Wo es die Diebeslandung wagen darf.
Was in den innern Taelern Koestliches
Das Land verbirgt, oh! davon-davon ist
Auf unsrer wilden Fahrt uns nichts erschienen.
Ocatvio. (wird aufmerksam)
Und haett' es diese Reise dir gezeigt?
Max.
Es war die erste Musse meines Lebens.
Sag mir, was ist der Arbeit Ziel und Preis,
Der peinlichen, die mir die Jugend stahl,
Das Herz mir oede liess und unerquickt
Den Geist, den keine Bildung noch geschmuecket?
Denn dieses Lagers laermendes Gewuehl,
Der Pferde Wiehern, der Trompete Schmettern,
Des Dienstes immer gleichgestellte Uhr,
Die Waffenuebung, das Kommandowort-
Dem Herzen gibt es nichts, dem lechzenden.
Die Seele fehlt dem nichtigen Geschaeft-
Es gibt ein andres Glueck und andre Freuden.
Octavio.
Viel lerntest du auf diesem kurzen Weg, mein Sohn!
Max.
O schoener Tag! wenn endlich der Soldat
Ins Leben heimkehrt, in die Menschlichkeit,
Zum frohen Zug die Fahnen sich entfalten,
Und heimwaerts schlaegt der sanfte Friedensmarsch.
Wenn alle Huete sich und Helme schmuecken
Mit gruenen Maien, dem letzten Raub der Felder!
Der Staedte Tore gehen auf, von selbst,
Nicht die Petarde braucht sie mehr zu sprengen;
Von Menschen sind die Waelle rings erfuellt,
Von friedlichen, die in die Luefte gruessen-
Hell klingt von allen Tuermen das Gelaeut,
Des blut'gen Tages frohe Vesper schlagend.
Aus Doerfern und aus Staedten wimmelnd stroemt
Ein jauchzend Volk, mit liebend emsiger
Zudringlichkeit des Heeres Fortzug hindernd-
Da schuettelt, froh des noch erlebten Tags,
Dem heimgekehrten Sohn der Greis die Haende.
Ein Fremdling tritt er in sein Eigentum,
Das laengstverlassne, ein; mit breiten Aesten
Deckt ihn der Baum bei seiner Wiederkehr,
Der sich zur Gerte bog, als er gegangen,
Und schamhaft tritt als Jungfrau ihm entgegen,
Die er einst an der Amme Brust verliess.
Oh! gluecklich, wem dann auch sich eine Tuer,
Sich zarte Arme sanft umschlingend oeffnen-
Questenberg. (geruehrt)
Oh! dass Sie von so ferner, ferner Zeit,
Und nicht von morgen, nicht von heute sprechen!
Max. (mit Heftigkeit sich zu ihm wendend)
Wer sonst ist schuld daran als ihr in Wien?-
Ich will's nur frei gestehen, Questenberg!
Als ich vorhin Sie stehen sah, es presste
Der Unmut mir das Innerste zusammen-
Ihr seid es, die den Frieden hinder, ihr!
Der Krieger ist's, der ihn erzwingen muss.
Dem Fuersten macht ihr's Leben sauer, macht
Ihm alle Schritte schwer, ihr schwaerzt ihn an-
Warum? Weil an Europas grossem Besten
Ihm mehr liegt als an ein paar Hufen Landes,
Die Oestreich mehr hat oder weniger-
Ihr macht ihn zum Empoerer und, Gott weiss!
Zu was noch mehr, weil er die Sachsen schont,
Beim Feind Vertrauen zu erwecken sucht,
Das doch der einz'ge Weg zum Frieden ist;
Denn hoert der Krieg im Kriege nicht schon auf,
Woher soll Friede kommen?-Geht nur, geht!
Wie ich das Gute liebe, hass ich euch-
Und hier gelob ich's an, verspritzen will ich
Fuer ihn, fuer diesen Wallenstein, mein Blut,
Das letzte meines Herzens, tropfenweis, eh' dass
Ihr ueber seinen Fall frohlocken sollt! (Er geht ab.)
Fuenfter Auftritt
Questenberg. Octavio Piccolomini.
Questenberg.
O weh uns! Steht es so? (Dringend und ungeduldig.)
Freund, und wir lassen ihn in diesem Wahn
Dahingehn, rufen ihn nicht gleich
Zurueck, dass wir die Augen auf der Stelle
Ihm oeffnen?
Octavio. (aus einem tiefen Nachdenken zu sich kommend)
Mir hat er sie jetzt geoeffnet,
Und mehr erblick ich, als mich freut.
Questenberg.
Was ist es, Freund?
Octavio.
Fluch ueber diese Reise!
Questenberg.
Wieso! Was ist es?
Octavio.
Kommen Sie! Ich muss
Sogleich die unglueckselige Spur verfolgen,
Mit meinen Augen sehen-Kommen Sie-
(Will ihn fortfuehren.)
Questenberg.
Was denn? Wohin?
Octavio. (pressiert)
Zu ihr!
Questenberg.
Zu-
Octavio. (korrigiert sich)
Zum Herzog! Gehn wir. Oh! ich fuerchte alles.
Ich seh' das Netz geworfen ueber ihn,
Er kommt mir nicht zurueck, wie er gegangen.
Questenberg.
Erklaeren Sie mir nur-
Octavio.
Und konnt' ich's nicht
Vorhersehn? Nicht die Reise hintertreiben?
Warum verschwieg ich's ihm?-Sie hatten recht,
Ich musst' ihn warnen-Jetzo ist's zu spaet.
Questenberg.
Was ist zu spaet? Besinnen Sie sich, Freund,
Dass Sie in lauter Raetseln zu mir reden.
Octavio. (gefasster).
Wir gehn zum Herzog. Kommen Sie. Die Stunde
Rueckt auch heran, die er zur Audienz
Bestimmt hat. Kommen Sie!-
Verwuenscht! dreimal verwuenscht sei diese Reise! (Er fuehrt ihn weg. Der Vorhang faellt.)
Zweiter Aufzug
Saal beim Herzog von Friedland
Erster Auftritt
Bediente setzen Stuehle und breiten Fussteppiche aus. Gleich
darauf Seni, der Astrolog, wie ein italienischer Doktor
schwarz und etwas phantastisch gekleidet. Er tritt in die
Mitte des Saals, ein weisses Staebchen in der Hand, womit er
die Himmelsgegenden bezeichnet.
Bedienter. (mit einem Rauchfass herumgehend)
Greift an! Macht, dass ein Ende wird! Die Wache
Ruft ins Gewehr. Sie werden gleich erscheinen.
Zweiter Bedienter.
Warum denn aber ward die Erkerstube,
Die rote, abbestellt, die doch so leuchtet?
Erster Bedienter.
Da frag den Mathematikus. Der sagt,
Es sei ein Unglueckszimmer.
Zweiter Bedienter.
Narrenspossen!
Das heisst die Leute scheren. Saal ist Saal.
Was kann der Ort viel zu bedeuten haben?
Seni. (mit Gravitaet)
Mein Sohn! Nichts in der Welt ist unbedeutend.
Das Erste aber und Hauptsaechlichste
Bei allem ird'schen Ding ist Ort und Stunde.
Dritter Bedienter.
Lass dich mit dem nicht ein, Nathanael.
Muss ihm der Herr doch selbst den Willen tun.
Seni. (zaehlt die Stuehle)
Eilf! Eine boese Zahl. Zwoelf Stuehle setzt,
Zwoelf Zeichen hat der Tierkreis; Fuenf und Sieben,
Die heil'gen Zahlen, liegen in der Zwoelfe.
Zweiter Bedienter.
Was habt Ihr gegen Eilf? Das lasst mich wissen.
Seni.
Eilf ist die Suende. Eilfe ueberschreitet
Die zehn Gebote.
Zweiter Bedienter.
So? Und warum nennt Ihr
Die Fuenfe eine heil'ge Zahl?
Seni.
Fuenf ist
Des Menschen Seele. Wie der Mensch aus Gutem
Und Boesem ist gemischt, so ist die Fuenfe
Die erste Zahl aus Grad' und Ungerade.
Erster Bedienter.
Der Narr!
Dritter Bedienter.
Ei, lass ihn doch! Ich hoer ihm gerne zu,
Denn mancherlei doch denkt sich bei den Worten.
Zweiter Bedienter.
Hinweg! Sie kommen! Da! zur Seitentuer hinaus.
(Sie eilen fort. Seni folgt langsam.)
Zweiter Auftritt
Wallenstein. Die Herzogin.