Ich bekam das Geländer zu fassen. Da hörte ich das Ding wieder rumoren. Es bewegte sich, aber nicht fort von mir. Es zog sich nicht in irgendeine dunkle Ecke zurück, so wie es Ratten tun, sondern kam auf mich zu. Es bewegte sich sehr langsam und verursachte ein Geräusch, das nach Fell und Klauen klang, aber auch noch nach etwas anderem. Etwas, das mir zum ersten Mal seit dem Tag, da ich in die Kanalisation von Islington hinabgestiegen war, wieder Angst einjagte.
»Pssssssttt! Geh weg! Husch!«, rief ich.
Ich kam mir albern vor. Was, wenn da überhaupt nichts war? Ein Berg alter Wäsche, eine Taube, die auf dem Holzboden scharrte. Und überhaupt: Was sollte es sein außer einem Vogel oder einem kleinen Nager? Eine Fledermaus? Vielleicht. Aber Fledermäuse sind ungefährlich, außer sie haben Tollwut. Und Ratten? Die interessieren sich viel mehr für ihr eigenes Überleben, anstatt jemanden anzugreifen - es sei denn, sie sind ausgehungert oder fühlen sich in höchstem Maß bedroht. Ratten sind feige, weiter nichts.
Ich stieß mit dem Rücken gegen das Geländer. So schnell wie möglich wollte ich jetzt den Dachboden verlassen. Als ich die oberste Stufe erreicht hatte, verrutschte der Teppich, der die Tür offen gehalten hatte, und die Tür fiel mit einem leisen Klicken ins Schloss. Ich stand in völliger Finsternis da.
Ich tastete mit meinem Fuß nach der nächsten Stufe, aber egal, wie weit ich ihn nach unten bewegte, ich konnte sie nicht erreichen. Die Treppe kam mir so leer wie ein Aufzugschacht vor. Obwohl ich allmählich in Panik geriet, konnte ich mich nicht dazu durchringen, den Schritt in das scheinbare Nichts zu wagen.
»Danny!«, brüllte ich. »Danny! Ich bin's, Daddy! Ich bin auf dem Speicher!«
Ich lauschte, hörte aber keine Reaktion. Danny war so müde gewesen wie ich, und normalerweise konnte ihn nichts wecken, weder schwere Gewitter noch Musik noch seine Eltern, wenn sie sich lautstark stritten.
»Danny! Ich bin auf dem Speicher! Die Tür ist zugefallen!«
Wieder keine Reaktion. Ich bewegte mich an der obersten Stufe der Treppe entlang und klammerte mich an das Geländer, das meine einzige Orientierung darstellte. Ich versuchte, meine Augen so sehr anzustrengen, wie es mir nur möglich war, aber es gab nicht das mindeste Licht auf dem Dachboden. Es war schwärzer als unter einem Berg von Bettdecken.
»Danny!«, schrie ich, hatte aber nicht die Hoffnung, dass er mich hörte. Warum, zum Teufel, konnte ich die Stufe nicht finden? Ich wusste, dass die Treppe steil war, aber nicht so steil. Ich tastete mit meinem Fuß so tief es nur ging, aber ich fand keinen Halt.
In diesem Moment hörte ich wieder das Schlurfen.
Es war jetzt wesentlich näher. Derart nah, dass ich instinktiv so weit zurückwich, wie es mir möglich war, ohne das Geländer loslassen zu müssen.
»Danny«, sagte ich mit gedämpfter Stimme. »Danny, hier ist Daddy.«
Schlurf.
Mein Herz schlug einen langen, langsamen Takt. Mein Mund war so trocken wie ein Schwamm. Zum ersten Mal seit den Tagen meiner Kindheit wusste ich nicht, was ich tun sollte. Ich glaube, es war das Gefühl der völligen Hilflosigkeit, das mir mehr Angst machte als alles andere.
Schlurf.
Dann hörte ich ein hohes kicherndes Geräusch, als würde jemand in einer fremden Sprache sprechen, die er selbst nicht sehr gut beherrschte. Es war völlig unverständlich. Es konnte ein Mensch gewesen sein, der Thai oder irgendetwas anderes sprach, aber ebenso gut das Quieken eines aufgeregten Tiers, das Blut gerochen hatte.
»Pssssssttt!«, erwiderte ich. Doch das Kichern hörte nicht auf, sondern wurde eher noch schneller und aufgeregter. Ich hatte das unerträgliche Gefühl, jeden Augenblick sterben zu müssen.
DANNY. Hatte ich das laut gesagt? Ich wusste es nicht. DANNY, HIER IST DADDY.
Dann huschte etwas an mir vorbei, etwas, das sich abscheulich, kalt und borstig anfühlte, so groß wie ein zehnjähriges Kind, aber so schwer wie eines mit Ubergewicht. Es kratzte mich mit einer Kralle in den Arm. Ich schrie laut auf, strauchelte und verlor den Halt. Ich stürzte nach hinten, schlug mit der Schulter gegen eine Kiste und hörte das Geschöpf nur Zentimeter von mir entfernt mit einem triumphierenden Zischen vorbeischlurfen.
Hih-hih-hih-hih-hih!
Ich rollte mich zur Seite, stieß mit großer Wucht irgendwo in und fiel die Treppe hinunter. Es war, als würde ich von einem dreißig Meter hohen Gebäude in die Dunkelheit stürzen. Mit meinem Fuß hatte ich die Stufen nicht finden können, aber jetzt fand ich sie - auf schmerzhafte Weise. Bis zum Fuß der Treppe erwischte ich jede einzelne Stufe - mit Kopf, Schulter, Hüfte, Ellbogen. Als ich unten ankam und mit dem Knie gegen die Tür stieß, die sich daraufhin öffnete, fühlte ich mich, als habe mich jemand mit einem Cricketschläger zusammengeschlagen.
Reflektiertes Sonnenlicht blendete mich.
Oh, Herr!«, rief ich aus.
Danny stand auf dem Treppenabsatz in seinem gestreiften Schlafanzug von Marks & Spencer und erwartete mich bereits.
Daddy!«, rief er aufgeregt. »Du bist gefallen!«
Ich lag rücklings auf dem Teppich, meine Füße befanden sich noch auf der Treppe.
»Alles in Ordnung«, beruhigte ich ihn, obwohl ich es eigentlich mehr sagte, um mich selbst zu beruhigen. »Das Licht funktioniert nicht, und ich bin gestolpert.«
Du hast geschrien«, beharrte Danny.
»Ja«, sagte ich und stand auf, um die Tür zum Dachboden zu schließen und zu verriegeln. War da ein Schlurfen zu hören, auch nur ein leichtes Kratzen?
Warum hast du gerufen?«
Ich sah ihn an, dann zuckte ich mit den Schultern. »Die Tür war zugefallen. Ich konnte nichts sehen.«
»Aber du hattest Angst.«
»Wer sagt, dass ich Angst hatte? Ich hatte keine Angst.«
Danny sah mich ernst an: »Du hattest Angst.«
Ich sah die Tür zum Dachboden länger an als nötig.
»Nein«, sagte ich schließlich. »Es ist alles in Ordnung. Es war dunkel, weiter nichts. Ich konnte bloß nichts sehen.«
2. Das Kapellenfenster
Wir saßen beim Frühstück in der altmodischen großen Küche zusammen. Der Boden bestand aus paprikaroten unglasierten Fliesen, die lindgrünen Schränke waren von der Art, wie sie in den dreißiger Jahren hochmodern gewesen war. Das flache weiße Spülbecken sah so aus, als habe man es früher einmal für Autopsien benutzt. Durch das Fenster konnte ich den Rest der Turmspitze erkennen, die zu der zerfallenen Kapelle gehörte.
Danny saß am Tisch, vor sich eine Schale Weetabix. Er baumelte mit den Beinen, und die Sonnenstrahlen ließen die Haare auf seinem Kopf wie eine strahlende Pusteblume wirken.
Er sah seiner Mutter so sehr ähnlich - große, braune Augen, dünne Arme, dünne Beine. Er sprach auch wie seine Mutter, schlicht und praktisch. Ich hätte von Anfang an wissen sollen, dass ich niemals allzu lange Zeit mit einer schlichten und praktischen Frau zusammenleben konnte. Dafür war ich viel zu sehr Theoretiker - immer bereit, mich mehr auf meine Inspiration zu verlassen statt auf die Vernunft.
Janie und ich waren uns auf dem Brighton Art College begegnet; ich war im letzten, sie im ersten Jahr gewesen. Sie hatte viel gekichert und ihr Gesicht immer hinter ihren Haaren versteckt, aber sie war so atemberaubend schön, dass ich immer irgendeinen Grund fand, um mit ihr zu reden.
Drei Jahre später begegneten wir uns an einem Sommerabend auf einer Party in Hastings wieder. An jenem Abend trug sie ein langes, lilaweißes Kleid aus feiner indischer Baumwolle und um ihren Kopf ein lila Tuch. Ich hatte mich augenblicklich und unwiderruflich in sie verliebt. Ich liebte sie noch immer, aber auf eine dumpfe, resignierte Art. Zahllose Wutausbrüche und viele lautstarke Diskussionen hatten mir gezeigt, dass sie und ich einfach nicht zusammenbleiben konnten.