Выбрать главу

»Oder vielleicht sollte ich dich mitnehmen und dir die Bedeutung des Sklavenkragens zeigen.«

»Ja«, lächelte sie, »oder das.«

Ich war angenehm berührt. Ich hatte sie nicht gezwungen, daß sie meine Sklavin wurde, doch aus unerfindlichem Grunde hatte sie sich mir freiwillig unterworfen. Meine Haßgefühle begannen wieder zu erwachen, meine Erinnerung an das, was sie mir angetan hatte, die Erniedrigungen, die ich ihr zu verdanken hatte.

»Ich hätte eigentlich erwartet, daß du nie wieder nach Port Kar wolltest«, sagte ich.

»Ich würde dir überallhin folgen«, sagte sie, »… sogar nach Port Kar.«

Das verstand ich nicht recht.

»Fürchtest du mich nicht?« fragte ich.

Sie sah mich an, ohne Angst, und schüttelte den Kopf.

»Ich bin ein Mann, wie er nach Port Kar gehört«, sagte ich.

»Trifft das auf mich nicht ebenso zu?« fragte sie.

Ich erinnerte mich an die Grausamkeit, mit der sie mich behandelt hatte. »Ja«, sagte ich, »so könnte man sagen.«

»Dann, Herr, wollen wir unsere Stadt aufsuchen.«

9

Ich sah zu, wie sich das Tanzmädchen aus Port Kar in dem kleinen Sandquadrat zwischen den Tischen wand, dem Rhythmus der Peitschenschläge ihres Herrn folgend. Ich saß in einer Pagataverne in Port Kar, nahe den Piers beim gewaltigen Arsenal.

»Dein Paga«, sagte ein nacktes Sklavenmädchen, das mich mit zusammengeketteten Handgelenken bediente. Sie kniete neben dem niedrigen Tisch, an dem ich saß.

Ich nahm den Krug und führte ihn an die Lippen. Ich mochte meinen Paga warm am liebsten; die Wirkung trat dann um so schneller ein.

Unter Schiffslaternen, die an der Decke der Taverne hingen, wurde der Peitschentanz getanzt. Ich hörte das Klatschen der Peitschenschnüre und die Schreie des Mädchens. Es war ein aufregender Tanz.

Ich trank mehr Paga.

Vor vier Tagen hatten wir die Kanäle der Stadt erreicht, nachdem wir zwei Tage durch die Sümpfe gefahren waren.

Wir waren in einen der Kanäle eingebogen, die Port Kar zu den Sümpfen hin abgrenzen. Dabei hatten wir festgestellt, daß der Wasserlauf durch schwere Gatter aus starken Eisenstäben geschützt war, die bis tief ins Wasser reichten.

Telima hatte entsetzt auf diese Tore geschaut. »Als ich aus Port Kar floh, gab es so etwas nicht.«

»Hättest du fliehen können, wenn es die Tore gegeben hätte?« fragte ich.

»Nein«, flüsterte sie.

Die Tore hatten sich hinter uns geschlossen.

Auf unserer Fahrt durch die Kanäle hatten sich hier und da Männer aus den Fenstern gebeugt und Geldbeträge für die Mädchen geboten. Unsere vier Sklavinnen – Midice, Thura, Ula und Telima – waren ja auch wirklich schön anzuschauen. Tags darauf wollten wir sie mit Brandzeichen versehen und Eisenkragen für sie erstehen.

Während ich noch das Tanzmädchen beobachtete, gab es plötzlich einen Aufruhr, als ein riesiger, wild aussehender Bursche mit eng beieinanderstehenden Augen und nur einem Ohr in die Taverne stürmte, gefolgt von zwanzig bis dreißig Seeleuten.

»Paga! Paga!« brüllten die Männer, warfen Tische um und vertrieben die anderen Gäste.

Mädchen rannten herbei, um sie zu bedienen.

»Das ist Surbus«, sagte ein Mann neben mir zu seinem Begleiter.

Der häßliche Mann, der der Anführer der Gruppe zu sein schien, packte eins der Pagamädchen, verdrehte ihr den Arm und zerrte sie auf einen der Alkoven zu; es war das Mädchen, das mich bedient hatte. Einem anderen Mädchen entriß er einen Krug Paga, leerte ihn und verschwand mit seinem Opfer. Das Tanzmädchen in der Sandarena hatte ihren Tanz unterbrochen und kauerte am Boden. Andere Seeleute machten es ihrem Anführer nach.

Ich hatte den Namen Surbus schon gehört. Er war bekannt unter den Piratenkapitänen Port Kars, der Geißel des schimmernden Thassa. Er war Pirat, Sklaventreiber, Mörder und Dieb – wahrlich ein grausamer und unwürdiger Mann. Ich empfand Ekel.

Und dann erinnerte ich mich an meine eigene Unwürdigkeit, an meine Grausamkeit und Feigheit.

Ich hatte nur zu oft erfahren müssen, daß unter harmlosem Äußeren oft die Herzen von Sleen und Tharlarion schlagen und daß Moral und Biederkeit vielfach nur die Klauen und Reißzähne verhüllen. Zum erstenmal begann ich Gier und Egoismus zu verstehen. In dieser Stadt gab es mehr Ehrlichkeit als in allen anderen Städten Gors. Hier verachten es die Menschen, die Grausamkeit ihrer Taten mit der Falschheit des Mundes zu tarnen. Hier galten allein die Realitäten des menschlichen Lebens – daß letztlich nur Gold und Macht und der Körper einer Frau zählten und der Stahl des Schwertes das Mittel war, sich diese Realitäten zu verschaffen.

Ich trank aus meiner Pagaschale.

Ein Schrei ertönte, und das Mädchen, das Surbus in den Alkoven gezerrt hatte, stürzte blutend hervor.

»Schützt mich!« rief sie verzweifelt in die Runde. Sie taumelte in meine Richtung und hielt mir die gefesselten Handgelenke hin. »Schütze mich!« flehte sie.

»Nein«, sagte ich.

Im nächsten Augenblick hatte sich Surbus auf sie gestürzt, zerrte sie an den Haaren zurück. Stirnrunzelnd starrte er mich an.

Mehrere Männer lachten. Ich blickte in meinen Paga. Die Sache ging mich nichts an.

»Du hast recht gehandelt«, sagte ein Mann am Nebentisch zu mir. »Das war Surbus.«

»Einer der besten Schwertkämpfer in Port Kar«, bemerkte ein anderer.

»Oh«, sagte ich.

Port Kar, das schmutzige, ehrgeizige Port Kar, die Geißel des schimmernden Thassa, der Tarn des Meeres, ist eine ausgedehnte Ansammlung von Gebäuden, fast jedes für sich eine Festung, aufeinandergeschichtet, verschachtelt – und durchzogen von Hunderten von Kanälen. Tatsächlich ist die Stadt befestigt, obwohl sie keine Stadtmauern im normalen Sinn besitzt. Die Gebäude, die die Stadtgrenze bilden, am Delta oder am flachen Tambergolf, haben auf der Außenseite keine Fenster, ihre Mauern sind dort meterdick, und Bastionen erheben sich auf ihren Dächern. Die Kanäle, die sich in das Tamberdelta ergießen, waren in den letzten Jahren mit schweren Eisentoren versehen worden. In Port Kar gibt es übrigens keine Turmbauten, wie sie oft in den Städten des Nordens anzutreffen sind. Sie ist die einzige mir bekannte Stadt, die nicht von freien Menschen, sondern von Sklaven erbaut wurde.

Politisch ist Port Kar ein Chaos; es wird von mehreren Ubars beherrscht, die miteinander in Zwietracht und mit ihren jeweiligen Gefolgschaften bestrebt sind, bis zur Grenze ihrer Macht zu herrschen und Steuern zu erpressen. Nominell steht unter diesen Führern eine Oligarchie von Kaufleuten – Kapitäne, wie sie sich selbst nennen –, die mit ihrem Rat das große Arsenal unterhalten, Schiffe und Ausrüstungen bauen und verchartern und die Flotten für Korn, Öl und Sklaven kontrollieren.

Samos, erster Sklavenhändler Port Kars, angeblich ein Agent der Priesterkönige, war Mitglied dieses Rates. Ich hatte mich mit ihm in Verbindung setzen sollen, was jetzt natürlich nicht mehr in Frage kam.

Man könnte sich vorstellen, daß Port Kar bei solchen anarchistischen Zuständen leicht dem Machtstreben anderer Städte zum Opfer fallen müßte – aber das trifft nicht zu. Bei Drohungen von außerhalb haben es die Bewohner Port Kars stets verstanden, sich mit der Verzweiflung und Bösartigkeit einer in die Enge getriebenen Urt zu verteidigen. Außerdem ist es natürlich fast unmöglich, größere Einheiten von Bewaffneten durch das Voskdelta heranzuschaffen, und schon gar nicht durch den Sumpf – schon aus Versorgungsgründen.

Das Delta ist die stärkste Waffe der Stadt gegen ihre Feinde.

Das nächste Festland liegt im Norden, etwa hundert Pasang entfernt. Zwar ließe sich dieser Rand des Sumpfes als Aufmarschgebiet denken, aber die militärischen Aussichten eines solchen Projekts wären trotzdem mehr als zweifelhaft. Das Land liegt frei und offen da, auf mehrere hundert Pasang ringsum gibt es keine andere Stadt – außer Port Kar.

Es war noch sehr laut in der Taverne, aber der Aufruhr hatte sich einigermaßen gelegt. Die Musiker spielten wieder, und das Mädchen setzte ihren Tanz fort. Gelächter klang an den Tischen auf.