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Die Mädchen an den Bugsprieten waren so angebunden, daß sie nur den Himmel über dem Sumpf sehen konnten; aber sie hätten mich auch so nicht erkannt, ebensowenig wie die gefesselten Rencebauern, die übereinandergeworfen zwischen den Ruderern lagen. Ich trug meinen Helm, der keine Insignien hatte.

Niemand sprach. Ich hörte nicht einmal das Rasseln einer Kette. Als ich das Ruderdeck der sechsten Barke erreichte, blickte ich zurück und überschaute die Schiffe. Sie gehörten nun mir.

Irgendwo weinte ein Kind.

Ich kehrte zum Vorderdeck der sechsten Barke zurück, löste dort das kleine Renceboot, stieg hinein und stakte es langsam zur ersten Barke vor. Dort machte ich an der Steuerbordseite des Bugs fest, stieg wieder an Bord, begab mich auf das Ruderdeck und nahm Platz auf dem Sessel des Rudermeisters.

Telima kniete gefesselt auf der Treppe, die zu mir heraufführte.

»Ich hasse die Rencebauern«, sagte ich.

»Hast du sie deshalb vor den Männern aus Port Kar gerettet?« fragte sie.

Ich starrte sie wütend an. »Ein Kind war freundlich zu mir.«

»Du hast dies alles wegen des Kindes getan?«

»Ja.«

»Und doch bist du nun grausam gegenüber einem Kind, das gefesselt und hungrig ist.«

Es stimmte. Ich hörte ein Kind weinen – auf der zweiten Barke, wie ich nun erkannte.

Wütend stand ich auf. »Ich bin hier der Herr. Wenn ich will, bringe ich euch alle nach Port Kar und verkaufe euch!«

»Das Kind«, sagte sie, »hat Schmerzen. Es ist bestimmt hungrig und durstig.«

Ich machte kehrt und sprang zur zweiten Barke hinüber. Dort fand ich das Kind, einen etwa fünfjährigen Jungen, blond und blauäugig, wie viele Rencebauern. Ich band ihn los und nahm ihn auf die Arme. Dann befreite ich auch seine Mutter und sagte ihr, sie solle dem Kind zu essen und zu trinken geben.

Nachdem das erledigt war, führte ich beide auf das Ruderdeck der ersten Barke, um sie im Auge zu behalten, und nahm wieder den Platz des Rudermeisters ein.

»Danke«, sagte Telima, aber ich antwortete nicht.

In meinem Herzen war Haß auf die Rencebauern, denn sie hatten mich zum Sklaven gemacht. Sie hatten mich gelehrt, mich selbst in einem Licht zu sehen, das mir neu war, sie hatten mir eine Illusion geraubt, die mir lieb und wert gewesen war. Sie hatten mir den Halt geraubt.

Ich zog meine goreanische Klinge und legte sie über die Knie.

»Ich bin hier der Ubar«, sagte ich.

»Ja«, sagte Telima, »hier bist du Ubar.«

Ich starrte auf den Sklaven, der auf der Steuerbordseite die erste Bank anführte, und er erwiderte meinen Blick.

Seine Füße waren an einen Balken gekettet, der längs im Schiff verlief und an Deck festgemacht war; an Backbord fand sich ein ähnlicher Balken. Er war barfuß und trug Lumpen. Sein Haar war verfilzt, und um seinen Hals zog sich ein Eisenkragen.

»Herr?« fragte er.

Ich starrte ihn eine Zeitlang an. Dann fragte ich: »Wie lange bist du schon Sklave?«

Verwirrt antwortete er: »Sechs Jahre.«

»Was warst du früher?«

»Aalfischer.«

»Welche Stadt?«

»Von der Insel Cos.«

Ich musterte einen anderen Mann. »Aus welcher Kaste stammst du?«

»Aus der Kaste der Bauern«, sagte er stolz. Er war ein großer, breitschultriger Mann mit gelbem, zottigem Haar; er trug ebenfalls einen Sklavenkragen.

»Hattest du einen Heimstein?« fragte ich.

»Sogar einen eigenen, in meiner Hütte«, sagte er.

»Bei welcher Stadt hast du gelebt?«

»Bei Ar«, sagte er.

»Ich war einmal in Ar«, sagte ich und blickte über den Sumpf. Dann wandte ich mich wieder an den Fischer. »Wo werden die Schlüssel für die Ketten aufbewahrt?«

»Er hängt in der Armlehne deines Sessels.«

Ich untersuchte die breite Armstütze und fand rechts eine kleine Schiebetür, hinter der sich Lappen, Schnur und ein schwerer Metallschlüssel befanden.

Ich nahm den Schlüssel und löste die Ketten des Aalfischers und des Bauern.

»Ihr seid freie Männer!« sagte ich.

Eine lange Zeit saßen sie reglos auf ihrer Bank.

»Ihr seid freie Männer!« wiederholte ich.

Mit lautem Lachen sprang der Bauer plötzlich auf und schlug sich gegen die Brust. »Ich bin Thurnock!« rief er. »Ein Bauer!«

»Du verstehst mit dem Langbogen umzugehen?« fragte ich.

»Thurnock weiß gut zu schießen.«

Der andere Mann erhob sich nun ebenfalls. »Mein Name ist Clitus«, sagte er. »Ich bin Fischer. Ich kann ein Schiff nach den Sternen lenken und kenne mich mit Netz und Dreizack aus.«

»Ihr seid frei«, sagte ich noch einmal.

»Ich bin dein Mann!« rief der Bauer.

»Ich auch«, sagte der Fischer, »ich will dir folgen.«

»Sucht mir bei den gefesselten Rencebauern einen Mann, der Ho-Hak genannt wird, und bringt ihn her.«

»Ja«, sagten sie.

Ich wollte Hof halten.

Telima, die auf der Treppe unter mir kniete, blickte auf. »Welches Vergnügen will sich mein Ubar mit seinen Gefangenen machen?« fragte sie.

»Ich verkaufe euch alle in Port Kar«, sagte ich.

Sie lächelte. »Natürlich kannst du tun, was dir beliebt.«

Ich starrte sie wütend an, nahm das Schwert und hob ihr Kinn mit der Klinge an.

Dann ließ ich die Waffe fallen, packte die Schultern des Mädchens und hob sie hoch. »Ich könnte dich umbringen«, sagte ich. »Ich hasse dich! Du hast mich vernichtet!« Und ich stieß sie so heftig von mir, daß sie die Treppe hinabstolperte.

Tränen standen ihr in den Augen, als sie mich ansah. »Du bist nicht vernichtet, Ubar«, sagte sie, während ich wütend wieder Platz nahm. »Wenn hier jemand vernichtet wurde, dann ich.«

»Rede keinen Unsinn«, erwiderte ich aufgebracht.

Ich schämte mich, daß ich so grob gewesen war, aber das durfte ich nicht zeigen. Im Grunde meines Herzens wußte ich, daß es ein Verrat an mir selbst gewesen war – ich allein war schuldig, nicht sie. Ich hatte meinen Heimstein entehrt und die Klinge, die ich trug.

In diesem Augenblick kehrten Thurnock und Clitus zurück. Zwischen sich führten sie Ho-Hak, der an Händen und Füßen gefesselt war und noch immer seinen rostigen Sklavenkragen mit dem Kettenende trug.

Ich setzte meinen Helm ab.

»Ich wußte, daß du es warst«, sagte er. »Es waren über hundert.«

»Du hast gut gekämpft, Ho-Hak«, sagte ich. »Nur mit einem Ruderblatt.«

»Nicht gut genug«, sagte er und sah mich an. »Warst du allein?«

»Nein«, sagte ich und deutete mit einer Kopfbewegung auf Telima.

»Gut gemacht, Frau«, sagte Ho-Hak.

Sie hob den Kopf und lächelte ihn an.

»Warum kniet die Frau, die dir geholfen hat, gefesselt zu deinen Füßen?«

»Ich traue ihr nicht«, sagte ich, »ebensowenig wie euch.«

»Was hast du mit uns vor?« fragte Ho-Hak.

»Hast du keine Angst, daß ich dich gefesselt den Tharlarion vorwerfe?«

»Nein«, sagte Ho-Hak.

»Du bist ein mutiger Mann.«

»Es liegt nicht an meinem Mut«, erwiderte Ho-Hak. »Ich weiß nur, daß du mich nicht ins Wasser stoßen wirst.«

»Woher willst du das wissen?«

»Niemand, der nur mit einem Mädchen als Helferin gegen hundert Männer kämpft, kann so handeln.«

»Ich verkaufe euch alle in Port Kar!« rief ich.

»Vielleicht«, sagte Ho-Hak, »aber ich glaube es nicht.«

»Aber ich habe dich und all die anderen nur zu Sklaven gewonnen, damit ich mich an euch rächen kann, weil ihr mich zum Sklaven gemacht habt. Reiche Beute für Port Kar!«

»Das glaube ich dir nicht«, sagte Ho-Hak.

»Er hat es allein für Eechius getan«, sagte Telima.

»Eechius ist auf der Insel umgekommen«, sagte Ho-Hak.

»Eechius hat ihm ein Stück Rencekuchen gegeben, als er am Pfahl stand. Er hat nur für ihn gekämpft.«

Ho-Hak starrte mich an, Tränen in den Augen. »Ich bin dir dankbar, Krieger«, sagte er.

Ich verstand seine Reaktion nicht. »Schafft ihn fort!« befahl ich.

Thurnock und Clitus schleiften Ho-Hak auf das zweite Schiff, zu den anderen Sklaven.

Ich war wütend. Ho-Hak hatte nicht um Gnade gefleht. Er hatte sich nicht erniedrigt wie ich. Er war ein Dutzendmal mehr Mann als ich. Ich haßte die Rencebauern! Ich war der Liebe der beiden Frauen meines Lebens nicht mehr würdig – Talena, die sich einmal bereitgefunden hatte, meine Freie Gefährtin zu sein, und Vella, Elizabeth Cardwell von der Erde, die ihre Liebe einem Mann geschenkt hatte, der Verachtung und Spott verdiente. Und ich war der Wertschätzung meines Vaters Matthew Cabot nicht mehr würdig, der Administrator von Ko-ro-ba war, und auch nicht der Freundschaft meines Waffenmeisters, des Älteren Tarl, oder meines kleinen Freundes Torm, des Schriftgelehrten. Ich konnte meinen Freunden nicht mehr unter die Augen treten, Kron aus Tharna, Andreas aus Tor, Kamchak von den Tuchuks, Relius und Ho-Sorl aus Ar – keinem mehr. Sie alle mußten mich nun verachten.