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War es etwa möglich, daß Port Kar vom Meer aus angegriffen wurde?

Ich wurde betrunken, meine Gedanken wirbelten durcheinander. Die Musik begann mir ins Blut zu gehen. »Mehr Paga!« brüllte ich.

Aber nur Cos und Tyros hatten Flotten, die denen Port Kars gleichzusetzen waren.

Da gab es natürlich noch die Inseln des Nordens, die recht zahlreich waren, allerdings auch sehr klein, ein Archipel, der sich sichelförmig von Cos nach Nordosten erstreckte, etwa vierhundert Pasang westlich von Port Kar. Zudem standen diese Inseln nicht unter einheitlicher Führung; sie wurden gewöhnlich nur von einer Art Dorfrat regiert.

Das Mädchen im Sand führte nun den Gürteltanz vor.

Nur Cos und Tyros hatten Flotten, die sich den Schiffen Port Kars entgegenstellen konnten. Und für diese beiden Inselreiche war es fast schon Tradition, sich nicht auf einen Seekampf mit Port Kar einzulassen. Zweifellos war für alle Beteiligten – einschließlich Port Kar – das Risiko zu groß; man war mit der stabilen und oft gewinnträchtigen Situation eines ständigen Kleinkriegs zufrieden, bei dem zwischendurch auch Handel getrieben und geschmuggelt wurde. Gegenseitige Überfälle mit einigen Dutzend Schiffen kamen relativ häufig vor, doch große Geschwadergefechte mit Hunderten von Galeeren hatte es seit über einem Jahrhundert nicht mehr gegeben – weder von Port Kar ausgehend, noch von den beiden Insel-Ubaraten.

Nein, sagte ich mir, Port Kar hat vom Meer aus nichts zu befürchten.

Und dann lachte ich, denn ich überlegte, wie Port Kar besiegt werden konnte, dabei war es meine eigene Stadt, meine Heimat.

»Mehr Paga!« rief ich noch einmal.

Tarnkämpfer mochten ihr mit Pfeilen oder Feuer zu schaffen machen, aber ich glaubte nicht, daß sie ihr ernsthaft schaden konnten, dazu hatten die anderen Städte – einschließlich des großen Ar – zu wenige Tarnreiter. Und auch dann noch wäre Port Kar schwer zu besiegen, bestand sie doch aus einer Vielzahl von Festungen, die sich einzeln verteidigen ließen, Zimmer um Zimmer; jedes Gebäude war vom anderen durch Kanäle getrennt, die die Stadt zu Hunderten durchzogen.

Auf Gor, sagte ich mir, und vielleicht auf allen Welten, gibt es immer ein Port Kar.

Ich fand das Mädchen im Sand verführerisch und schön. Die Mädchen in Port Kar, so sagte ich mir, sind die besten auf Gor.

Tarnkämpfer, überlegte ich, Tarnkämpfer. Freudig dachte ich an meinen Tarn, das schwarze Ungeheuer, den Ubar des Himmels.

Und ich dachte voller Bitterkeit an das Mädchen Elizabeth Cardwell, Vella von Gor, die mir bei meiner Arbeit für die Priesterkönige so sehr geholfen hatte. Als ich sie in das Sardargebirge zurückbrachte, hatte ich mir Gedanken über ihre Sicherheit gemacht. Ich durfte sie den Gefahren dieses Planeten nicht länger aussetzen. Bestimmt war sie längst den Anderen bekannt, die den Priesterkönigen die Macht über diese Welt und über die Erde streitig machen wollten. So war ihr Leben in Gefahr. Sie war meinetwegen große Risiken eingegangen, was ich törichterweise zugelassen hatte. So hatte ich schließlich dafür gesorgt, daß der Priesterkönig Misk sie zur Erde zurückbrachte.

Sie widersprach; es war sicher schwer für sie, diese schöne, helle grüne Welt zu verlassen und in die grauen Städte der Erde zurückzukehren, deren Enge sie bedrücken würde; aber es war besser so. Sie mußte sich in der gleichgültigen Menge verlieren, im hektischen Leben der Erde.

Aber sie hatte meine Entscheidung nicht hingenommen.

Meine Gedanken kehrten zu dem großen Sattelvogel, meinem Kriegstarn, zurück. Er hatte viele Männer getötet, die sich in seinen Sattel setzen wollten. Und doch hatte er sich, an jenem Abend von Elizabeth Cardwell satteln lassen und war mit ihr aus dem Sardargebirge geflogen.

Vier Tage später war er allein zurückgekehrt.

In meiner Wut hatte ich den Vogel verscheucht. Ich hatte das Mädchen beschützen wollen und hatte sie verloren.

Und auch Talena, die einmal meine Freie Gefährtin gewesen war, hatte ich vor Jahren nicht mehr vorgefunden. Zwei Frauen hatte ich geliebt und beide verloren.

Ich, ein Betrunkener, beugte mich über den Tisch und weinte. Die Taverne begann um mich zu kreisen.

Port Kar war die mächtigste Stadt auf dem Meer. Ihre Seeleute waren bestimmt allen anderen überlegen, wahrscheinlich die besten auf Gor. Es stimmte mich plötzlich wütend, daß die Männer Port Kars, die in anderer Beziehung so unausstehlich und gemein waren, das Handwerk des Seemanns so überragend verstanden. Aber dann lachte ich, denn das mußte mich ja stolz machen. Gehörte ich denn nicht in diese Stadt?

Zwei betrunkene Seeleute waren aneinandergeraten und hieben nun mit Peitschenmessern aufeinander ein. Ihre Auseinandersetzung fand in der kleinen Sandarena zwischen den Tischen statt.

Das Peitschenmesser ist eine riskante Waffe und läßt sich mit Eleganz und Geschicklichkeit einsetzen; und soviel ich weiß, wird es nur in Port Kar verwendet.

Im Licht der Schiffslaternen sah ich auf der Wange des einen Seemanns plötzlich eine breite Schramme erscheinen. Das Tanzmädchen rief dem anderen Kämpfer ermutigend zu.

Aber die Männer waren betrunken und taumelten, und ihre brutalen Hiebe waren für viele Gäste an den umliegenden Tischen gefährlicher als für den Gegner.

Da stolperte einer der Männer und erbrach sich, auf Händen und Knien hockend.

»Töte ihn!« kreischte das Mädchen. »Töte ihn!«

Doch der andere Mann, betrunken und selbst verwundet, taumelte rückwärts, drehte sich um und sank bewußtlos zu Boden. Die Zuschauer lachten brüllend.

»Töte ihn!« rief das Mädchen. Doch dann schrie sie vor Schmerz auf und warf den Kopf zurück. Die Sklavenpeitsche fuhr ihr über den Rücken.

»Tanz, Sklavin!« befahl der Wirt, ihr Herr, ruhig.

Entsetzt hastete sie wieder in die Arena.

Ich lachte. Die Männer von Port Kar wußten mit Frauen umzugehen. Ich schwor mir, nie wieder eine Frau zu verlieren.

Ich war unglaublich betrunken und wütend und traurig, als ich auf die Beine taumelte. Ich warf einen Silbertarsk, der aus unserer Beute im Sumpf stammte, auf den Tisch, nahm vom Wirt eine große Pagaflasche entgegen und verließ schwankend die Taverne. Vorsichtig tastete ich mich auf dem schmalen Laufsteg am Kanal entlang, auf das Quartier zu, das Thurnock, Clitus und ich zusammen mit unseren Sklavinnen genommen hatten.

Ich klopfte an die Holztür und brüllte: »Paga! Ich bringe Paga!«

Thurnock zog die Riegel zurück und öffnete die Tür. »Paga!« grinste er, als er die große Flasche sah.

Midice kniete in einer Ecke und polierte das Metall meines Schildes. Sie blickte überrascht auf.

»Gut, mein Freund«, sagte Clitus, der an einem Netz arbeitete, dessen Knoten er verstärkte. Er grinste, als er die Flasche sah. »Paga ist jetzt genau das Richtige«, sagte er. Er hatte das Netz am Morgen zusammen mit einem Dreizack erstanden, die traditionellen Waffen der Fischer des Westens. Dicht neben ihm kniete die kleine, dunkelhaarige Ula.

Thurnock hatte ein Stück Ka-la-na-Holz aufgetrieben und war dabei, einen Langbogen zu schnitzen. Ich wußte, daß er auch bereits einige Stücke Boskhorn und etwas Leder gefunden hatte, ebenso Hanf und Seide. In einigen Tagen hatte er seine Waffe bestimmt fertig. Pfeilspitzen waren bei einem Schmied bereits bestellt, und am Nachmittag hatte Thura auf seinen Befehl hin eine Voskmöwe erlegt, deren Federn für die Pfeile verwendet werden sollten. Sie hatte ihm nun schon den ganzen Nachmittag bei seiner Arbeit zugesehen. Er fuhr ihr mit einer schnellen Bewegung durchs Haar, und sie lächelte.

»Wo ist die Küchensklavin?« rief ich.

»Hier, Herr!« sagte Telima ernst und neigte den Kopf.

»Bereite uns ein Festmahl, Küchensklavin«, befahl ich.

»Ja, Herr«, sagte sie.

»Thurnock«, fuhr ich fort, »treib die Sklavinnen zusammen!«

»Ja, mein Kapitän!« brummte er.

Midice stand schüchtern auf. »Was hast du vor?«

»Wir führen euch aus! Ihr sollt einen anständigen Kragen bekommen!«