zu lassen. Ratten waren nur Tiere, und sie hatten mehr Angst vor uns als wir vor ihnen.
»Pssssssttt!«, zischte ich etwas vorsichtiger und glaubte, dass es sich im gleichen Moment bewegt hatte.
»Pssssssttt!«
Keine Reaktion. Sogar der Wind schien den Atem anzuhalten. Die Luft auf dem Dachboden war wie erstarrt. Ich trat einen Schritt zurück, dann noch einen und suchte mit der Hand nach dem Treppengeländer. So gleichmäßig wie möglich zog ich mich in Richtung des schwachen Lichtscheins zurück, der vom Spiegel reflektiert wurde.