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Die drei Mädchen sahen sich angstvoll an.

Doch ehe wir aufbrachen, öffneten wir noch die große Pagaflasche, und Thurnock, Clitus und ich füllten unsere Becher und leerten sie mit einem Zug. Dann brachten wir auch die Mädchen dazu, einen tiefen Schluck zu nehmen.

»Wenn wir zurückkommen!« brüllte ich, »gibt’s hier ein Fest!«

Meine Erinnerungen an diesen Abend sind etwas verschwommen. Aber wir fanden einen Schmied, der den Mädchen Sklavenkragen anpaßte, in denen wir unseren Besitzanspruch festhielten. Nach unserer Rückkehr war Clitus noch einmal losgezogen und hatte vier Musiker aufgetrieben. Müde, unausgeschlafen, doch vom Klang unserer Silbertarsks angelockt, spielten sie auf, und je mehr sie mit uns tranken, desto weniger gefiel uns ihr Spiel. Daher begrüßte ich es, daß sie schließlich mitfeierten und dem Fest noch mehr Schwung gaben. Auch hatte Clitus zwei weitere Flaschen Ka-la-na-Wein mitgebracht, dazu Aale, Verrkäse und einen Sack roter Oliven aus den Hainen von Tyros.

Wir begrüßten ihn mit großem Geschrei.

Telima trug gerösteten Tarsk auf, mit Suls und Pfefferschoten aus Tor gefüllt. Außerdem gab es haufenweise gelbes Sa-Tarna-Brot in runden, sechsteiligen Laiben.

Telima bediente uns. Sie schenkte den Männern Paga ein und den Frauen Ka-la-na, sie brach uns Brot und Käse, enthäutete die Aale und schnitt das Tarskfleisch zurecht. Sie eilte hin und her. Sie war in unserer Gruppe die Küchensklavin und somit auch allen anderen Sklaven untertan.

Ich ließ Midice tanzen und trank dabei mehr denn je. Der Saal verschwamm langsam um mich und der Kopf fiel mir auf die Brust. Als ich erwachte, war ich allein; ich lag auf den Liebesfellen, und Midice schlummerte in meinem Arm.

Müde stand ich auf, zog meine Tunika über und schaute das Mädchen an, das mit angezogenen Beinen vor mir lag und mich lächelnd ansah. Das Lampenlicht spiegelte sich auf ihrem Kragen.

Ich gürtete mein goreanisches Schwert und ging in die Küche.

Dort saß Telima an der Wand. Sie hob den Kopf. Ich vermochte sie im Licht des glimmenden Feuers kaum zu erkennen; die Kohlen bildeten ein schwachleuchtendes schwarzrotes Muster in der Dunkelheit.

Ich zog Telima den goldenen Armreif ab.

Tränen standen ihr in den Augen, aber sie protestierte nicht. Ich löste die Ranke, die sich um ihren Hals schlang, und zeigte ihr den Stahlkragen, den ich ihr vom Schmied mitgebracht hatte.

Im Halbdämmer las sie die Gravierung. »Ich gehöre Bosk«, sagte sie.

»Ich wußte nicht, daß du lesen kannst«, erwiderte ich. Midice, Thura und Ula waren Analphabetinnen, wie es bei den Rencemädchen üblich ist.

Telima senkte den Kopf, und ich ließ den Kragen um ihren Hals zuschnappen.

»Es ist lange her, daß ich so einen Kragen getragen habe.«

Ich fragte mich, wie sie nach ihrer Flucht den ersten Kragen losgeworden war. Ich dachte daran, daß Ho-Hak noch immer den schweren Ring des Galeerensklaven trug.

Der Gedanke an Ho-Hak brachte mich auf einen Gedanken. »Telima«, fragte ich. »Warum war Ho-Hak so bewegt, als wir von dem kleinen Eechius sprachen?«

Sie schwieg.

»Natürlich hat er den Jungen gekannt«, sagte ich. »Er lebte ja auch auf der Insel.«

»Er war sein Vater«, sagte Telima.

Ich betrachtete den goldenen Armreif, den ich in der Hand hielt, legte ihn auf den Boden und kettete Telima am Sklavenring der Küche fest. Dann nahm ich das Schmuckstück wieder zur Hand und betrachtete es.

»Seltsam, daß ein Rencemädchen so einen Armreif besitzt«, sagte ich.

Telima schwieg.

Im anderen Zimmer warf ich Midice den Armreif zu, die einen Freudenschrei ausstieß und das Band sofort anlegte. Ich kettete sie ebenfalls an, deckte sie mit Fellen zu und verließ das Zimmer.

Vor dem Haus war ich allein. Nach meiner Schätzung war es noch etwa eine Ahn bis Sonnenaufgang. Ich wanderte über den schmalen Steg, der am Kanal entlangführte. Plötzlich ging ich auf Hände und Knie nieder und erbrach mich in das dunkle Wasser. Ich hörte, wie sich eine der riesigen Kanalurts unter mir bewegte.

Ich roch das Meer, hatte es jedoch noch nicht gesehen.

Die Gebäude zu beiden Seiten des Kanals waren dunkel, aber hier und da flackerte eine Fackel an den Hausmauern, dicht neben einem Fenster. Ich betrachtete die Mauersteine, beobachtete das Zucken der Schatten an den Hauswänden Port Kars.

Irgendwo waren zwei Urts in einen Kampf verwickelt, und ihr Quieken und Platschen drang weit über das Wasser.

Mein Weg führte mich wieder zu der Pagataverne zurück, in der ich diese Nacht begonnen hatte.

Ich war allein und in schlechter Stimmung. Mir war kalt. In Port Kar gab es nichts, das mir etwas bedeutete, weder hier noch in allen Welten des Universums.

Ich stieß die Tür der Taverne auf.

Die Musiker und die Tänzerin waren verschwunden – waren sicher schon vor Stunden gegangen. Es waren nicht mehr viele Gäste in der Taverne, und die verbleibenden Zecher wirkten schon ziemlich angeschlagen. Hier und dort lagen Männer zwischen den Tischen, die Tuniken von Paga und Erbrochenem befleckt. Andere ruhten, in Seemannsumhänge gehüllt, an den Wänden. Zwei oder drei hockten noch an den Tischen und starrten in halbgefüllte Pagaschalen. Die Mädchen, die sich nicht in den Alkoven aufhielten, waren sicher schon irgendwo für die Nacht angekettet, wahrscheinlich in einem Sklavenraum neben der Küche. Als ich eintrat, hob der Wirt den Kopf.

Ich warf eine kupferne Tarnmünze auf den Tisch, und er neigte die große Pagaflasche, die hinter der Theke hing.

Ich trug meine Pagaschale an einen Tisch und ließ mich mit untergeschlagenen Beinen dahinter nieder. Ich wollte nicht trinken. Ich wollte nur allein sein. Ich wollte nicht einmal nachdenken. Die Einsamkeit war mir in diesem Augenblick am liebsten.

In einem Alkoven begann ein Mädchen zu weinen.

Das Geräusch irritierte mich. Ich wünschte keine Störung. Ich legte den Kopf in die Hände und beugte mich vor, stützte die Ellbogen auf den Tisch.

Ich haßte Port Kar und alles, was dazugehörte. Und ich haßte mich selbst, denn ich war jetzt ein Teil dieser Stadt.

Der Vorhang vor einer der Nischen flog zur Seite. Auf der runden Schwelle erschien Surbus, der zu den Kapitänen dieser Stadt gehörte. Ich betrachtete ihn voller Abscheu. Wie häßlich er doch war mit seinem ungepflegt wuchernden Bart, den eng beieinanderstehenden Schweinsaugen, dem fehlenden Ohr!

In den Armen hielt er ein gefesseltes Sklavenmädchen – das Mädchen, das mich gestern abend bedient hatte. Sie war mir kaum aufgefallen – blond und blauäugig und sehr dünn. Mir fiel ein, daß sie mich um Schutz gebeten hatte, den ich ihr verweigert hatte.

Surbus warf sich das Mädchen über die Schulter und ging zum Tresen.

»Sie gefällt mir nicht«, sagte er zum Wirt.

»Das tut mir leid, Ehrenwerter Surbus«, sagte der Mann. »Ich lasse sie auspeitschen.«

»Aber sie gefällt mir nicht!« rief Surbus.

»Möchtest du, daß sie vernichtet wird?« fragte der Wirt.

»Ja.«

»Ihr Preis ist fünf Silbertarsk.«

Aus dem Beutel nahm Surbus fünf silberne Münzen und zählte sie nacheinander auf die Holzplatte.

»Ich gebe dir sechs«, sagte ich zu dem Wirt.

Surbus drehte sich um und warf mir einen finsteren Blick zu.

»Ich habe sie für fünf verkauft«, sagte der Wirt, »an diesen ehrenwerten Herrn. Misch dich nicht ein, Fremder, dieser Mann ist Surbus.«

Surbus warf den Kopf in den Nacken und lachte. »Ja«, sagte er. »Ich bin Surbus.«

»Und ich bin Bosk«, sagte ich, »aus den Sümpfen.«

Surbus musterte mich und lachte wieder. Er wandte dem Tresen den Rücken, nahm das Mädchen von der Schulter und hielt sie vor sich hin. Ich sah, daß sie bei Bewußtsein war.

»Was hast du mit ihr vor?« fragte ich.

»Ich werfe sie den Urts zum Fraß vor«, sagte Surbus.

»Bitte«, flüsterte sie. »Bitte, Surbus.«

»Zu den Urts!« sagte Surbus lachend.

Die Riesenurts, Tiere mit seidigem Fell und schimmernden Augen, ernähren sich vom Abfall in den Kanälen und kennen sich mit Menschenkörpern aus, die in die Kanäle geworfen werden – ob lebend oder tot.