Octavio.
Mit leisen Tritten schlich er seinen boesen Weg,
So leis und schlau ist ihm die Rache nachgeschlichen.
Schon steht sie ungesehen, finster hinter ihm,
Ein Schritt nur noch, und schaudernd ruehret er sie an.
-Du hast den Questenberg bei mir gesehn;
Noch kennst du nur sein oeffentlich Geschaeft-
Auch ein geheimes hat er mitgebracht,
Das bloss fuer mich war.
Max.
Darf ich's wissen?
Octavio.
Max!
-Des Reiches Wohlfahrt leg ich mit dem Worte,
Des Vaters Leben dir in deine Hand.
Der Wallenstein ist deinem Herzen teuer,
Ein starkes Band der Liebe, der Verehrung
Knuepft seit der fruehen Jugend dich an ihn-
Du naehrst den Wunsch-Oh! lass mich immerhin
Vorgreifen deinem zoegernden Vertrauen-
Die Hoffnung naehrst du, ihm viel naeher noch
Anzugehoeren.
Max.
Vater-
Octavio.
Deinem Herzen trau ich,
Doch, bin ich deiner Fassung auch gewiss?
Wirst du's vermoegen, ruhigen Gesichts
Vor diesen Mann zu treten, wenn ich dir
Sein ganz Geschick nun anvertrauet habe?
Max.
Nachdem du seine Schuld mir anvertraut!
Octavio. (nimmt ein Papier aus der Schatulle und reicht es ihm hin)
Max.
Was? Wie? Ein offner kaiserlicher Brief.
Octavio.
Lies ihn.
Max. (nachdem er einen Blick hineingeworfen)
Der Fuerst verurteilt und geaechtet!
Octavio.
So ist's.
Max.
Oh! das geht weit! O ungluecksvoller Irrtum!
Octavio.
Lies weiter! Fass dich!
Max. (nachdem er weitergelesen, mit einem Blick des
Erstaunens auf seinen Vater)
Wie? Was? Du? Du bist-
Octavio.
Bloss fuer den Augenblick-und bis der Koenig
Von Ungarn bei dem Heer erscheinen kann,
Ist das Kommando mir gegeben-
Max.
Und glaubst du, dass du's ihm entreissen werdest?
Das denke ja nicht-Vater! Vater! Vater!
Ein unglueckselig Amt ist dir geworden.
Dies Blatt hier-dieses! willst du geltendmachen?
Den Maechtigen in seines Heeres Mitte,
Umringt von seinen Tausenden, entwaffnen?
Du bist verloren-Du, wir alle sind's!
Octavio.
Was ich dabei zu wagen habe, weiss ich.
Ich stehe in der Allmacht Hand; sie wird
Das fromme Kaiserhaus mit ihrem Schilde
Bedecken und das Werk der Nacht zertruemmern.
Der Kaiser hat noch treue Diener, auch im Lager
Gibt es der braven Maenner gnug, die sich
Zur guten Sache munter schlagen werden.
Die Treuen sind gewarnt, bewacht die andern,
Den ersten Schritt erwart ich nur, sogleich-
Max.
Auf den Verdacht hin willst du rasch gleich handeln?
Octavio.
Fern sei vom Kaiser die Tyrannenweise!
Den Willen nicht, die Tat nur will er strafen.
Noch hat der Fuerst sein Schicksal in der Hand-
Er lasse das Verbrechen unvollfuehrt,
So wird man ihn still vom Kommando nehmen,
Er wird dem Sohne seines Kaisers weichen.
Ein ehrenvoll Exil auf seine Schloesser
Wird Wohltat mehr als Strafe fuer ihn sein.
Jedoch der erste offenbare Schritt-
Max.
Was nennst du einen solchen Schritt? Er wird
Nie einen boesen tun.-Du aber koenntest
(Du hast's getan) den froemmsten auch missdeuten.
Octavio.
Wie strafbar auch des Fuersten Zwecke waren,
Die Schritte, die er oeffentlich getan,
Verstatteten noch eine milde Deutung.
Nicht eher denk ich dieses Blatt zu brauchen,
Bis eine Tat getan ist, die unwidersprechlich
Der Hochverrat bezeugt und ihn verdammt.
Max.
Und wer soll Richter drueber sein?
Octavio.
Du selbst.
Max.
Oh! dann bedarf es dieses Blattes nie!
Ich hab dein Wort, du wirst nicht eher handeln,
Bevor du mich-mich selber ueberzeugt.
Octavio.
Ist's moeglich? Noch-nach allem, was du weisst,
Kannst du an seine Unschuld glauben?
Max. (lebhaft)
Dein Urteil kann sich irren, nicht mein Herz. (Gemaessigter fortfahrend.)
Der Geist ist nicht zu fassen wie ein andrer.
Wie er sein Schicksal an die Sterne knuepft,
So gleicht er ihnen auch in wunderbarer,
Geheimer, ewig unbegriffner Bahn.
Glaub mir, man tut ihm Unrecht. Alles wird
Sich loesen. Glaenzend werden wir den Reinen
Aus diesem schwarzen Argwohn treten sehn.
Octavio.
Ich will's erwarten.
Zweiter Auftritt
Die Vorigen. Der Kammerdiener. Gleich darauf ein Kurier.
Octavio.
Was gibt's?
Kammerdiener.
Ein Eilbot' wartet vor der Tuer.
Octavio.
So frueh am Tag! Wer ist's? Wo kommt er her?
Kammerdiener.
Das wollt' er mir nicht sagen.
Octavio.
Fuehr ihn herein. Lass nichts davon verlauten.
(Kammerdiener ab. Kornet tritt ein.)
Seid Ihr's, Kornet? Ihr kommt vom Grafen Gallas?
Gebt her den Brief.
Kornet.
Bloss muendlich ist mein Auftrag.
Der Generalleutnant traute nicht.
Octavio.
Was ist's?
Kornet.
Er laesst Euch sagen-Darf ich frei hier sprechen?
Octavio.
Mein Sohn weiss alles.
Kornet.
Wir haben ihn.
Octavio.
Wen meint Ihr?
Kornet.
Den Unterhaendler! Den Sesin!
Octavio. (schnell)
Habt ihr?
Kornet.
Im Boehmerwald erwischt' ihn Hauptmann Mohrbrand
Vorgestern frueh, als er nach Regenspurg
Zum Schweden unterwegs war mit Depeschen.
Octavio.
Und die Depeschen-
Kornet.
Hat der Generalleutnant
Sogleich nach Wien geschickt mit dem Gefangnen.
Octavio.
Nun endlich! endlich! Das ist eine grosse Zeitung!
Der Mann ist uns ein kostbares Gefaess,
Das wicht'ge Dinge einschliesst-Fand man viel?
Kornet.
An sechs Pakete mit Graf Terzkys Wappen.
Octavio.
Keins von des Fuersten Hand?
Kornet.
Nicht, dass ich wuesste.
Octavio.
Und der Sesina?
Kornet.
Der tat sehr erschrocken,
Als man ihm sagt', es ginge nacher Wien.
Graf Altring aber sprach ihm guten Mut ein,
Wenn er nur alles wollte frei bekennen.
Octavio.
Ist Altringer bei Eurem Herrn? Ich hoerte,
Er laege krank zu Linz.
Kornet.
Schon seit drei Tagen
Ist er zu Frauenberg beim Generalleutnant.
Sie haben sechzig Faehnlein schon beisammen,
Erlesnes Volk, und lassen Euch entbieten,
Dass sie von Euch Befehle nur erwarten.
Octavio.
In wenig Tagen kann sich viel ereignen.
Wann muesst Ihr fort?
Kornet.
Ich wart' auf Eure Ordre.
Octavio.
Bleibt bis zum Abend.
Kornet.
Wohl.
(Will gehen.)
Octavio.
Sah Euch doch niemand?
Kornet.
Kein Mensch. Die Kapuziner liessen mich
Durchs Klosterpfoertchen ein, so wie gewoehnlich.