Выбрать главу

Billings sah sehr verändert aus, da sein Haar seit dem letzten Mal, als ich ihn gesehen hatte, völlig weiß geworden war und sein Gesicht von Erschöpfung und moralischem Zerfall gezeichnet war. Er sah aus wie ein Mann, der alles gegeben hatte: Leib und Seele.

Er lächelte mich sonderbar an und streckte seine Hand aus, als erwarte er, dass ich sie ergriff und schüttelte.

»Sie haben also nicht auf mich gehört. Sie sind nicht fortgegangen«, sagte er. Seine Stimme war viel rauer geworden, hatte aber nichts von ihrer Autorität verloren. »Ich wusste, dass Sie nicht gehen würden. Und jetzt sind Sie genau da, wo ich Sie haben wollte!«

Er tippte sich mit einem Finger an die Stirn. »Psychologie ist schon immer meine Stärke gewesen. Ich wollte Sie hier haben, und jetzt sind Sie hier.«

»Woher wussten Sie, dass ich bleiben würde?«

»Das war doch offensichtlich«, sagte Billings. »Sie haben Liz geliebt, nicht wahr? Verliebte machen immer das Gegenteil von dem, was man ihnen rät. Da Sie hier sind, müssen Sie geblieben sein. Zumindest lange genug, damit Ihre Liz zum dritten Mal schwanger wird, was schließlich alles war, was sie von Ihnen wollte. Leider hat ihre Nachkommenschaft nicht überlebt. Aber natürlich war das Jahr 1992 noch zu schön. Man konnte durchatmen, ohne husten zu müssen. Aber das Hexen-Wesen verließ sie, als sie starb, und versteckte sich in den Mauern des Fortyfoot House, um schließlich einen neuen Wirt zu finden. Eine wirklich nette Maklerin. So ging es dann weiter bis zum heutigen Tag. Jetzt sind wir bereit für die letzte große Erneuerung.«

Er nahm meine Hand und zog mich hinter sich her zu den Matratzen, auf denen die aufgeblähte Frau lag. Ihr winziges Gesicht starrte mich ausdruckslos an. Ihre Kinn war fettverschmiert, und Fett bahnte sich auch seinen Weg zwischen ihren riesigen Brüsten entlang.

»Darf ich vorstellen: Vanessa Charles«, sagte Billings lächelnd. »Ein Fräulein aus Ventnor. Und die erste Hexe in der Geschichte der Menschheit, die es bis zum Schluss geschafft hat. Darum brauchte sie so viele Kinder. Junges Fleisch, das ihren Babys Kraft verleiht! Aber wir haben 2049, und niemand kann noch Kinder bekommen. Es gibt einfach keine Kinder mehr. Darum mussten wir ins Fortyfoot House zurückkehren und die Kinder aus der Vergangenheit holen.«

Der winzige Mund der Frau öffnete und schloss sich unaufhörlich, doch auf einmal hauchte sie: »Na, Trottel. Ich wusste, dass ich dich am Ende doch noch kriegen würde, du Feigling.«

»Kezia«, flüsterte ich.

»Oh ja, Trottel. Und auch Liz. Und alle anderen auch. Und jetzt die reizende Vanessa. Wie wär's mit einem letzten Kuss, Trottel?«

Sie gab ein leises Zischen von sich, das ein Lachen darstellen sollte, hielt aber inne, als ihr gewaltiger Bauch plötzlich massiv bebte und das Innere der Kapelle in einen gleißenden Blitz getaucht wurde.

»Bald ist es so weit«, sagte Billings freudig, sah mich dann aber misstrauisch an und fragte: »Sie verstehen doch, dass ich keine andere Wahl hatte, oder?«

»Was soll das heißen?«, erwiderte ich. Ich konnte meinen Blick nicht von Vanessas wogendem Bauch abwenden, ich konnte nicht anders, als darüber nachzudenken, was die Ursache für dieses heftige Wogen sein mochte. Ich wollte um keinen Preis dabei sein, wenn das, was sich in ihrem Bauch verbarg, auf die Welt kam.

»Was das heißen soll? Was das heißen soll? Glauben Sie, ich wollte, dass all die unschuldigen Kinder abgeschlachtet werden? Sie hatten mich um zwölf Kinder gebeten, mehr nicht. Und die habe ich ihnen gegeben. Warum, habe ich Ihnen gesagt. Ich empfand so tiefes Bedauern, ich habe wirklich versucht, sie aufzuhalten! Darum hatte ich Sie gebeten, Fortyfoot House zu verlassen, damit Liz ihre Schwangerschaft nicht vollenden konnte und die Hexe in ihr sterben würde. Alle drei Schwangerschaften müssen vom gleichen menschlichen Spender kommen. Sonst sind die Embryos nur wie ein kurzes Erschrecken und sterben, und dann stirbt auch das Hexen-Wesen. Darum ist Vanessa hier die einzige überlebende Hexe.«

»Wenn ich das gewusst hätte ...«, begann ich.

»Ja, ich hätte mich wohl deutlicher ausdrücken sollen. Ich habe es versucht, Sir, ich habe es versucht. Aber Sie machten das, was Sie wollten!«

Der Boden zitterte, weitere Schädel lösten sich aus dem Knochenberg, und Mazurewicz flüsterte: »Ich muss sie weiter füttern, es ist fast so weit!«

Billings kehrte zurück auf den Platz neben dem Altar, auf dem er zuvor gestanden hatte. »Mr. Mazurewicz ist mein Geburtshelfer, nicht wahr, Mr. Mazurewicz? Das ist er schon immer gewesen, wenn Hexen gebären. Diejenigen, die nichts von den Alten wissen und von der Macht, die sie besaßen ... nun, diejenigen hatten meistens vor Mr. Mazurewicz Angst. Sie wussten überhaupt nicht, wovor sie wirklich Angst hätten haben müssen!«

Er legte seine Hand auf Mazurewicz' Schulter und drückte sie liebevoll, aber auch respektvoll. »Mr. Nicolas Mazurewicz ist der Herr, den die Leute den König der Finsternis nennen. Manche sagen auch Satan zu ihm.«

»Es wird Zeit!«, drängte Mazurewicz. »Sie muss gefüttert werden.«

»Machen Sie schon«, sagte Billings und packte Miller an der Schulter. Ich weiß nicht, auf welchen Nerv er drückte, aber Miller konnte nur mit Mühe ausatmen, während seine Augen hervortraten. Weder bewegte er sich noch sprach er ein Wort. Mazurewicz kehrte zu der zuckenden Vanessa zurück und schnitt für sie von Leber und Lunge dicke dampfende Scheiben ab, um sie ihr zwischen ihre vollen Lippen zu drücken.

»Ich hätte es Ihnen wirklich deutlicher erklären sollen«, sagte Billings. »Es gibt so viele Dinge, die ich hätte tun sollen, die ich aber versäumt habe. Und all die toten Kinder! Es ist eine Schande, Sir, eine wirkliche Schande. Ich weine um sie.«

Direkt hinter mir kicherte Brown Jenkin.

»Ruhig, Jenkin«, rief Billings ihn zur Ordnung. Er ließ Miller wieder los und erhob seine Arme.

»Das Problem«, sagte er dann mit gesenkter Stimme, als weihe er mich in eine Verschwörung ein, »bestand darin, dass sie mir im Gegenzug für meine Dienste etwas ganz Besonderes anboten. Wenn ich ihnen die Kinder brachte, die sie für die große Erneuerung brauchten, würden sie mich zu einem der ihren machen. Ich würde ebenfalls über die Welt herrschen können. Und auch über Raum und Zeit! Ich würde für immer existieren, bis in alle Ewigkeit. Ich würde alles Vorstellbare erfahren und vieles andere, das unvorstellbar ist. Ich würde die Grenzen der Ewigkeit überschreiten können. Nur ein Mensch kann sich ihnen anschließen, nur ein einziger! Mein Vater war natürlich auch versucht, doch er wollte ihnen nicht die Kinder geben. Nur ein Mensch auf der ganzen Welt, der ihnen das Wissen gibt, um über jeden anderen Menschen zu herrschen! Zumindest in den wenigen elenden Jahren, die die Menschen noch zu leben haben, bevor wir sie jagen und verspeisen und für unsere Belustigung benutzen.«

Miller rieb sich das Genick, während er sich von Billings entfernte: »Sie sind völlig verrückt!«

Billings bedachte ihn mit einer wegwerfenden Handbewegung, dann kam er auf mich zu, bis er so nah war, dass ich seinen säuerlichen Atem riechen konnte.

»Sie waren derjenige, den ich haben wollte, David! Jemand, der über die Alten etwas weiß. Ein Gauleiter sozusagen. Ein Mensch, der mit einer Hexe zusammen war. Jemand, der für mich zu den Menschen spricht, wenn ich bei den Alten bin. Ich werde Gott sein und Sie mein Jesus. Verstehen Sie das?«

Ich konnte kaum sprechen. Mit einem Mal verstand ich die Dimensionen meiner eigenen Schwäche und meiner Gutgläubigkeit, aber auch meiner Menschlichkeit.

»Der Gedanke gefällt Ihnen doch, oder?«, sagte Billings. »Laufen Sie, habe ich Ihnen gesagt! Aber Sie sind nicht gelaufen, nein, Sie nicht. Zu neugierig, zu leicht zu verführen. Jetzt werden Sie an meiner Seite warten, bis Sie sehen, was geschieht. Jenkin, pass auf sie auf, lass sie nicht entkommen!«