»Verstehen? Was muss ich nicht verstehen? Liz, das ist ja lächerlich!«
Aber sie beugte sich vor und küsste mich einfach, auf ineine Augenlider, auf den Mund, dann fuhr sie mit ihrer Zunge an meinen Lippen entlang. Aus irgendeinem Grund war ich mit einem Mal ruhig, als sei es egal, was sie sagte oder tat. Als sei es einfacher, liegen zu bleiben und das zu tun, was sie von mir verlangte. Ihre Zunge erkundete meine Zähne, und dann berührten sich unsere Zungenspitzen. Im gleichen
Moment fühlte ich, dass etwas Unbeschreibliches zwischen uns ausgetauscht wurde, so wie ein tiefes Geheimnis, das man mit einem anderen Menschen teilt.
Für einen Moment sah ich in ihren Augen das rötliche Leuchten, und ich verstand Dinge, die ich niemals hätte verstehen sollen. Es gibt keinen Gott, es hat ihn nie gegeben, es wird ihn nie geben, aber es gab immer die Großen ... einige strahlend in ihrer Güte, einige zurückgezogen und distanziert, einige zu abscheulich und Furcht erregend, als dass ein menschliches Wesen sie verstehen könnte. Liz richtete sich auf, und im gleichen Augenblick verschwand dieses Verstehen. Aber ich hatte das Gefühl, dass etwas Gewaltiges und Dramatisches geschehen und dass ich Teil davon sein würde.
Liz rutschte weiter nach oben, bis ihre Knie zu beiden Seiten meines Kopfs ruhten und ihre Scham nur ein paar Zentimeter von meinem Mund entfernt war. Sie verströmte das starke unverkennbare Aroma von Sex. Ich sah zu ihr hinauf. Mit beiden Händen hatte sie sich am Kopf des Betts aufgestützt, und aus meiner Blickrichtung war ihr Gesicht von dem v-förmigen Tal ihrer Brüste und dem glänzenden Dreieck ihres Schamhaars eingerahmt.
»Du zögerst, David«, sagte sie in einem ungewöhnlichen Tonfall. »Warum? Magst du den Geschmack nicht?«
»Liz«, setzte ich an, doch mein Verstand war in einem langsamen Wirbel aus Gefühlen, Angst und Verlangen gefangen. Stell dir vor, du würdest eine Frau treffen, die alles machen würde, was du möchtest ... absolut alles. Hatte ich das gesagt? Oder Liz? Ich war nicht sicher. Doch wie sie da über meinem Gesicht hockte, sah ich mich selbst, wie ich mit ihr Dinge tat, die Janie niemals zugelassen hätte. Ich sah schwarze Nylonstrümpfe, weiße Schenkel, feuchte Lippen, volle Brüste, durchnässte Seide.
Mit einer unerträglich langsamen rotierenden Bewegung senkte sich Liz auf meinem Mund herab. Ich erlebte einen warmen, triefnassen Kuss, der mich fast erstickte. Meine Zunge erkundete langsam ihre Schamlippen, spielte mit ihrem Kitzler und glitt dann tief in ihre Vagina. Lippen wurden gegen Lippen gedrückt, der Kuss war vollkommen. Während sie sich noch heftiger auf mich drückte, kreiste meine Zunge tief in ihrem Unterleib.
Obwohl Liz ekstatische Schreie ausstieß und obwohl ich in Speichel und Gleitflüssigkeit fast ertrank, hatte das hier mit Sex oder Liebe nichts zu tun. Das geschah nicht um der Liebe willen, nicht mal um der Lust willen. Es war etwas anderes. Auch wenn ich es nicht wirklich verstand, kam es mir vor wie die Zeugung eines Kindes.
Oder die Zeugung von etwas ... etwas anderem.
Ich erinnere mich, dass sich Liz schließlich von meinem Gesicht erhob. Sie kniete lange Zeit auf dem Bett und beobachtete mich, während mein Kopf auf dem Kissen ruhte und die warme Nachtluft meine Lippen trocknete. Ab und zu berührte sie meine Brust und zeichnete irgendwelche Muster, die mir wie Blumen oder Kleeblätter oder Sterne vorkamen.
»Weißt du was?«, sagte sie leise. »Als ich noch klein war, hat mich meine Mutter immer zu meinem Bruder in die Schule geschickt, damit ich ihm das Essen brachte. Draußen sah ich stets die kleinen Kinder spielen, und ich stellte mir immer vor, dass ich selbst gerne ein Baby hätte.«
Ich schloss die Augen, weil ich mich unerträglich müde fühlte. Auch wenn Fortyfoot House es nicht geschafft hatte, mich umzubringen, so hatte es mir doch alle Kräfte geraubt. »Ich muss einfach schlafen, ich kann nicht mehr«, murmelte ich.
Liz machte unterdessen mit diesem Muster weiter: »Ich habe immer meinen Bruder gehört, wenn er sang: >Tu, ta, ti; bu, ba, bi ... ubanu, am-matu, ganu, ashlu.<«
Ich schlief, aber ich hörte noch immer ihre Stimme. Es war, als könnte sie ihre Stimme in meinem Kopf ertönen lassen, ob ich nun schlief oder wach war. Ich träumte, dass ich wieder an einem düsteren und windstillen Tag über den Ozean glitt. Liz stand am Strand, und obwohl ich ziemlich schnell flog, blieb sie immer gleich weit von mir entfernt und redete weiter, während ihr Gesicht halb unter Verbänden verdeckt war. »Tu, ta, ti; bu, ba, bi...«
Dann - ohne Vorwarnung — war es Morgen, die Sonne schien unbarmherzig grell ins Zimmer. Liz schlief noch, sie hatte den Mund geöffnet, ihr Haar war zerzaust. Ich verließ vorsichtig das Bett und ging zum Fenster. Die See glitzerte im Schein der Sonne.
Während ich dastand und aus dem Fenster sah, war ich fast im Begriff, mir einzureden, dass es ein Verbrechen wäre, Fortyfoot House niederzubrennen. Aber so schön es auch gelegen war, so war das Haus selbst bösartig und beunruhigend. Und es hatte die entsetzlichsten Folgen für jeden, der versuchte, etwas dagegen zu unternehmen. Ich war sicher, dass ich das nächste Opfer sein würde, wenn ich es nicht in Brand steckte.
14. Unter dem Fußboden
Nach einer Portion Müsli und einem Becher unglaublich schwarzen Kaffee ging ich nach draußen, um zu sehen, ob ich den Wagen vielleicht doch irgendwie zum Laufen kriegen konnte. Obwohl er nicht mal richtig laufen musste. Es hätte schon genügt, wenn er gehumpelt wäre. Liz hatte sich bereits auf den Weg zum Tropical Bird Park gemacht. Sie trug ein sehr enges schwarzes T-Shirt, dazu einen äußerst kurzen kanariengelben Rock und gelbe hohe Stiefel. Ich wusste nicht, ob sie mich scharf machen oder ob sie mir zeigen wollte, dass ich mindestens zehn Jahre älter war als sie. Vielleicht war sie auch einfach nur pervers.
An der Küchentür hatte sie mir dann aber einen Kuss gegeben, ohne die Augen zu schließen, und mir in den Schritt gegriffen, während sie >danke< hauchte. Ich blieb mit dem Gefühl zurück, dass ich ihr irgendetwas gegeben hatte, was sie hatte haben wollen.
Ich sah nach Danny und Charity. Beide schliefen immer noch fest. Nachdem ich Charity gebadet und ihr die Haare gewaschen hatte und sie eine Bluse von Liz trug, sah sie nicht mehr wie aus einem anderen Jahrhundert aus. Fast kam es mir unmöglich vor, dass ich sie aus dem Jahr 1886 hergeholt hatte.
Ich ging aus dem Haus, und das Erste, was mir in die Augen fiel, war der Renault von Dennis Pickering, der neben meinem demolierten Audi geparkt war. Oh Gott! Ich hatte seinen Wagen völlig vergessen! Ich fühlte mich schrecklich schuldig und entsetzt. Schuldig, weil seine Frau längst außer sich sein musste, da er noch nicht nach Hause gekommen war. Entsetzt, weil die Polizei unweigerlich den vor Fortyfoot House geparkten Wagen sehen und zwangsläufig (und in gewisser Weise sogar zu Recht) auf den Gedanken kommen würde, dass Liz und ich etwas mit seinem Verschwinden zu tun haben könnten.
Ich ging um den Wagen und stellte fest, dass er nicht abgeschlossen war. Die Schlüssel hatte Pickering aber nicht stecken lassen. Ich hätte die Handbremse lösen und den Wagen außer Sichtweite schieben können, aber was hätte ich dann mit ihm anfangen sollen? Ich hatte keine Ahnung, wie man einen Wagen kurzschließt. Und abgesehen davon musste die gesamte Bevölkerung von Bonchurch und Ventnor den Wagen kennen. Ich hätte keine hundert Meter mit ihm fahren können, ohne von irgendeinem Aufpasser gesehen zu werden.
Ich versuchte noch immer, eine Lösung für das Problem zu finden, als überraschend der Rover von Detective Sergeant Miller in der Einfahrt auftauchte. Miller stieg aus. Er hatte ein Hemd mit kurzen Ärmeln an und trug eine Sonnenbrille. Als er sie abnahm, wirkte er so erschöpft wie nach drei Tagen ohne Schlaf. Detective Constable Jones folgte ihm auf dem Fuß und wirkte munter. Er roch intensiv nach Brut 33.