Ich wusste, dass Brown Jenkin das gemacht hatte, auch wenn ich keine Ahnung hatte, wie er das hatte bewerkstelligen können. Ich hatte versucht, Detective Sergeant Miller zu erklären, dass sich auf dem Speicher möglicherweise eine Art >Hyper-Ratte< befand. Doch Miller hatte mich mit seinen blassblauen Augen angesehen, durch seine kleinen Brillengläser, und er hatte so entschlossen gewirkt, nicht an Brown Jenkin, sondern an einen Unfall zu glauben, dass ich beschlossen hatte, besser den Mund zu halten und lieber dafür zu sorgen, dass Danny und Liz vor den bedrohlichen Dingen geschützt wurden, die sich im Fortyfoot House befinden mochten. Und ich hatte beschlossen, dankbar dafür zu sein, dass die Polizei nicht auf die Idee gekommen war, mich wegen eines tätlichen Angriffs auf Harry Martin festzunehmen.
Die Polizei macht so etwas, wenn man am wenigsten damit rechnet. Manchmal muss man tatsächlich überlegen, ob man sie überhaupt informieren soll.
»Sie bleiben doch in der Gegend, oder?«, fragte mich Detective Sergeant Miller.
»Ja, ja, noch zwei bis drei Monate. Ich soll das komplette Haus renovieren, neue Leitungen verlegen, verputzen, tapezieren. Von allem etwas.«
»Dann kommen die Tarrants also zurück?«
Ich schüttelte den Kopf. »Sie wollen es verkaufen. Sie haben sich nach Mallorca zurückgezogen.«
»Manche Leute haben halt Glück«, meinte Miller. »Sie waren offensichtlich noch nie auf Mallorca.«
Er sah mich lange Zeit an, ohne zu blinzeln. Ich war mir nicht sicher, ob er mir Angst einjagen oder ob er mir auf telepathischem Wege zu verstehen geben wollte, dass er schon mal auf Mallorca gewesen war. Immerhin musste ein Mann mit einer Rose am Revers überall gewesen sein. Oder besser gesagt: Er sollte überall gewesen sein.
»Das wäre es dann für den Augenblick«, sagte er. »Ich gehe davon aus, dass wir uns noch mal bei Ihnen melden. Aber es sieht alles nach Routine aus.«
»Haben Sie den Dachboden abgesucht?«, fragte ich ihn.
Er starrte mich noch immer durchdringend an, während er antwortete: »Ja, wir haben alles abgesucht.«
»Keine Ratten? Auch keine Anzeichen für Ratten?«
»Nein, Mister... ? Keine Anzeichen für Ratten. Nur Haken. Drei verdammt große eiserne Haken. Vermutlich hat man die früher benutzt, um Dinge auf den Dachboden zu hieven. Bevor dieser Teil abgetrennt wurde.«
»Ich werde sie fortschaffen«, versprach ich ihm.
»Haben wir schon erledigt«, sagte er. »Jones ... sorgen Sie dafür, dass die Dinger vom Dachboden geholt werden?«
»Sofort«, sagte der Detective Constable und eilte zurück ins Haus.
Detective Sergeant Miller sagte nichts, bis Jones verschwunden den war. Er sah hinüber zu der verfallenen Kapelle, zu den Grabsteinen, zur See, zur Zeder. Schließlich sagte er: »Wissen Sie, ich habe schon einige Geschichten über dieses Haus gehört. Ich bin aber noch nie zuvor drinnen gewesen.«
»Was für Geschichten?«
Er zuckte mit den Schultern und grinste fast ein wenig albern. »Oh, nichts ... mein Cousin sagte immer, es sei verflucht.«
»O ja, das habe ich auch gehört.«
Er nahm seine Brille ab und steckte sie in seine Brusttasche. »Ich wollte Ihnen nur sagen, Mister, dass wir nicht ganz dumm sind.«
»Wie bitte?«
»Wir sind nicht ganz dumm«, wiederholte er. »Wir kennen alle Geschichten über das Fortyfoot House, vor allem über die Geräusche, die Lichtblitze und die verschwundenen Kinder. Aber man kann ein Geräusch ebenso wenig verhaften wie einen Lichtblitz. Und wenn ein Kind verschwindet und es nicht einmal einen einzigen Fußabdruck gibt ... was soll man dann machen? Für die Ermittlungen in einem Mordfäll werden uns 20.000 Pfund genehmigt. Wenn das Geld aufgebraucht ist, werden die Untersuchungen abgebrochen. Und wenn wir Geister suchen wollen, bekommen wir keinen Penny.«
Ich war sprachlos. Eben erst hatte er beteuert, dass Harry einen Unfall erlitten habe, und jetzt spekulierte er darüber, dass Harry etwas Übernatürlichem zum Opfer gefallen sein könnte. So hatte ich einen Polizisten noch nie reden gehört.
»Sie haben die vermissten Kinder mit dem Fortyfoot House in Verbindung gebracht?«, fragte ich. »Tatsächlich"?«
»Ja, tatsächlich. Harry Martin hat genug Beschwerden eingereicht. Zwei unserer Leute haben auf ihren dienstfreien Abend verzichtet, um das Haus zu beobachten.«
»Und?«
»Nichts war. Die Polizei hat das Fortyfoot House in den letzten drei Jahren zweimal von oben bis unten durchsucht.
Wenn Sie sich die Unterlagen seit dem Krieg ansehen, dann kommen noch sechs oder sieben weitere Durchsuchungen hinzu. Wir sind auch auf dem Dachboden gewesen, ohne Ergebnis. Jedenfalls ohne greifbares Ergebnis. Es gibt da oben nichts, dem man einen Zettel mit der Aufschrift >Beweisstück A< aufkleben kann. Aber das heißt nicht, dass wir es aufgegeben haben. Das heißt nicht, dass wir dumm sind. Das heißt nur, dass wir Beweise haben müssen, bevor wir etwas unternehmen können.«
Ich schüttelte langsam den Kopf. »Wollen Sie mir wirklich sagen, dass Sie an das Übersinnliche glauben?«
Er blinzelte mich auf eine fast herausfordernde Weise an: »Warum nicht?«
»Sie sind Polizist.«
»Viele Polizisten sind Freimaurer, Mister. Sie glauben an den großen Schöpfer. Viele Polizisten sind Fundamentalisten. Sie glauben an Feuer und Schwefel und an die Wiederkunft Christi. Ich bin kein Freimaurer und kein Fundamentalist, aber ich glaube daran, dass man für alles offen sein muss.«
Ich sagte nichts, sondern stand nur da im warmen Wind und wartete, dass er weitersprach.
»Würde ich das Übersinnliche völlig ausschließen«, sagte Miller in einem überzeugten Tonfall, »dann würde ich nicht meinen Pflichten genügen. Natürlich nicht in Bezug darauf, was die Handbücher besagen, wenn Sie wissen, was ich meine. Aber ein guter Officer macht mehr, als nur den Handbüchern zu folgen. Ein guter Detective kombiniert Fakten, Logik und Schlussfolgerungen mit Fantasie und Inspiration.«
»Ich muss sagen, ich bin beeindruckt.«
Detective Sergeant Miller schnäuzte wieder seine Nase. »Seien Sie das besser nicht. Der größte Teil der Polizei besteht nach wie vor aus Schurken und Idioten und Nestbeschmutzern. Aber hin und wieder findet man auch mal einen Profi. Es gibt immer mal ein oder zwei, bei denen befindet sich oberhalb der Schultern tatsächlich ein Gehirn. Allerdings trifft das nicht auf die Übergeordneten zu.«
»Das heißt, Sie können nicht zu Ihren Vorgesetzten gehen und den Gedanken ins Spiel bringen, dass Harry Martin von etwas angegriffen wurde, das nicht von dieser Welt ist.«
Er lachte verbittert. »Mein Chief Inspector glaubt nicht mal seinem Spiegelbild.«
»Aber was würden Sie ihm sagen, wenn Sie so könnten, wie Sie wollten?« Mich interessierte, was Miller wirklich über den grauenhaften Zwischenfall auf dem Dachboden dachte. Hatte sich Harry wirklich in einem Haken verfangen und sich durch sein eigenes Körpergewicht die Haut vom Kopf geschält? Oder gab es etwas Bösartiges auf dem Dachboden? Etwas, das entsetzlich heftig reagierte, wenn es gestört wurde?
»Ich würde ihm einfach sagen, dass Mr. Martin keinen Unfall im üblichen Sinne erlitten hatte und dass es auch kein Angriff im üblichen Sinne war. Mehr nicht.«
»Sie würden keine Theorien entwickeln?«
»Nicht in diesem Stadium.« Er hielt sich zurück. »Es wäre nicht hilfreich.«
»Und was ist mit Ihrem Kollegen? Detective Constable Jones? Werden Sie ihm erzählen, was Sie glauben?«
Miller schüttelte den Kopf. »Jones versteht nur das, was er essen, trinken oder schlagen kann.«
»Das heißt also, Sie wissen, was nicht geschehen ist, aber Sie haben auch keine Ahnung, was passiert ist?«