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Mit meiner Schlinge zerrte ich ihn über die Reling, senkte ihn in den Sumpf und hielt ihn fest, bis ein Tharlarion mir die Last abnahm.

Die Sklaven, an ihren Bänken festgekettet, begannen Angstrufe auszustoßen.

Ich hörte Männer von beiden Seiten auf den Lärm zulaufen.

In der Dunkelheit stießen sie aufeinander, brüllend, die Waffen schwingend. Ich hörte, wie Männer, die zwischen zwei Barken danebentraten, kreischend in den Sumpf stürzten. Es wurde viel gebrüllt.

Jemand rief nach einer Fackel.

Telima steuerte uns zurück, von der Barke fort, während ich den Langbogen zur Hand nahm und einen Pfeil auflegte.

Als die Fackel aufflammte, schickte ich den Pfeil in das Herz des Mannes, der sie hielt, und er und die Fackel wirbelten herum, wie von einer Riesenfaust getroffen. In dem Durcheinander wurde ein zweiter Mann über die Bordwand gestoßen. Man forderte weitere Fackeln, doch niemand entzündete das Feuer.

Und dann ertönte das Klirren von Schwertern. »Sie sind an Bord!« kreischte jemand. »Wir werden geentert! Kämpft!«

Telima hatte uns dreißig Meter in den Sumpf hinausgestakt, und ich wartete mit schußbereitem Bogen. Doch niemand brachte eine neue Fackel.

Ich hörte Männer über den Gang zwischen den Ruderbänken laufen. Ich hörte Schmerzensschreie, die Rufe entsetzter Sklaven und Aufklatschen von Körpern im Wasser.

Aus der anderen Richtung vernahm ich eine Stimme, die weitere Männer nach vorn befahl, die Befehl gab, den Angreifern in die Flanke zu fallen. Ich ließ Telima das Boot wieder zu den Barken steuern und beteiligte mich von außen an dem Kampf, indem ich die Klinge in einen der herumwirbelnden Körper stieß und mich wieder zurückzog.

Der Lärm war unbeschreiblich. Stahl klirrte. Immer wieder stießen wir zu den Flanken der dritten und vierten Barke vor, kehrten dann in den Sumpf zurück und warteten ab.

Als mir scheinen wollte, daß das Geschrei und das Waffenklirren laut genug war, sagte ich zu Telima: »Jetzt ist Zeit zum Schlafen.«

Sie schien überrascht, gehorchte jedoch sofort, während ich die Sehne des großen Bogens aushakte.

Als sich unser Renceboot genügend weit von den Barken entfernt hatte und im Ried und Schilf verloren war, ließ ich Telima die Stange in den Morast treiben und unser Fahrzeug daran sichern.

»Wie kannst du jetzt schlafen?« fragte sie.

»Es ist Zeit zum Schlafen«, wiederholte ich. »Komm her.«

Zögernd gehorchte sie. Ich fesselte ihr die Hände mit einem Stück Sumpfranke auf den Rücken und sicherte auch ihre Fußgelenke. Dann legte ich sie ins Boot. Sie war ein intelligentes Mädchen und begriff die Notwendigkeit einer solchen Vorsichtsmaßnahme, sie sagte kein Wort.

Mich erfüllte Bitterkeit. Ich, Tarl Cabot, der ich mich selbst haßte, hatte das Vertrauen in andere Menschen verloren. Den Kampf dieses Nachmittags hatte ich für ein Kind gefochten, das mir einmal mit Freundlichkeit begegnet war, nun aber nicht mehr lebte. Ich selbst war ein Feigling, jemand, der der Farbe seiner Kriegertunika nicht mehr würdig war, der sich selbst anwiderte.

Ehe ich in den erlösenden Schlaf sank, galt mein letzter Gedanke der Tatsache, daß ich die Freiheit des ehrenvollen Todes ausgeschlagen hatte und daß ich allein war.

Vor Kälte erstarrt, erwachte ich in der ersten Morgendämmerung. Der Wind raschelte im Schilf, und über mir quiekten vier Uls, die gemächlich am Himmel entlangzogen.

Telima war bereits wach. Ich löste ihre Fesseln, und sie reckte sich wortlos. Anschließend teilten wir die restlichen Nahrungsmittel und das Wasser und aßen stumm.

Als sie sich mit dem Handrücken die letzten Krümel aus dem Gesicht wischte, sagte sie: »Du hast nur noch neun Pfeile.«

»Ich glaube nicht, daß es noch darauf ankommt«, sagte ich. »Bring uns zu den Barken.«

Sie blickte mich verständnislos an, löste das Renceboot vom Anker und zog den Pfahl aus dem Morast. Dann stakte sie uns zu den Barken, die im Morgenlicht verlassen und grau wirkten. Langsam umkreisten wir die sechs schwerfälligen Schiffe. Als wir etwa eine Ahn gewartet hatten, befahl ich Telima, die sechste Barke anzusteuern.

Ich spannte den großen Bogen und steckte mir die neun Pfeile in den Gürtel. An meiner Hüfte hing das Kurzschwert. Mehrere Ehn lang verhielten wir unter dem hohen Heck der letzten Barke. Dann bedeutete ich Telima, ihren Ruderstab an der Schiffswand entlangzuführen. Es gab ein hohles Geräusch.

Keine Reaktion.

Nun nahm ich den Helm aus dem Bündel zu meinen Füßen und hob ihn über die Reling der Barke. Nichts geschah. Kein Laut war zu hören.

Ich führte unser kleines Boot vorsichtig an der Barke entlang, zum Bug, wo mich das Sklavenmädchen, das dort festgebunden war, nicht sehen konnte. Vorsichtig legte ich den Bogen ab und nahm auch die Pfeile aus dem Gürtel. Ich ließ auch den Schild liegen, der mich nur beim Klettern behindert hätte.

Ich setzte den Helm auf und hob langsam den Kopf, bis ich über die Reling blicken konnte. Durch den Bug vom Heck der fünften Barke geschützt, kletterte ich schließlich an Bord. Ich war Herr über das Schiff.

»Schweig!« sagte ich zu der Sklavin am Bug.

Sie hätte fast aufgeschrien und versuchte zu sehen, wer da hinter ihr gesprochen hatte. Doch ihre Fesseln waren zu eng.

Sklaven, an ihre Sitze gekettet, ausgemergelt, starrten mich an. »Still«, sagte ich. Die Gefangenen von den Renceinseln lagen dichtgepackt zwischen den Ruderbänken, mit den Köpfen zum Heck.

»Wer ist da?« flüsterte einer.

»Still«, zischte ich.

Ich blickte über die Reling zu Telima hinunter und gab ihr ein Zeichen, mir meinen Schild zu reichen, dann den Langbogen und die letzten neun Pfeile. Dann winkte ich das Mädchen an Bord und ließ sie das Boot an der großen Barke festbinden.

»Das Beiboot der Barken ist fort«, sagte sie.

Ich schwieg. Natürlich hatte ich das gesehen, sonst wäre ich nicht so schnell an Bord gegangen. »Folge mir«, sagte ich.

An Bord der sechsten Barke fanden sich keine Männer aus Port Kar, doch als ich vom Vorderdeck des sechsten Schiffs auf das Heck des nächsten hinüberstieg, sah ich tote Krieger. In einigen steckten Pfeile meines Langbogens. Die meisten jedoch waren offenbar an Speer- und Schwertwunden gestorben, während viele andere zweifellos in der Verwirrung über Bord gedrängt worden waren.

Ich deutete auf die Toten. »Hol mir die Pfeile«, sagte ich.

So marschierten wir die Kette der Barken ab – ich voraus, mit Schild und Schwert, gefolgt von Telima, einem Rencemädchen, das meinen Langbogen und die Pfeile trug und diesem Bündel weitere blutige Pfeile hinzufügte.

Nirgends fanden wir einen lebendigen Mann aus Port Kar. Die sich noch hatten retten können, waren offenbar mit dem kleinen Boot geflohen. Wahrscheinlich waren sie noch während des Kampfes oder kurz danach in der Stille, die der Vorläufer eines neuen fürchterlichen Angriffes sein konnte, über die Bordwand geklettert und in verzweifelter Hast in die Dunkelheit geflohen.

Wir standen nun auf dem Vorderdeck der ersten Barke.

»Sie sind alle tot«, sagte Telima mit erstickter Stimme.

»Geh aufs Ruderdeck«, befahl ich ihr. Sie gehorchte.

Über mir war das schlanke, dunkelhaarige Mädchen an den Bug gebunden.

»Bitte«, flehte sie und versuchte den Kopf zu wenden. »Wer ist da?«

Ich antwortete nicht, sondern wanderte den Gang zwischen den Ruderbänken entlang, bis ich das Ruderdeck erreichte.

»Danke, Krieger«, flüsterte mir Telima zu.

Ich deutete auf ein Stück Schnur, das auf Deck lag. Sie legte den Langbogen und die Pfeile ab und reichte mir die Schnur, mit der ich sie fesselte, ehe ich mich im Schneidersitz auf das Ruderdeck setzte und meine Pfeile zählte. Ich hatte nun wieder fünfundzwanzig Geschosse, achtzehn Federpfeile und sieben Flugpfeile. Ich legte den Bogen neben mich und breitete die Pfeile vor mir auf den Planken aus.

Dann stand ich auf und wanderte nach hinten, bis ich die sechste Barke erreichte. Die Sklaven auf ihren Ruderbänken rührten sich kaum.

»Gib mir Wasser«, flüsterte ein gefesselter Rencebauer, aber ich ging achtlos an ihm vorüber.