»Soweit ich weiß«, fuhr der junge Mr. Billings fort, »entkamen diese Wesen aus dem Pleistozän, als die sumerischen Priester sie besuchten. Die Priester reisten in der Zeit zurück, um Sarnath zu besuchen, eine der größten Städte der Alten. Es gibt sechs oder sieben voneinander unabhängige Berichte darüber, wie ihnen das gelang. Es war ein unglaublicher Triumph der Mathematik. Von dem immensen Wagemut will ich gar nicht erst sprechen. Aber die Priester machten einen grundlegenden und schrecklichen Fehler. Als sie Sarnath erreichten, glaubten sie, eine Zivilisation in ihrer Blütezeit zu erblicken. Ich nehme an, das war verständlich, wenn man bedenkt, wie primitiv ihnen im Vergleich ihre eigenen Städte vorkommen mussten. Tatsächlich aber waren die Alten vom Aussterben bedroht. Sie hatten versäumt, sich an die Veränderungen des Erdklimas anzupassen, und jeder Einzelne von ihnen hatte so lange existiert, dass sie viele ihrer Überlebenstechniken vergessen hatten. Schlimmer aber war noch, dass sie sich gegenseitig seit so langer Zeit bekämpft hatten, dass sie niemandem vertrauten, um gemeinsam am Akt der Erneuerung teilzuhaben. Das ist ein Akt, bei dem in gewissen zeitlichen Abständen alle drei Hauptspezies der Alten im Wirtskörper eines Tieres, das auf dem Planeten Erde heimisch ist, wieder gezeugt und ausgetragen werden müssen.«
»Ich glaube nicht, dass ich das wirklich verstehe«, gab ich zu.
»Nun ... ich auch nicht, wenn ich ehrlich sein soll«, sagte Billings. »Ich konnte Kezia nie dazu bewegen, klar und deutlich über diese Dinge zu sprechen. Aber es scheint, dass die Alten überhaupt nicht von dieser Welt stammten und dass sie sich durch regelmäßige Erneuerungsakte nach und nach an die Erde anpassen mussten. Ein Wirt wurde ausgesucht und von jeder der drei Hauptspezies befruchtet ... den Tentakelwesen, den Schaumwesen und den Wesen, die als Kugeln aus strahlendem Protoplasma erscheinen. In der Geschichte der Menschheit muss es unzählige Fälle gegeben haben, in denen Frauenkörper gefunden wurden, die auf entsetzliche Weise zerrissen worden waren. Es sind Fälle, die den Eindruck erwecken, dass ein Ding oder Dinge aus ihnen herausplatzten. 1801 entdeckten Förster in Sibirien den gefrorenen aufgeplatzten Kadaver eines weiblichen Mastodons. Es bestand kein Zweifel daran, dass das Tier von innen auf das Heftigste attackiert worden war. Sie sagten, es habe ausgesehen, als hätte das Tier Dynamit gefressen. 1823 wurde eine Bäuerin auf einem Weingut in der Nähe von Epernay gefunden. Ihr Körper war in Stücke gerissen worden - und über fast einen Hektar Land verstreut. Ein kleiner Junge, der ihren Tod mit angesehen hatte, berichtete von tiefen Stimmen und grellen Lichtern. 1857 wurde eine siebzehnjährige Frau in Nightmute in Alaska von ihrem Ehemann entdeckt. Sie sah aus, als wäre sie explodiert. Der Verschlag, in dem sie gefunden wurde, war dabei mit solcher Heftigkeit durchgeschüttelt worden, dass er sich über fünf Meter von seinem Fundament fortbewegt hatte. Mazurewicz zeigte mir Bücher, in denen diese Berichte festgehalten worden waren. Es gab auch Zeichnungen der Augenzeugen. Glauben Sie mir, Sir, ich hatte danach wochenlang Albträume.«
»Und Sie meinen, das wird auch Liz widerfahren?«, fragte ich entsetzt.
Der junge Mr. Billings nickte. »Ja, ich fürchte, das wird geschehen.«
»Sie wird sterben müssen?«
»Es tut mir Leid, aber ich konnte dagegen nichts unternehmen .«
»Aber wieso?«, fragte ich.
Billings sah mich ernst an. »Ich bedaure, dass ich Ihnen das sagen muss, aber die Hexen-Wesenheit hat bereits von Liz Besitz ergriffen.«
Oh Gott! Die Nonne!
»Das habe ich mit angesehen«, sagte ich. »Das glaube ich jedenfalls. Es war eine flackernde Gestalt, sie sah aus wie eine Nonne.«
»Ja«, stimmte er mir zu. »Die Seele dieser vormenschlichen Kreatur, die in der Gestalt von Kezia Mason ins Fortyfoot House kam. Sehen Sie, Kezia Mason ist hier gestorben. Ich weiß das sicher, weil ich sie selbst habe sterben sehen. Ich habe ihre Überreste in unserem Schlafzimmer in einem Teil des Dachs versteckt. Also in Ihrem Schlafzimmer. Darum wird es in Ihrer Zeil ein zugemauertes Fenster geben, und die Decke in Ihrem Schlafzimmer wird so sonderbar abgeschrägt sein. Die Hexe hat in Ihrem Zimmer gewartet, als Sie eintrafen. Sie hat zwar geschlafen, aber sie war in der Lage, zu erwachen, sobald ein geeigneter Wirt, in ihre Nähe kam. Sie wird beginnen, Ihre Liz zu beeinflussen. Sie hat es bereits getan. Vielleicht haben Sie schon ungewöhnliche Stimmungsschwankungen bemerkt, irrationale Argumente und so weiter.«
»Ja«, sagte ich benommen.
»Wenn«, fuhr Billings fort, »die Hexe davon überzeugt ist, dass Ihre Liz ein geeigneter Wirt ist, tritt sie aus dem Gemäuer hervor und lässt sich in ihrem Körper und Geist nieder. Das heißt, aus Ihrer Sicht hat sie das bereits getan.«
»Und dann?«
»Dann wird ihre vorrangige Aufgabe darin bestehen, sich von einem menschlichen Wesen befruchten zu lassen. In dem Fall sind Sie dieses menschliche Wesen. Sie werden sie dreimal befruchten: oral mit Samen, vaginal mit Speichel und rektal mit Blut. Diese drei Befruchtungen werden dazu führen, dass in ihrem Körper die Embryonen der drei verschiedenen Spezies der Alten heranwachsen können. In Ihrer Zeit sind zwei dieser drei Akte bereits abgeschlossen. Nur der dritte steht noch aus.«
»Wie lange dauert es, bis diese Dinger ...« - ich suchte nach den richtigen Worten - »... aus ihr herausplatzen?«
»Sechs bis sieben Monate. In dieser Zeit wird sich Liz so sehr verändern, dass Sie sie kaum wiedererkennen können. Sie wird sich körperlich verändern, und sie wird einen immensen und sonderbaren Appetit entwickeln. Für Sie und für Ihren Sohn wäre es besser, wenn Sie sich so weil von ihr entfernen wie möglich. Aus Kezia wurde ... ich möchte nicht darüber nachdenken, wie sehr sich Kezia verändert hat. Oder besser gesagt, verändern wird.«
»So ist auch Kezia gestorben? Als sie diese Dinge zur Welt gebracht hat?«
»Leider ja. Und es war sehr grässlich.«
Ich hielt lange inne und grübelte.
Schließlich fragte ich: »Können Sie mir sagen, ob noch irgendetwas von Liz übrig ist? Oder hat dieses Hexending alles vernichtet, was einmal Liz war?«
»Ich weiß es wirklich nicht«, antwortete Billings. »Manchmal, wenn ich mit Kezia rede, dann sehe ich in ihr noch etwas von dem reizenden jungen Mädchen, das sie einmal gewesen sein muss. Aber ob man dieses junge Mädchen jemals wieder erreichen kann ... ich kann es Ihnen einfach nicht sagen.«
»Ich denke an Liz«, sagte ich. »Wenn sie immer noch Liz ist, dann wäre es doch einen Versuch wert, sie von dem Hexen-Ding zu befreien, oder nicht?«
»Das können Sie nicht. Wenigstens ist mir keine Methode bekannt, wie man die Hexe austreiben kann.«
»Was ist, wenn ich nicht noch einmal mit ihr schlafe? Was, wenn der dritte Sohn nicht gezeugt wird?«
»Die beiden anderen werden trotzdem wachsen, wenn auch viel langsamer. Aber wenn sie schließlich zur Welt kommen, werden sie gewalttätig genug sein, um sie auch ohne die Hilfe ihres Bruders zu töten.«
»Was wäre mit einer Teufelsaustreibung?«
Billings schüttelte den Kopf. »Sie können nichts machen, Sir. Überhaupt nichts. Wir haben es hier nicht mit dem Teufel zu tun, sondern mit realen Wesen, mit Dingen, die Substanz haben und die hochintelligent sind. Sie haben in Kleinasien und in der Antarktis Städte errichtet, sie haben Millionen von Jahren über die Welt geherrscht. Sie haben auf dieser Welt Spuren hinterlassen, die niemals verwischt werden können.«
»Und deswegen soll ich es zulassen, dass Liz, in Stücke gerissen wird?«
»Es hat nichts mit >zulassen< zu tun. Sie können es einfach nicht verhindern.«
Ich biss mir auf die Unterlippe. Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Vielleicht log mich der junge Mr. Billings an. Auf der anderen Seite passte seine Geschichte zu den meisten Fakten, auf die ich auch ohne ihn gestoßen war. Vor allem die Tatsache, dass er die sumerischen Zikkurats erwähnt hatte, brachte mich zu der Überzeugung, dass er die Wahrheit sprach. Ich hatte selbst gesehen, wie sehr das Dach des Fortyfoot House - dieses unmögliche Dach, das eine Waise aus dem East End entworfen hatte - den Winkeln entsprach, die die Sumerer benutzt hatten, um durch die Zeit zu reisen.