»Es könnte gefährlich sein, hier zu bleiben«, sagte ich, doch Liz schien mich nicht zu hören. Sic hatte sich abgewandt und blickte hinüber zu den verfallenen Ställen, die von Efeu überwuchert waren. Ihr Profi vor dem Hintergrund des Gartens war präzise und vollkommen. Ich hatte das Gefühl, Liz sehr nah und doch sein lern zu sein - so, als würde sie mein gesamtes Leben und alle meine Geheimnisse in ihrem Herzen bewahren.
Danny trat mit einem leeren Eimer nach draußen. »Ich habe den Krebsen alle Beine abgemacht und sie ins Wasser geworfen«, verkündete er.
»Oh, Danny«, schimpfte ich. »Das ist widerlich! Und grausam!«
»Der Fischer hat mir gesagt, dass Krebse alles fressen, auch wenn es lebt. Der Fischer hat gesagt, dass die Krebse deine Füße und deine Ohren und alle weichen Stellen auffressen, wenn du zu lange am Strand liegst. Sie fressen zuerst immer die weichen Stellen.«
»Geh und wasch dir die Hände, es gibt bald Abendessen«, sagte ich ihm.
»Reisen wir nicht ab?«, fragte er, sah dann aber den Wagen. Sein Unterkiefer fiel nach unten, seine Augen weiteten sich.
»Was ist mit dem Auto passiert?«, fragte er fassungslos.
»Es hatte einen Streit mit einem Vorschlaghammer«, antwortete ich. »Darum bleiben wir.«
8. Ordensschwester oder Nonne
Als es fast schon zu dunkel war, um noch etwas erkennen zu können, kam ein riesiger Kerl in einem schmierigen braunen Overall zum Haus, um sich meinen Wagen anzusehen. Mit den Händen in den Taschen stand er da, betrachtete den Wagen, dann sagte er schließlich: »Ich geh Ihnen dreißig Pfund für den Schrotthaufen.«
»Ich möchte keine dreißig Pfund haben, ich möchte, dass er wieder fährt, sonst nichts. Er soll nicht wie neu aussehen, die Beulen kümmern mich nicht. Aber wenn Sie was mit den Reifen, den Fenstern und dem Lenkrad machen können. Der Drehzahlmesser ist auch nicht wichtig, aber den Tacho brauche ich.«
Er schüttelte den Kopf so heftig hin und her, als hätte er Wasser im Ohr. »Lohnt sich nicht, Kumpel. Ist die Mühe nicht wert. Ein neuer wäre besser. Das hier kostet Sie dreihundert Pfund. Mindestens. Und das nur für die Ersatzteile.«
»Oh, Scheiße«, erwiderte ich.
Er trat gegen einen der platten Reifen. »In meiner Werkstatt steht ein 78er Ford Cortina, den können Sie für dreihundert haben. Er ist nicht im Bestzustand, aber fahrbereit.«
»Ich weiß nicht. Ich habe keine dreihundert Pfund übrig, jedenfalls nicht im Moment.«
Der riesige Kerl zuckte mit den Schultern. »In dem Fall kann ich Ihnen auch nicht helfen.«
Er fuhr mit seinem Pick-up fort und hinterließ eine Rußwolke. Eine Weile stand ich dort in der Dämmerung und lauschte den Bäumen und dem Flattern der Fledermäuse. Schließlich ging ich zurück ins Haus, wo Liz in der Küche auf mich wartete. Sie bereitete eine Hühnchenkasserolle vor, die köstlich duftete. Aber ich war nicht sicher, ob ich wirklich Hunger hatte. Ich lauschte, ob ich ein Kratzen und Schlurfen hörte oder ferne Geräusche und Stimmen, die nicht menschlichen Ursprungs waren. Ich erschrak über mein eigenes Spiegelbild in den Fensterscheiben und in den gerahmten Fotos im Flur.
Danny kniete auf einem der Küchenstühle und malte mit Buntstiften ein Bild. Ich beugte mich über ihn und sah, dass er ein mageres Mädchen in einem weißen Nachthemd gemalt hatte, mit dünnen roten Fäden auf dem Kopf und blassgrünen Wangen. Sweet Emmeline.
»Komm und spiel mit uns«, ahmte Danny ihre hohe Stimme nach. »Wir sind so viele und wir können so viel Spaß haben.
»Danny«, warnte ich ihn. »Nicht.«
Er sah mich mit weit aufgerissenen Augen an, die so sonderbar leuchteten, als habe er geheult. Nach einem langen Moment des Schweigens widmete er sich wieder seinem Bild. Ich betrachtete ihn mit einem Gefühl der Hilflosigkeit, als sei er aus irgendeinem Grund meiner Kontrolle entglitten.
Liz schob den Schmortopf zurück in den Ofen und sagte: »Und?« Ihr Ton hatte etwas von einer Ehefrau, die von ihrem Mann eine Information erwartete.
»Und was?«
»Und was kann er mit dem Wagen machen?«
»Oh, der Wagen. Nichts, was nicht wenigstens dreihundert Pfund kostet. Er meinte, ich solle mir besser einen neuen kaufen.«
»Und was wirst du jetzt tun?«
»Was soll ich schon tun? Ich muss so lange weiterarbeiten, bis ich mir einen neuen leisten kann.«
»Ich meine immer noch, dass du zur Polizei hättest gehen sollen. Dieser Brecher, oder wie der Typ heißt, gehört hinter Gitter.«
»Belcher«, berichtigte ich sie. Ich ging zum Kühlschrank, nahm eine große Flasche Soave heraus und goss uns zwei Gläser ein.
»Vielleicht hast du Recht. Aber das hätte mir ein paar Unannehmlichkeiten bescheren können. Zum Beispiel die Frage, warum die Steuerplakette abgelaufen war. Und warum der Wagen nicht versichert war.«
»Nicht versichert?«, wiederholte Liz ungläubig.
»Konnte ich mir nicht leisten. Janie hatte das Geschäftskonto komplett geplündert.«
»So eine Kuh.«
»Ja, so eine Kuh. Aber vielleicht habe ich das ja auch so verdient. Ich habe sie nicht sehr gut behandelt.«
Liz nahm einen Schluck Wein und sah mich mit Augen an, die älter schienen, als sie selbst an Jahren zählte. »Du hast sie doch nicht geschlagen?«
»Nein, ich habe sie ignoriert. Ich glaube, manchmal ist es schlimmer, jemanden zu ignorieren, als wenn man ihn schlägt.«
»Vielleicht hättest du sie schlagen sollen.«
Ich setzte mich hin. »Keine Ahnung. Vielleicht habe ich sie auch gar nicht richtig geliebt. Wenn ich so drüber nachdenke, bin ich gar nicht mal so sicher, ob ich weiß, was Liebe eigentlich ist. Du weißt schon, richtige Liebe. Die Liebe, für die man sogar sein Leben geben würde.«
»Ich glaube, das geht den meisten so«, sagte Liz. Sie lächelte, dann sprach sie weiter. »Ich war so etwa neun Jahre alt, als ich einen Goldfisch hatte. Ich habe ihn wirklich geliebt. Er hieß Billiam. Ich sagte meiner Mutter, dass ich mich umbringen würde, wenn Billiam eines Tages stürbe. Als er dann wirklich starb, hat meine Mutter mir nichts davon gesagt. Stattdessen hat sie mir erzählt, er sei abgehauen. Ich war so dumm und habe ihr geglaubt. Ich habe allen meinen Klassenkameraden erzählt, dass derjenige zehn Pence Finderlohn bekommt, der ihn mir wiederbringt. Und die waren sogar so dumm, dass sie nach ihm gesucht haben.«
»Und was willst du mir damit sagen?«, wollte ich wissen. »Dass man sich in nichts und niemanden verlieben soll? Nicht mal in einen Goldfisch?«
Sie zuckte mit den Schultern, sagte »Keine Ahnung« und begann zu lachen.
In dem Moment kam Danny zurück in die Küche. Ich hatte nicht mal gemerkt, dass er hinausgegangen war. Er trug sein Malbuch unter dem Arm und machte einen irritierten Eindruck.
»Wo ist der Mann hin?«, fragte er verwundert.
»Du meinst den Mann von der Werkstatt?«
»Nein, den Mann auf dem Bild.«
»Auf welchem Bild?«
»Draußen. Ich male ein Bild von Sweet Emmeline und von dem Mann mit dem Schornsteinhut. Ich wollte auf dem Bild nachsehen, wie er aussieht, damit ich ihn richtig male. Aber
er ist weg.«
Ich erschrak. Es geht wieder los ... das Haus bewegt sich ... Schatten zucken umher ... leise Stimmen murmeln etwas in den Zimmern im Obergeschoss. Aus irgendeinem Grund kam mir ein längst vergessener Reim in den Sinn. »Die: Wände samt bespannt, so schwarz wie Sünde und so fein ... Und kleine Zwerge kriechen raus und kriechen rein.«
Als kleiner Junge glaubte ich immer, der Reim würde das beschreiben, was mit meinem Schrank passiert, sobald es dunkel ist. Ich hatte mich immer entsetzlich gefürchtet. Kleine böse Leute trieben ihr Unwesen zwischen meiner Kleidung. Jeden Abend überprüfte ich zweimal, ob die Tür zu meinem Kleiderschrank auch wirklich zu war und dass der Stuhl sie zusätzlich blockierte. Und selbst dann konnte ich hören, wie sich die kleinen Zwerge in meinem Schrank bewegten und wie sie die Kleiderbügel ganz sanft schaukeln ließen.