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Und im nächsten Brief beschrieb er Marc die Erinnerung an die Mentholhitze auf seiner Wange, die er wieder zu spüren gemeint hatte, als er am darauffolgenden Donnerstag fünf Minuten vor der Zeit vor dem Hermannschen Gartentor gestanden und erwogen hatte, einfach zu verschwinden, worauf sich aber die Tür geöffnet hatte, es kein Zurück mehr gab und er, begleitet von sabbernden Hunden, über den sanft kieselnden Weg zum Haus gelaufen war, wo ihm die Klavierschülerin gastgeberisch die Hand reichte, als hätte sich diese niemals kühlbrennend oberhalb seines Halses befunden. Ihr wippendes Becken, das ihm voranging. Der schmal geschnittene Rock, der eine Handbreit über dem Knie endete, mit Schlitz, aber diesmal hinten, etwas länger als zuletzt, die senkrechten Linien links und rechts der Kniekehlen, ohne Strumpfhosen diesmal, und wie er sich mit seinen Blicken ertappt fühlte, schrieb er, als sich Frau Hermanns mit einer melodischen Halbdrehung im Gehen umwandte, zwinkerte und rief, dass sie geübt habe, er werde es ja gleich sehen. Und wirklich, Tom staunte, als er neben ihr am Flügel saß, auf dem seine Schülerin das gesamte Stück fehlerfrei und mit Gefühl herauf- und herunterspielte. Sie phrasierte sinnvoll, schloss dabei manchmal voll Hingabe die Augen, und erst als sie ihre Hände in den Schoß legte, merkte Tom, dass sein Mund offen stand.

Die Töne hingen noch zwischen ihren Köpfen, segelten nur zögernd durch das geöffnete Fenster hinaus, wo die Vorhänge sich im leichten Wind bauschten. Bald war Frühling. Frau Hermanns würde Eier färben, sie würde bunte Sträuße in Terrakotta-Vasen platzieren, würde mit nackten Beinen auf einer Segeltuchliege im Garten liegen und halbgelangweilt eine Illustrierte durchblättern, die Sonnenbrille dann abnehmen und mit gesenkten Lidern den Kuss ihres Gatten erwarten, hatte er gedacht, schrieb er Marc. Und er dachte eine Farbe: Hellgrün. Er schloss den Mund. Er war etwas trocken geworden.

«Das haben Sie toll gespielt.«

Die Klavierschülerin lächelte in die Ferne des Gartens. Ein Lächeln wie ein streng gesichertes, hinter Panzerglas hängendes altes Gemälde, von Rissen durchquert. Und es krampften sich die Hände in ihrem Schoß zu Fäusten, die Fingerknöchel wölbten sich weiß unter der Haut, ergaben eine Kette heller Hügelchen. Das Glas splitterte. Ihr Kopf fiel in ihre Hände, die sich schnell wie ein Fächer vor ihrem Gesicht ausbreiteten. Reflexartig legte Tom seine Fingerkuppen auf ihren Arm, und als hätte jemand ein Korsett entfernt, kippte ihr Oberkörper dem seinen entgegen, sank ihr Kopf an seine Schulter. Tom führte seine Hand durch die Luft, ließ sie unentschlossen über ihrem Haar kreisen. Aber ihre Wirbelsäule streckte sich abrupt, und Frau Hermanns strich sich mit beiden Handrücken über die Wangen, wobei sie zwei blaugraue Schlieren ihrer Wimperntusche hinterließ. Es tue ihr leid, flüsterte sie, dann lächelte sie, ihre Mundwinkel hüpften, wie das Zucken von Insektenbeinen.

«Nein«, sagte Tom,»nein«, ohne zu wissen, was er eigentlich damit meinte, und plötzlich lag seine Hand auf ihrer Wange. Mit dem Daumen versuchte er, die dunklen Schminkestreifen wegzuwischen. Sie blickte ihn an, voll Staunen, und unvermittelt vergrub sie ihre Finger in seinem Nacken, wühlte sie kühl und bebend in sein Haar, und wieder hinterließen sie eine Mentholspur, und hier endete der Brief, weil Tom nichts über das Folgende schreiben konnte, über ihre Murmelaugen, ihr Gesicht, das noch immer in Verwunderung war, so als wäre er es, der sie im Nacken anfasste, nicht umgekehrt, und nichts darüber, wie er dann glatte Wärme spürte, weil seine Hand offensichtlich langsam und eigenmächtig über ihren Hals hinabgewandert war, bis zu ihrer Schulter unter der engen Bluse. Nichts über seinen Mund, der seiner eigenmächtigen Hand hinterherdrängte, eine besonders einladende Stelle ihres Schlüsselbeins berührte, ein Muttermal, bevor sie, die Hände noch immer in seinem Haar, sein Gesicht (zum Glück rasiert, als hätte er es geahnt) an ihres zog. Und dann drückte sie mit flacher Hand seinen Oberkörper nach hinten, raffte ihren Rock, so dass ihre Oberschenkel freilagen, muskulös, rund, schwang ihr langes Bein über ihn, saß gespreizt auf seinem Schoß, wodurch ihr Rücken offenbar ein paar Tasten senkte, dunkler Akkord in den unteren Lagen, und Tom, während er ihn zu analysieren versuchte, was ihm nicht gelang, grub seinen Kopf in ihren Hals, und ihre Hände knöpften sein Hemd auf, öffneten ihre eigene Bluse, unter der ein seidener Spitzen-BH zum Vorschein kam, was nicht anders zu erwarten war. Dort, wo sich die Brust teilte, ein weiteres Muttermal, hellbraun. Tom berührte es mit den Lippen, löste dann mit ungeschickten Fingern ihren BH, Verschluss vorn, was er noch nie gesehen hatte, und unterhalb ihrer Brüste, die sich nun schwer nach rechts und nach links neigten, verlief eine rötliche Druckspur.