Ich hob den Kopf. »Ich reise nach Port Kar!« sagte ich.
Thurnock kreuzte die mächtigen Arme auf der Brust und nickte, auch Clitus gab sein Einverständnis. »Ich folge dir.«
»Baut ein Floß«, sagte ich. »Es muß groß genug sein für Nahrungsmittel und Wasser und mehr als zwei Männer. Und dann seht zu, was wir hier vielleicht mitnehmen wollen.«
Die Männer machten sich an die Arbeit. Ich blieb allein auf dem Platz des Rudermeisters zurück und barg das Gesicht in den Händen.
Hier war ich Ubar, doch meine Herrschaft fiel mir schwer. Ich hätte sie gern wieder gegen den Mythos Tarl Cabot eingetauscht und den Traum, der zerronnen war.
Als ich den Kopf hob, war ich ein harter, verbitterter Mann. Ich war Ubar in diesem Reich aus sechs Schiffen. Wie nie zuvor erkannte ich die wahre Natur des Menschen. In meinem Elend hatte ich es herausgefunden. Und ich sah mich plötzlich als Narr, daß ich bestimmten Regeln gefolgt war, daß ich mir Ideale gesetzt hatte.
Was konnte über der Macht der Schwertklinge stehen? Waren Ehre, Loyalität und Tapferkeit nicht nur die Selbsttäuschung von Ignoranten, ein Traum für Narren? War nicht allein derjenige klug, der aufpaßte und dann nahm, was er bekommen konnte? Gold und Macht und Frauen?
Ich war ein kräftiger Mann – ein Mann, der sich in einer Stadt wie Port Kar durchaus behaupten konnte.
»Das Floß ist fertig«, meldete Thurnock und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
»Wir haben Nahrungsmittel und Wasser gefunden«, sagte Clitus, »und auch Waffen und Gold.«
»Gut«, sagte ich.
»Was ist mit Sklavinnen?« erkundigte sich Thurnock.
Ich blickte zum Bug der ersten Barke, an der das schlanke dunkelhaarige Mädchen hing. Ich wandte den Kopf und musterte den zweiten Bug und den dritten, an dem ebenfalls Mädchen hingen, die mich im Augenblick tiefster Erniedrigung verspottet hatten. Ich lachte. Sie hatten sich Ketten und Halsband der Sklavin wahrlich verdient.
»Bringt die Mädchen vom zweiten und dritten Bug«, befahl ich.
Thurnock grinste. »Die sind wirklich schön!« sagte er bewundernd und machte sich mit seinem Begleiter auf den Weg.
Ich drehte mich um, schritt langsam durch das Schiff und erstieg das Vordeck.
Das Mädchen, das dort am Bug hing, konnte mich nicht sehen; mein Kopf war etwa einen Fuß unter ihren Zehen.
»Wer ist da?« fragte sie.
»Sei still, Sklavin«, sagte ich.
Dann durchschnitt ich ihre Fußfessel, stieg auf die Reling des Vordecks, stützte mich am Bugspriet ab und löste auch ihre Halsfessel und schließlich das Seil um ihre Hüfte. Dann drehte ich sie, ihre Arme waren um den Bug gefesselt, langsam herum, bis sie schließlich auch auf der Reling stand.
Sie schrie auf, als sie mich erblickte.
»Ja, ich bin es!« sagte ich und lachte. Grob hob ich ihr Kinn hoch, wie sie es mit mir am Tanzkreis gemacht hatte. »Du bist ein hübsches Ding, nicht wahr?« fragte ich.
Ihre Augen musterten mich entsetzt.
Mit heftiger Bewegung löste ich ihre Handfessel und zerrte sie von der Reling, so daß sie vor mir auf das Deck fiel. Dann stieß ich sie mit dem Fuß zur Seite und spuckte ihr ins Gesicht. Zum Zeichen ihrer Unterwerfung ließ ich sie die Arme überkreuz heben und fesselte sie ihr zusammen.
Dann kehrte ich zum Heck zurück, gefolgt von meiner Sklavin. Auf dem Ruderdeck warteten bereits das blonde grauäugige und das kleine dunkelhaarige Mädchen.
»Gefallen Sie euch?« wandte ich mich an Thurnock und Clitus.
»Schönheiten sind das!« sagte Thurnock. »Schönheiten!«
»Bitte!« sagte das blonde Mädchen.
»Sie gehören euch!« sagte ich.
»Ja!« rief Clitus und wandte sich dem kleineren Mädchen zu.
»Ist das Floß fertig?« fragte ich.
»O ja!« dröhnte Thurnock.
»Wir haben es zusammen mit dem Renceboot vorn am Steuerbordbug festgemacht.«
»Wie heißt du?« wandte ich mich an das schlanke Mädchen, das meine Sklavin geworden war.
»Midice«, sagte sie, »wenn es meinem Herrn gefällt.«
»Der Name mißfällt mir nicht«, sagte ich. »Ich werde dich so nennen.«
»Wie heißt du?« bellte Thurnock die große Sklavin an, die erschreckt zusammenfuhr.
»Thura«, antwortete sie.
»Ha!« rief er und schlug sich auf den Schenkel. »Thura! Ich heiße Thurnock! Wenn wir nicht zusammenpassen!«
Dem Mädchen schien dieser Zufall nicht sehr zu gefallen.
»Ich gehöre zur Kaste der Bauern«, sagte er stolz.
Das Mädchen schwieg; die Rencebauern hielten wenig von dieser Kaste, die zur niedrigsten auf Gor zählte.
Clitus hatte seinem Mädchen inzwischen die Sklavenfessel angelegt und erkundigte sich ebenfalls nach ihrem Namen.
»Ula«, sagte sie, »wenn es meinem Herrn gefällt.«
»Ist mir egal, wie du heißt«, sagte er, und das Mädchen senkte den Kopf.
Ich musterte die Frau und das Kind, die ich schon befreit hatte. Da sagte Telima, die noch immer gefesselt am Fuß der Rudertreppe kniete: »Wolltest du uns nicht alle nach Port Kar schaffen, um uns als Sklaven zu verkaufen?«
»Sei still«, sagte ich barsch und wandte mich wieder an die Frau und das Kind. »Wenn wir fort sind, befreit ihr eure Leute. Sagt Ho-Hak, daß ich drei Frauen mitgenommen habe. Das ist nicht zuviel für das, was mir angetan wurde.«
»Ein Ubar«, sagte Telima, »braucht niemandem Rechenschaft abzulegen.«
Ich packte ihre Oberarme und hielt sie in die Höhe.
Sie blieb völlig ungerührt.
»Diesmal wirfst du mich wohl die Treppe hinauf?« fragte sie trotzig.
»Der Mund dieses Rencemädchen ist wahrhaftig so groß wie das ganze Delta«, sagte Clitus.
»Stimmt«, bemerkte Telima.
Ich setzte sie wieder ab.
Dann sagte ich zu der Frau mit dem Kind: »Ich werde auch die Sklaven auf den Bänken befreien.«
»Die Sklaven sind gefährlich«, sagte sie und sah sich angstvoll um.
»Alle Männer sind gefährlich«, erwiderte ich.
Ich nahm den Schlüssel zu den Sklavenketten und warf ihn einem der Männer zu. »Wenn wir fort sind, befreist du dich und die anderen – auf allen Barken.«
Ungläubig blickte er auf den Schlüssel in seiner Hand. »Ja«, flüsterte er.
Die anderen Sklaven starrten mich wortlos an.
»Die Rencebauern werden euch sicher helfen, im Sumpf zu leben«, fuhr ich fort, »wenn ihr das wünscht. Wenn nicht, führen sie euch an den Rand des Deltas – fort von Port Kar.«
Die Sklaven schwiegen, und ich wandte mich zum Gehen. Da erklang eine Stimme.
»Mein Ubar«, sagte Telima.
Ich drehte mich um.
»Du reist doch nach Port Kar, nicht wahr?« fragte Telima.
»Ja.«
»Das ist interessant. Ich will auch dorthin.«
»Nein, kommt nicht in Frage.«
»Nimm mich mit«, sagte sie. »Als viertes Sklavenmädchen.«
»Nein!«
Sie musterte mich irritiert. Dann trat sie vor mich hin, kniete nieder und hielt mir ihre überkreuz gefesselten Handgelenke entgegen.
»Ich unterwerfe mich«, sagte sie.
»Du bist eine Närrin!«
Sie hob lächelnd den Kopf. »Du kannst mich ja einfach zurücklassen.«
»So geht das aber nicht«, sagte ich.
»Ach«, sagte sie, »ich dachte, du hättest die alten Regeln aufgegeben.«
»Vielleicht sollte ich dich töten!«
»Ein Mann aus Port Kar würde das vielleicht tun«, sagte sie.