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Ich war der Ansicht gewesen, dass ich dieses Gefühl der Hilflosigkeit lange hinter mir gelassen hatte, das jene Worte damals in mir ausgelöst hatten. Aber als Danny »Er ist weg« sagte, da brach die Erinnerung über mich herein, und einen Moment lang konnte ich nichts sagen.

»Er kann nicht weg sein«, brachte ich schließlich mühsam hervor. Meine Zunge schien angeschwollen, mein Hals war trocken.

»Er ist nicht mehr auf dem Bild.«

Ich folgte ihm in den Flur und schaltete das Licht an. Am anderen Ende des Flurs hing das Foto. >Fortyfoot House, 1888<. Ich ging darauf zu, Liz dicht hinter mir, und beugte mich vor.

Danny hatte Recht. Der junge Mr. Billings war nicht mehr zu sehen. Sein Schatten war allerdings noch da und lag wie ein achtlos weggeworfener Umhang auf dem Rosenbeet, aber von dem Mann war nichts mehr zu sehen.

»Das ist doch irgendein Trick«, sagte ich. »Leute verschwinden nicht einfach aus einem Foto, das ist schlicht unmöglich.«

»Komm, wir sollten uns das bei mehr Licht ansehen«, schlug Liz vor, nahm das Bild von der Wand und brachte es in die Küche. Dort angekommen blieb sie unter der hellen Deckenlampe stehen. Wir starrten eindringlich auf die Stelle, an der bis vor kurzem noch der junge Mr. Billings gestanden hatte. Das Glas über dem Foto war verstaubt und praktisch frei von Fingerabdrücken, abgesehen von Liz' und von meinen. Als ich das Bild umdrehte, gab es keinen Hinweis darauf, dass das braune Papierklebeband, mit dem das Bild im Rahmen gehalten wurde, aufgeschnitten worden war. Das gravierte Schild des Rahmenbauers war auch immer noch dort: Rickwood & Sons, Picture Framers & Restorers, Ventnor, Isle of Wight.

Ich drehte das Bild wieder um, und wir betrachteten das Foto eine Weile, bis Danny plötzlich sagte: »Guck mal! Was ist das?«

Kinderaugen sehen immer mehr und besser. Sie können Formen, Zeichen und Omen viel besser erkennen als ein Erwachsener. Ich sah auf die Stelle, auf die Danny zeigte, und erkannte etwas. Dort, wo der Rasen in Richtung Gartentor und See abfiel, war gerade eben das leicht gekippte schwarze Rechteck eines Zylinders zu sehen. Der junge Mr. Billings war noch immer auf dem Foto, aber er hatte einen Spaziergang unternommen.

Liz schüttelte ihren Kopf. »Ich glaube das nicht. Das muss ein Trick sein. Ich möchte wetten, dass es mehrere Fotos mit der gleichen Ansicht gibt und dass irgendjemand sie austauscht.«

»Wer?«, fragte ich. »Und vor allem: Warum?«

»Hausbesetzer«, sagte Liz. »Ich hab dir doch gesagt, dass bestimmt Hausbesetzer oder obdachlose Kinder oben auf dem Dachboden leben. Vermutlich haben sie auch Harry Martin so zugerichtet.«

»Schhh«, machte ich und deutete auf Danny. Zum Glück schien er ihre Bemerkung entweder nicht gehört oder deren Bedeutung nicht verstanden zu haben.

»Du meinst, sie wollen uns aus dem Haus jagen?«, fragte ich. »So wie in einem dieser Filme mit Bette Davis, in dem die Kinder versuchen, sie in den Wahnsinn zu treiben, damit sie alles von ihr erben?«

»Naja, möglich wäre es doch, oder? Klingt jedenfalls plausibler als Geister. David, ich habe immer wieder darüber nachgedacht. Wie sollten es Geister gewesen sein? Es gibt keine Geister.«

»Und die Geräusche? Und die Lichter?«

»Tonbänder? Halogenscheinwerfer?«

»Also gut. Nehmen wir mal an, es wäre ein Trick. Wo sollen dann diese Hausbesetzer sein? Die Polizei hat das ganze Haus abgesucht, auch den Speicher.«

»Sie haben nicht das zugemauerte Stück neben deinem Schlafzimmer durchsucht.«

»Aus einem einfachen Grund: Dort kann niemand hineinkommen. Und auch nicht herauskommen.«

»Vielleicht gibt es eine Geheimtür.«

»Ach, Liz, hör auf. Da ist nirgendwo Platz für eine Geheimtür. Und selbst wenn, wohin sollte sie führen?«

Sie richtete sich auf. »Dann bist du also überzeugt, dass es Geister sind.«

»Ich weiß es nicht. Vielleicht nicht gerade Geister in dem Sinn, dass sie mit einem Laken über dem Kopf herumlaufen. Aber ich bin sicher, was diese Sache mit der Zeit angeht. Jemand hat mal gesagt, dass Geister nicht wirklich Geister sind, sondern Menschen, die man nur vage sehen kann, wenn sich das Heute und das Gestern sozusagen überlappen. Das würde doch Sinn ergeben, nicht wahr?«

Liz nahm wieder das Foto an sich. »Wenn das Sinn ergeben soll, dann tut es mir Leid. Dann muss ich dir nämlich sagen, dass du Unsinn redest. Ich glaube nach wie vor, dass uns jemand hier raustreiben will. Ein menschlicher Jemand, kein Geist. Das kommt mir alles viel zu sehr wie in mysteriösen Spielfilmen vor.«

Nachdem Danny ins Bett gegangen war, hatten wir den Wein fast ausgetrunken und uns aufs Sofa geflegelt, um John Hiatts Stolen Moments anzuhören. Ich fühlte bei dem Song ein gewisses Mitleid mit den sieben kleinen Indianern, die in einem Ziegelsteinhaus an der Central Avenue lebten, wo -allen erbaulichen Geschichten ihres Vaters zum Trotz, die davon erzählten, dass sich alles zum Guten wenden werde -»immer das Gefühl vorherrschte, als würde sich jemand nähern, der sie töten will«.

Es war so gegen elf Uhr, als ich mit leichten Kopfschmerzen und dem Geschmack von zu viel Soave aufstand und sagte: »Ich gehe ins Bett. Kommst du?«

»War das eine Einladung?«

Ich sah sie an, lächelte und sagte: »Ja.« Ich schaffte es gerade noch rechtzeitig, mir ein »wenn du willst« zu verkneifen.

Ich ging in die Küche, um die tropfenden Wasserhähne zuzudrehen und das Licht auszumachen. Das Foto >Fortyfoot House, 1888< lag noch immer mit dem Glas nach unten auf dem Tisch. Ich griff danach, unmittelbar bevor ich den Lichtschalter umlegte, und klemmte es unter den Arm. Ich wollte es auf dem Weg nach oben wieder im Flur an die Wand zurückhängen. Aber mit einem Mal schaltete ich das Licht wieder an und hielt das Foto hoch, um es mit wachsendem Entsetzen zu betrachten.

Der Kopf des jungen Mr. Billings war nun zu sehen, so als würde er sich allmählich nähern. Direkt neben ihm befand sich irgendeine kleine dunkle Gestalt mit zwei Auswüchsen, die wie spitze Ohren aussahen.

Ich kniff die Augen zu, dann öffnete ich sie wieder, nur um sicher zu sein, dass sie mir keinen Streich spielten. Aber das Foto hatte sich nicht verändert. Der Rosengarten, in dem der einsame Schatten des jungen Mr. Billings noch immer wie hingeworfen dalag, die Sonnenuhr, der abfallende Rasen. Und das deutlich erkennbare Gesicht des Hausherrn, der von einem Spaziergang am Meer zurückkehrte - in Begleitung von ... was nur?

»Kommst du oder bleibst du heute Nacht in der Küche?«, rief Liz. »Auf dem Treppenabsatz ist das Licht kaputt.«

»Ich komme«, sagte ich nachdenklich. Wieder knipste ich das Licht in der Küche aus, ging durch den Flur und hängte das Bild zurück an seinen angestammten Platz. Ich weiß nicht, warum, aber ich hatte das Gefühl, dass es das Sicherste sei, was ich machen konnte. Nein, um ganz genau zu sein, hatte ich das Gefühl, dass es das war, was der junge Mr. Billings bevorzugt hätte. Und ich hatte kein Verlangen danach, den jungen Mr. Billings zu verärgern, erst recht nicht wegen einer so albernen Sache wie der, ihn mit dem Gesicht nach unten auf dem Küchentisch zurückzulassen.

Gütiger Gott, schoss es mir durch den Kopf. Ich verliere den Verstand. Ich hänge ein Bild an die Wand, nur weil ich glaube, dass es den Leuten auf dem Bild so lieber wäre!