Ich wünschte, ich hätte schlafen können. Ich war so verdammt müde. Ich versuchte, einen Ausweg zu finden, wie ich mit irgendeinem Job den Maklern das Geld zurückzahlen konnte, damit ich Fortyfoot House endlich verlassen konnte, ohne ihnen etwas zu schulden. Ich überlegte, wie ich an einen neuen Wagen kommen sollte. Vielleicht konnte ich bei Großmutter ein wenig Geld borgen. Das Problem war nur, dass sie 88 Jahre alt und fast blind war und ihr Vormund wie der schärfste Wachhund der Welt ihr Vermögen hütete. Ich besaß nichts, was ich hätte verkaufen können.
Ich versuchte, nicht an diese kleinen Zwerge zu denken, die raus-und reinkrochen.
Liz' Idee von den Besetzern, die sich im Haus versteckten, war weit hergeholt, aber nicht völlig abwegig. Es war niemand auf dem Dachboden. Detective Sergeant Miller hatte das erklärt. Aber da war immer noch das abgetrennte Stück unmittelbar darunter, gleich neben diesem Schlafzimmer.
Dieser Teil musste einmal ein Fenster aufgewiesen haben, das zur Westseite des Gartens und zu den Erdbeerbeeten zeigte, und er war groß genug, um drei oder vier Menschen Platz zu bieten, vielleicht sogar mehr. Aber es gab keinen Zugang, weder von hier, vom Schlafzimmer, noch vom Dachboden aus, soweit ich das hatte erkennen können, und auch nicht von außen.
Ich betrachtete die ungewöhnlichen Winkel der Decke, die dadurch entstanden waren, dass man einen Teil dieses Zimmers abgetrennt hatte. Sie waren in keiner Weise symmetrisch. In nördliche Richtung schienen sie stärker abzufallen als auf der nach Süden weisenden Seite. Und die Wand zur Westseite hin - die abgeteilte Wand - stieß in einer so irritierenden und betonten Diagonale auf sie, dass ich kaum glauben konnte, dass es sich dabei bloß um einen Zufall handeln sollte. Diese Wände waren so extrem schief, dass eine Absicht dahinterstecken musste. Jemand hatte sie aus einem bestimmten Grund so angeordnet. Vielleicht aus demselben Grund, aus dem auch die gesamte Dachkonstruktion des Fortyfoot House in einer Art und Weise errichtet worden war, dass sie sich den Gesetzen der Perspektive zu entziehen schien. Manche Häuser wurden nach einem schlechten Plan erbaut, aber so schlecht konnte kein Plan sein.
Ich starrte die Winkel an der Decke noch immer an, als mir bewusst wurde, dass sie auf mehr als nur zufällige Weise zusammenliefen. Es war sehr schwierig zu beschreiben, aber mir kam es so vor, als könne ich dahinterblicken, als könne ich diese Seite und die andere Seite der Decke gleichzeitig sehen. Ich rieb mir die Augen, aber als ich sie wieder öffnete, war der Eindruck stärker als zuvor. Ich hatte das untrügliche Gefühl, dass ich durch die Decke hindurch in den abgetrennten Bereich sah.
In diesem Moment tauchte eine verschwommene Form auf, zu einer Seite geneigt. Sie flackerte ein wenig, so wie die Lichtreflexe eines Schwarzweißfernsehers, durch den Wohnzimmervorhang betrachtet. Die Form befand sich in der südwestlichen Ecke des Zimmers, dort, wo die Winkel zusammenliefen. Sie war der Decke näher als dem Boden und schwebte minutenlang auf einer Stelle, während ich angsterfüllt im Bett lag und überlegte, was wohl als Nächstes geschehen würde.
Allmählich wurden die Konturen schärfer, obwohl ich noch immer nicht erkennen konnte, um was es sich handelte. Eine Spiegelung? Ein Irrlicht? Ich hatte davon gehört, dass in alten Häusern manchmal Gas aus defekten Leitungen entwich. In der viktorianischen Zeit waren regelmäßig Haushälterinnen an den Folgen von ausströmendem Gas erkrankt und gestorben.
Einen Sekundenbruchteil lang glaubte ich zu erkennen, worum es sich bei der Form handelte. Sie sah aus wie eine Frau, die eine Haube mit weißen Spitzen trug. Ich glaubte zu sehen, dass sie den Kopf drehte. Ich glaubte, ihre Augen zu sehen.
In diesem Moment schrie ich laut auf, und im gleichen Augenblick verschwand die Form in dem Winkel der Wand, als habe jemand einen Staubsauger auf sie gerichtet.
Liz wachte auf und fragte: »Was? David, was ist?«
Ich sprang aus dem Bett und riss die Vorhänge auf. Dann schlug ich im letzten Schein des Mondes dort gegen die Decke, wo der Schemen zum ersten Mal aufgetaucht war. Ich fühlte nur die feste feuchte Wand.
»David, was ist los mit dir?«
»Ich habe etwas gesehen. Es kam aus der Decke. Wie ... wie ein Geist. Ich weiß nicht. Es sah aus wie eine ... eine Nonne. Oder eine Krankenschwester.«
»David, du hast geträumt.«
Zornig schlug ich gegen die Wand und rief in einem wütenden Stakkato: »Ich habe nicht geträumt, ich war wach!«
»Ja, okay, ist gut«, besänftigte mich Liz. »Du warst wach. Aber jetzt ist das ... das Ding weg, nicht? Also komm zurück ins Bett und beruhige dich.«
Ich rannte im Schlafzimmer umher und schlug immer wieder mit der flachen Hand auf die Stelle, an der ich die Erscheinung zum ersten Mal gesehen hatte.
»Ich kann mich nicht beruhigen! Ich war wach und ich habe es gesehen!«
»David, seit du hier bist, sind entsetzliche Dinge geschehen ... vielleicht halluzinierst du.«
»Nein! Ich habe eine Nonne gesehen, hier an dieser gottverdammten Wand!«
Liz wartete geduldig, bis mein Wutanfall vorüber war. Ich hatte sie nicht anbrüllen wollen. Ich schrie mich selbst an, und Janie und Raymond, und Harry Martin und Brown Jenkin und alles andere, was mich in dieses Haus gebracht hatte. Ich glaube, sie wusste das auch. In gewisser Weise benutzte sie mich ebenfalls, das verriet ihre Art, mit mir zu schlafen. Es war körperlich sehr intim. Ich hätte alles mit ihr machen können, so wie sie im Gegenzug alles für mich getan hätte. Aber ihre Gefühle waren nicht im Spiel. Mit wem auch immer sie schlief, ich war jedenfalls nicht derjenige. Wahrscheinlich war ich nur der Platzhalter für jemanden, der ihr sein wehgetan halte. Ein Platzhalter im Bett zu sein, ist nicht gerade sehr aufregend, aber manchmal nimmt man, was man bekommen kann.
Schließlich hatte ich mich wieder unter Kontrolle und kehrte zurück ins Bett. Liz schmiegte sich eng an mich und legte ihren Arm um mich.
»Du zitterst ja«, sagte sie.
Ich konnte mich nicht von den Winkeln der Decke losreißen, sie flößten mir noch immer Angst ein. »Ich habe eine Frau gesehen, die sich vorbeugte. Ich schwöre es. Eine Krankenschwester. Oder eine Nonne. Sie war genau dort!«
»David, das kann doch nicht sein.«
»Ich werde diesen Artikel im National Geographie heraussuchen, und ich werde mit Doris Kemble unten im Café sprechen.«
»Du solltest besser mit deiner Bank sprechen und dir Geld für einen neuen Wagen leihen.«
Ich ließ meinen Kopf auf das Kissen sinken. Ich wusste nicht, warum, aber auf einmal liefen mir Tränen übers Gesicht. Ich dachte an den alten Countrysong I've Got. Tears In My Ears Front Lying On My Back And Cryin' Over You. Liz lutschte meine Schulter und küsste mich auf die Wange, während ihre Finger durch meine Haare fuhren. Aber ich war zu müde und zu verstört. Und Sex war nicht die Antwort, die ich jetzt brauchte. Schließlich setzte sie sich auf und lehnte sich über mich, nahm meinen Augen den Blick auf den letzten Rest Mondlicht, um mir einen zarten, flüchtigen Kuss auf die Stirn zu geben.
»Du bist hoffnungslos«, sagte sie.
»Nein, eigentlich nicht«, erwiderte ich, während ich mir die Augen rieb. »Ich bin nur pleite und verängstigt, und ich mache mir Sorgen um meinen Sohn. Davon abgesehen, bin ich ein großartiger Typ.«
Sie lachte und küsste mich. Ich hielt sie in meinen Armen, bis der Mond verschwand und es sehr dunkel wurde. Ich versuchte zu schlafen, aber ich konnte meinen Blick nicht von den Winkeln der Decke nehmen, obwohl ich sie gar nicht sehen konnte.