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Ich wollte durch das Dachfenster klettern, bekam aber im gleichen Augenblick einen Hustenanfall, der mich zwang, meine Füße wieder auf die oberste Stufe der Trittleiter zu stellen. Ich spürte, dass jemand an meinem Hosenbein zog. Als ich mich umdrehte, sah ich Charity, die hinter mir auf der Leiter stand und mich anlächelte. Liz hatte sich unterdessen in eine Ecke des Dachbodens zurückgezogen und war so sehr von Rauch umgeben, dass ich sie kaum sehen konnte.

»Wenn Sie ihm folgen, David«, sagte Charity, »dann kehren Sie vielleicht niemals zurück. Keiner von Ihnen.«

»Er ist mein Sohn.«

Sie lächelte und nickte. »Ich weiß. Ich war die Tochter meines Vaters. Alle Kinder im Fortyfoot House waren Söhne oder Töchter.«

»Wer bist du?«, fragte ich sie.

Sie schloss und öffnete ihre Augen wie eine Katze. »Was Sie eigentlich von mir wissen wollen, ist, was ich bin.«

»Ich weiß nicht«, sagte ich. »Ist das so?«

Miller kam zu uns herüber, während er seine Augen mit seinem Taschentuch wischte. »Hören Sie«, sagte er. »Meine Leute sind gerade eingetroffen. Ich lasse sie die Umgebung absuchen. Dieses ... Ding... kann Ihren Sohn nicht allzu weit verschleppt haben.«

Ich wollte ihm gerade sagen, dass sie ihre Zeit vergeuden würden, den Garten von 1992 abzusuchen, wenn Brown Jenkin Danny in die ferne Zukunft verschleppt hatte, doch Charity bedeutete mir, ich solle schweigen.

»Er soll ruhig beschäftigt sein«, sagte sie. »Er kann Ihnen nicht helfen.«

»Lass mich gehen«, knurrte Liz. »Hörst du mich, du kleines Miststück? Lass mich gehen!«

Charity drehte sich zu ihr, nickte und sorgte so dafür, dass sich Liz noch weiter in den Schatten zurückzog.

»Was zum Teufel hast du mit ihr gemacht? Was ist hier los?«

»Sie wissen, dass sie übernommen ist«, erwiderte Charity.

»Übernommen?«

»Besessen. Oder eben übernommen.«

Ich konnte nicht glauben, dass es wirklich Charity war, die da zu mir sprach. Trotzdem nickte ich verstehend. »Ich habe es gesehen. Der junge Mr. Billings hat mir erklärt, was es damit auf sich hat.«

»Oh, der«, sagte Charity lächelnd. »Der arme junge Mr. Billings. Er wollte alles haben. Er wollte Heiliger und Sünder sein, Gewinner und Verlierer, solange er seine Belohnung bekam.«

»Wer bist du?«, fragte ich wieder. » Was bist du?«

Sie berührte meine Hand, ich fühlte ihre Finger. Sie war real. Ihre Fingernägel waren abgekaut. Was hätte mich mehr davon überzeugen können, dass sie real war?

»Ich möchte Ihnen etwas erzählen«, sagte sie und flüsterte, so wie Kinder es tun, wenn sie ein Geheimnis verrieten. »Ich

bin zu Ihnen als Mädchen gekommen. Aber ich bin mehr als das. Die Alten haben überlebt, indem sie sich in menschlichen Wesen festsetzten. In Kezia Mason, in Ihrer Liz, in Vanessa Charles, die eines Tages die Alten zur Welt bringen wird, die leben werden. Sie haben versucht, sich zu verstecken, aber manchmal verrieten sie sich. So wurden Hexen entdeckt und verbrannt. Nur hat die Verbrennung niemals die Alten getötet. Jede Hexe hat versucht, die drei Söhne zur Welt zu bringen, die ein Sohn werden ... die Unselige Dreifaltigkeit. Der Sohn des Samens, der Sohn des Speichels, der Sohn des Blutes. Aber manche von ihnen«, sie machte eine Geste, die sich auf sie selbst bezog, »brachten Kinder zur Welt, die mehr menschlich als vormenschlich waren. Wenn auch nicht völlig menschlich.«

»Du meinst, so wie du?«

»Ja«, antwortete sie lächelnd. »So wie ich. Wir wurden das, was jeder eine weiße Hexe nennt. Frauen, die die Gabe besitzen, andere zu heilen, die Fruchtbarkeit spenden und die die Zukunft vorhersagen können, weil wir natürlich in die Zukunft reisen und mit unseren eigenen Augen sehen konnten, was kommen würde.«

»Aber du bist ein Kind«, sagte ich. »Ein Mädchen, keine Frau.«

Ihre Augen wurden groß. »Sie sollten das Alter nie nach dem Aussehen schätzen. Die jüngsten Gesichter haben die ältesten Augen.«

»Ich verstehe das nicht. Was hast du im Fortyfoot House gemacht? Du hast diese Kräfte ... aber du warst eine Waise.«

»Ja, eine Waise, aber eine besondere Waise. Ich war eine Waise, weil meine Mutter im Kindbett starb. Ich war eine Waise, weil meine Mutter bei der Geburt meiner drei Brüder zerrissen wurde. Drei Brüder, verstehen Sie? Meine Mutter war von dem Hexen-Ding besessen, doch sie brachte mich zuerst zur Welt. Erst vier Jahre später gebar sie meine drei Brüder, die drei Söhne. Das Haus war erfüllt von schrecklichen Schreien und grässlichen Gerüchen und blitzenden

Lichtern. Natürlich starben meine drei Brüder, weil die Luft zu gut und das Wasser voller Dinge war, die sie nicht schlucken konnten. Sie lösten sich spurlos auf. Aber ...« - sie bekreuzigte sich - »... das Hexen-Ding meiner Mutter überlebte. Im Wandschrank.«

»Im Wandschrank?«, fragte ich.

Meine Gedanken kehrten wieder zu Danny zurück, doch ich wusste, dass das hier wichtig war. Ich wusste, dass Charity mir helfen konnte, ihn zu retten. >Geduld<, sagte ich mir.

Sie nickte. »Wir hatten einen Wandschrank, und jedes Mal, wenn ich ihn öffnete, sah ich blaues Licht und ein solches Gesicht.« Sie riss die Augen auf und zog mit den Fingern ihre Unterlippe herunter. »Das war meine Mutter, das war das Hexen-Ding. Und eines Tages kam Dr. Barnardo in unser Haus, um Kinder mitzunehmen. Eines der Kinder, die er sich bereits genommen hatte, war Kezia Mason. Während sich Dr. Barnardo mit dem alten Mr. Billings unterhielt, zeigte ich Kezia das Regal. Die Tür öffnete sich und das Hexen-Ding kam heraus, umarmte Kezia und übernahm sie.«

»Dann ist das Hexen-Wesen in Liz dasselbe, das auch in Kezia Mason und in deiner Mutter war?«

Sie nickte.

»Aber wenn Kezia doch im Grunde mit dir verwandt war, wie konnte sie dann zulassen, dass Brown Jenkin dich mitnahm?«

»Das Hexen-Wesen kennt keine menschlichen Gefühle, es hat kein Herz, es ist einfach nur eine Kreatur.«

»Warum hast du nicht Kezia so bekämpft, wie du es mit Liz gemacht hast?«

»Ich konnte nicht. Sie war viel zu stark. Aber Liz ist noch schwach, sie ist größtenteils noch menschlich. Es dauert lange, ehe ein Hexen-Wesen Körper und Seele einer Frau durchdringt und sie ganz dominiert. Aber Kezia war kaum noch menschlich, als Sie sie zum letzten Mal gesehen haben.«

»Hast du je deine Brüder gesehen?«, wollte ich wissen. »Weißt du, wie sie aussahen?«

»Nein«, sagte Charity ein wenig traurig. »Ich war noch sehr klein, und das Zimmer meiner Mutter war immer verschlossen. Ich habe sie vor der Geburt wochenlang nicht gesehen. Dann hörte ich entsetzliche Schreie und sah grelles Licht. Durch einen Spalt in der Tür habe ich nur Blut sehen können.«

»Gibt es wirklich keine Hoffnung, wenn ein Hexen-Wesen erst einmal eine Frau übernommen hat?«

Auch wenn ich es mir nicht wirklich eingestehen wollte, glaube ich, dass ich Charitys Zustimmung haben wollte, Liz zu töten.

»Keine Hoffnung«, antwortete Charity. Sie machte mit ihren Fingern eine sonderbare Bewegung, als vertreibe sie einen lästigen Geist. »Nur die, die Zeit zu verändern. Aber wenn Sie die Zeit verändern, können Sie nie sicher sein, ob Sie nicht alles nur noch verschlimmert haben.«

»Kannst du die Zeit verändern?«

Sie schüttelte den Kopf. »Nicht mehr und nicht weniger als jeder andere auch. Ich bin nicht von den Alten besessen. Ich bin nicht mal eine richtige Hexe. Ich bin das Kind menschlicher Eltern. Das Einzige, was mich von anderen unterscheidet, ist die Tatsache, dass meine Mutter bei meiner Zeugung von einem der Alten besessen war. Ich habe einige dieser Kräfte geerbt. Ich bin eine weiße Hexe mit fremdartigen Gedanken und Träumen. Aber ich bin menschlich. Überrascht es Sie, dass ich so spreche, wo ich doch so jung bin?«