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Die Windbö traf den Pandanusbaum über ihnen, fuhr durch die Palmen dahinter und schleuderte ein halbes Dutzend reifer Kokosnüsse mit dumpfen Schlägen zu Boden.

Dann näherte sich von Weitem der Regen, kam mit dem Tosen eines Sturmwindes heran und peitschte das Wasser der Lagune in langen Gischtschwaden vor sich her. Das scharfe Prasseln der ersten Tropfen erklang in den Blättern, als Raoul auf die Füße sprang.

»Tausend Chile-Dollar, Mapuhi, bar auf die Hand,« sagte er. »Und zweihundert Chile-Dollar in Waren.«

»Ich will ein Haus,« fing der andere an.

»Mapuhi!« gellte Raoul, um sich verständlich zu machen. »Du bist ein Narr!«

Er rannte aus dem Haus und kämpfte sich Seite an Seite mit dem Maat auf das Boot zu. Sie konnten es nicht sehen. Der tropische Regen umgab sie dicht wie eine Vorhang, so dass sie nur den Strand unter ihren Füßen erkennen konnten und die wütenden kleinen Wellen der Lagune, die nach dem Sand schnappten und kleine Stücke herausbissen. Dann tauchte ein Schemen aus dem sintflutartigen Guss auf. Es war Huru-Huru, der Mann mit dem einen Arm.

»Hast du die Perle bekommen?« brüllte er Raoul ins Ohr.

»Mapuhi ist ein Narr!« brüllte der zurück, und im nächsten Augenblick hatten sie sich in den herabstürzenden Fluten verloren.

Eine halbe Stunde später beobachtete Huru-Huru von der Seeseite des Atolls aus, wie die beiden Boote an Bord gehievt wurden und die Aorai den Bug aufs Meer hinaus drehte. Und in ihrer Nähe, auf den Schwingen der Sturmbö von der offenen See herangetragen, sah er einen anderen Schoner beidrehen und ein Boot zu Wasser bringen. Er kannte ihn. Es war die OROHENA, deren Besitzer Toriki hieß, der halbblütige Händler, der sein eigener Frachtmeister war und zweifellos bereits im Heck des Bootes stand. Huru-Huru lachte in sich hinein. Er wusste, dass Mapuhi Toriki noch etwas schuldete, für Handelsware, die der ihm letztes Jahr vorgestreckt hatte.

Die Sturmbö war vorübergezogen. Die heiße Sonne loderte herab und die Lagune lag wieder spiegelglatt. Aber die Luft war stickig wie Leim und ihr Gewicht schien auf den Lungen zu lasten und das Atmen schwierig zu machen.

»Hast du schon die Neuigkeiten gehört, Toriki?« fragte Huru-Huru. »Mapuhi hat eine Perle gefunden. Eine Perle, wie sie nie zuvor auf Hikueru gefischt worden ist, nicht einmal in den Paumotus, in der ganzen Welt nicht. Mapuhi ist ein Narr. Außerdem schuldet er dir Geld. Denk daran, dass ich dir zuerst davon erzählt habe. Hast du ein bisschen Tabak übrig?«

Und Toriki ging zu Mapuhis Grashütte. Er war ein herrischer Mann und obendrein ziemlich dumm. Er warf einen achtlosen Blick auf die wundervolle Perle – nur einen Augenblick lang; und achtlos ließ er sie in seine Tasche gleiten.

»Du hast Glück,« sagte er. »Es ist eine hübsche Perle. Ich gebe dir Kredit dafür.«

»Ich will ein Haus,« begann Mapuhi konsterniert. »Es muss zehn Meter –«

»Zehn Meter, das kannst zu deiner Großmutter erzählen,« gab der Händler zurück. »Du zahlst gefälligst deine Schulden, das ist es, was du willst. Du warst mir zwölfhundert Chile-Dollar schuldig. Also gut; du schuldest mir nichts mehr. Wir sind quitt. Außerdem gebe ich dir Kredit für zweihundert Chile-Dollar. Falls sich die Perle gut verkauft, wenn ich nach Tahiti komme, gebe ich dir noch einmal hundert Kredit – das sind dann dreihundert. Aber wohlgemerkt, nur wenn sich die Perle gut verkauft. Vielleicht mache ich sogar Verlust damit.«

Mapuhi verschränkte bekümmert die Arme und saß mit hängendem Kopf da. Man hatte ihn seiner Perle beraubt. Statt ein Haus dafür zu bekommen, hatte er Schulden bezahlt. Nichts war ihm geblieben für seine Perle.

»Du bist ein Narr,« sagte Tefara.

»Du bist ein Narr,« sagte Nauri, seine Mutter. »Warum hast du die Perle aus der Hand gegeben?«

»Was hätte ich denn tun sollen?« protestierte Mapuhi. »Ich schuldete ihm Geld. Er wusste, dass ich die Perle habe. Ihr habt selbst gehört, wie er mich bat, sie ihm zu zeigen. Ich hatte ihm nichts erzählt. Er wusste es. Jemand anders hat es ihm gesagt. Und ich schuldete ihm das Geld.«

»Mapuhi ist ein Narr,« äffte Ngakura nach.

Sie war zwölf Jahre alt und verstand es nicht besser. Mapuhi verschaffte seinen Gefühlen Luft, indem er ihr kräftig eins aufs Ohr gab, so dass sie zurücktaumelte; Tefara und Nauri brachen in Tränen aus und machten ihm weiter Vorhaltungen, wie Frauen eben so sind.

Vom Strand aus beobachtete Huru-Huru, wie ein dritter Schoner, den er kannte, außerhalb der Einfahrt beidrehte und ein Boot aussetzte. Es war die Hira, ein treffender Name, denn sie gehörte Levy, dem deutschen Juden, größter aller Perlenaufkäufer. Und wie jeder wusste, war Hira der tahitische Gott der Fischer und Diebe.

»Hast du schon die Neuigkeiten gehört?« fragte Huru-Huru, als Levy, ein fetter Mann mit wuchtigen, asymmetrischen Gesichtszügen auf den Strand trat. »Mapuhi hat eine Perle gefunden. Eine Perle, wie sie nie zuvor auf Hikueru gefischt worden ist, nicht einmal in den Paumotus, in der ganzen Welt nicht. Mapuhi ist ein Narr. Er hat sie Toriki für vierzehnhundert Chile-Dollar verkauft – ich habe draußen gelauscht. Toriki ist auch ein Narr. Du kannst sie ihm billig abkaufen. Denk daran, dass ich dir zuerst davon erzählt habe. Hast du ein bisschen Tabak übrig?«

»Wo ist Toriki?«

»Im Haus von Captain Lynch, sie trinken Absinth. Er ist schon eine Stunde drin.«

Und während Levy und Toriki Absinth tranken und um die Perle feilschten, lauschte Huru-Huru und vernahm, wie sie sich auf den horrenden Preis von fünfundzwanzigtausend Franc einigten.

Zu diesem Zeitpunkt liefen sowohl die OROHENA als auch die Hira nahe ans Ufer auf und begannen, Schüsse abzufeuern und wild zu signalisieren. Die drei Männer traten gerade rechtzeitig nach draußen, um zu sehen, wie die beiden Schoner hastig wendeten und Kurs auf die offene See nahmen. Auf der Flucht vor der Sturmbö, die ihre Klauen in sie schlug und die Masten tief auf das schäumende Wasser herunterdrückte ließen sie Hauptsegel und Klüver fallen. Dann waren sie hinter einem Regenvorhang verschwunden.

»Sie kommen zurück, wenn es vorüber ist,« sagte Toriki. »Wir sollten zusehen, dass wir hier wegkommen.«

»Vermute, das Glas ist noch weiter gefallen,« sagte Captain Lynch.

Er war ein weißbärtiger Seemann, zu alt, um noch auf der Brücke zu stehen, und er hatte die Erfahrung gemacht, dass er nur auf Hikueru einigermaßen angenehm mit seinem Asthma leben konnte. Er ging hinein, um nach dem Barometer zu sehen.

»Großer Gott!« hörten sie ihn ausrufen und eilten ihm nach, um ebenfalls die Skala anzustarren, die auf Neunundzwanzig-Zwanzig stand.

Wieder gingen sie hinaus, diesmal um Meer und Himmel mit besorgten Blicken zu mustern. Die Sturmbö war vorübergezogen, aber der Himmel blieb bedeckt. Sie konnten die beiden Schoner sehen, zu denen sich ein dritter gesellt hatte, wie sie sich unter vollen Segeln zurückkämpften. Ein Umschlagen des Windes zwang sie, die Segel aufzufieren, und als er fünf Minuten später plötzlich erneut umsprang, erwischte er alle drei Schoner von achtern und die am Strand Zurückgebliebenen sahen, wie sie die Großschoten schleunigst nachließen oder loswarfen. Das Donnern der Brandung klang hohl und bedrohlich und eine schwere Dünung setzte ein. Ein furchterregendes Wetterleuchten brach vor ihren Augen los und erhellte den düsteren Tag, während wildes Donnergrollen aus allen Richtungen heranrollte.

Toriki und Levy machten sich im Laufschritt auf den Weg zu ihren Booten, wobei letzterer schaukelte und stampfte wie ein in Panik geratenes Nilpferd. Als ihre beiden Boote zur Durchfahrt hinausgespült wurden, begegnete ihnen das Boot der Aorai, das gerade hereinkam. Auf dem Achterdeck stand Raoul und feuerte die Ruderer an. Er konnte das Bild der Perle nicht aus seinem Kopf kriegen, deshalb kam er zurück, um Mapuhis Preis eines Hauses zu akzeptieren.