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Ich starrte ihn an. Surbus, Sklavenhändler, Mörder. Dieser Mann war durch und durch schlecht. Ich spürte nichts als Haß und einen überwältigenden Ekel vor ihm.

»Nein«, sagte ich.

Er starrte mich verblüfft an.

»Nein«, wiederholte ich und zog mein Schwert.

»Sie gehört mir«, sagte er.

Hastig schaltete sich der Wirt ein. »Surbus vernichtet oft ein Mädchen, das ihm nicht gefallen hat.«

Ich starrte beide wortlos an.

»Sie gehört mir«, sagte Surbus.

»Das stimmt«, sagte der Wirt hastig. »Du hast den Kauf selbst gesehen. Sie ist jetzt rechtmäßig seine Sklavin, und er kann mit ihr machen, was er will.«

»Welches Recht hast du, dich einzumischen?«

»Das Recht eines Mannes aus Port Kar, zu tun, was ihm gefällt«, antwortete ich.

Surbus stieß das Mädchen zur Seite und entblößte mit schneller, eleganter Bewegung seine Klinge.

»Du bist ein Narr, Fremder«, sagte der Wirt. »Du sprichst mit Surbus, einem der besten Schwertkämpfer aus Port Kar.«

Unsere Auseinandersetzung mit den Klingen war kurz.

Mit einem Schrei des Hasses und der Freude fuhr meine Klinge, parallel zum Boden gehalten, damit sie nicht zwischen den Rippen meines Opfers hängenblieb, blitzschnell durch seinen Körper. Ich setzte Surbus den Fuß auf den blutigen Bauch, schob ihn von meinem Schwert und schwenkte den blutnassen Stahl.

Der Wirt starrte mich mit aufgerissenen Augen an.

»Wer bist du?« fragte er.

»Bosk«, wiederholte ich. »Ich bin Bosk aus den Sümpfen.«

Mehrere andere Gäste, vom Klirren der Klingen aufgescheucht, waren nun hellwach. Sie starrten mich verblüfft an.

Ich bewegte die Klinge im Halbkreis, erwiderte ihren Blick. Doch niemand machte eine Bewegung zur Waffe.

Ich riß ein Stück von Surbus’ Tunika ab und säuberte mein Schwert damit. Er lag auf dem Rücken, ins Leere starrend, und Blut sprudelte ihm aus dem Mund.

Ich trat neben das Sklavenmädchen und löste ihre Fesseln. Dann sah ich um mich.

Der Wirt machte einen hastigen Schritt hinter seinem Tresen. Von den anderen Männern hatte sich niemand gerührt, obwohl viele zu Surbus’ Mannschaften gehörten.

Ich beugte mich über meinen Gegner.

Sein Blick war auf mich gerichtet, und er hob mit schwacher Geste die Hand. In seinen kleinen Augen war Schmerz. Er hustete Blut. Er schien sprechen zu wollen, brachte jedoch kein Wort heraus.

Ich steckte mein Schwert ein, ohne seinen Blick zu erwidern.

Das Sklavenmädchen war unansehnlich – mager mit schmalem Gesicht, knochigen Schultern und strähnigem Haar – ein armes Wesen.

Zu meiner Überraschung ging sie neben Surbus in die Knie und hielt seinen Kopf. Er starrte mich an und versuchte wieder zu sprechen.

»Bitte«, sagte das Mädchen zu mir.

Ich schaute sie verwirrt an. Sie schien den Verstand verloren zu haben. Begriff sie nicht, daß dieser Mann sie gefesselt den Urts zum Fraße vorgeworfen hätte?

Wieder hob er die Hand.

Das Mädchen blickte zu mir auf und sagte: »Bitte, ich bin zu schwach.«

»Was will er denn?« fragte ich unwirsch.

»Er möchte das Meer sehen«, sagte sie.

Ich schwieg.

»Bitte – ich schaffe es nicht allein.«

Ich bückte mich, legte mir den Arm des Sterbenden um die Schultern, hob ihn mit Hilfe des Mädchens hoch und schleppte ihn mit ihr durch die Küche der Taverne und Stufe um Stufe die schmale Treppe hinauf, die zum Dach führte.

Wir erreichten das Dach und zerrten Surbus zu der niedrigen Brüstung, hielten ihn in die Höhe und warteten. Der Morgen war kalt und feucht. Der Sonnenaufgang stand bevor.

Und dann kam die Morgendämmerung, und über den Gebäuden Port Kars, hinter der Masse von Dächern, jenseits des flachen, schlammigen Tambergolfs, in den sich der Vosk ergießt, sahen wir das schimmernde Thassa, das Meer. Ich erblickte es zum erstenmal.

Die rechte Hand Surbus’ berührte mich. Er nickte. Seine Augen hatten nichts Schmerzvolles oder Unglückliches mehr. Seine Lippen bewegten sich, doch dann hustete er, und noch mehr Blut strömte ihm übers Kinn, lief die Brust hinab, und plötzlich, mit einem Ruck erstarrte er, und dann sank sein Kopf auf die Seite, und er war eine tote Last in unseren Armen.

Wir legten ihn auf das Dach.

»Was hat er gesagt?« fragte ich.

Das Mädchen lächelte mich an. »Danke«, sagte sie. »Er hat dir gedankt.«

Ich stand müde auf und blickte auf das Meer hinaus.

»Es ist sehr schön«, sagte ich.

»Ja«, erwiderte das Mädchen.

»Lieben die Menschen in Port Kar das Meer?« wollte ich wissen.

»Ja, natürlich.«

Ich drehte mich zu ihr um. »Was wirst du nun tun?« fragte ich. »Wohin gehst du?«

»Ich weiß es nicht.« Sie senkte den Kopf. »Ich gehe fort.«

Ich streckte die Hand aus und berührte ihre Wange. »Tu das nicht«, sagte ich. »Folge mir.«

»Danke«, sagte sie.

»Wie heißt du?« erkundigte ich mich.

»Luma.«

Wir verließen das Dach und stiegen die lange, schmale Treppe hinab.

In der Küche kam uns der Wirt entgegen. »Surbus ist tot«, sagte ich zu ihm. Er nickte. Ich wußte, daß die Leiche in einen Kanal geworfen wurde.

Ich deutete auf Lumas Kragen. »Schlüssel«, sagte ich.

Der Mann brachte einen Schlüssel und entfernte den Sklavenkragen von Lumas Hals.

Wir verließen die Küche.

Im großen Gästezimmer der Taverne blieben wir stehen, und ich schob das Mädchen hinter uns.

Siebzig oder achtzig Bewaffnete warteten auf uns. Es waren Seeleute aus Port Kar. Ich erkannte viele wieder. Sie waren gestern abend mit Surbus in die Taverne gekommen und gehörten zu seinen Mannschaften.

Ich zog mein Schwert.

Einer der Männer trat vor, eine große, hagere, junge Gestalt, mit einem Gesicht, das die Spuren des Thassa trug. Er hatte graue Augen und große, rauhe Hände.

»Ich bin Tab«, sagte er. »Ich war Surbus’ Stellvertreter.«

Ich schwieg, ließ meinen Blick über die Gesichter wandern.

»Hast du ihn das Meer sehen lassen?« fragte Tab.

»Ja«, sagte ich.

»Dann«, sagte Tab, »stehen wir jetzt in deinen Diensten.«

10

Ich nahm meinen Platz im Rat der Kapitäne von Port Kar ein.

Das Ende der ersten Wartenden Hand war nahe, die Periode nach En’Kara, dem Monat der Frühling-Tagund-Nachtgleiche und des Jahreswechsels. In den Chroniken von Ar schrieben wir nun das Jahr 10.120. Ich lebte seit sieben goreanischen Monaten in Port Kar.

Niemand hatte mein Anrecht auf Surbus’ Platz in Zweifel gezogen. Seine Männer hatten sich meinem Kommando unterstellt.

So saß nun ich, der ich einmal Tarl Cabot gewesen war, ein Krieger Ko-ro-bas, im Rate dieser Kapitäne, der Handels- und Piratenführer, der hohen Oligarchen des schmutzigen, bösen Port Kar, der Geißel des Thassa. Tatsächlich ruhte in diesem Rat die Stabilität und Autorität der Stadt.

Formell standen fünf Ubars über uns, von denen jeder die Macht des anderen nicht anerkannte. Chung, Eteocles, Nigel, Sullius Maximus und Henrius Sevarius V.

Die Ubars waren im Rat vertreten, dem sie in ihrer Eigenschaft als Kapitäne ohnehin angehörten, und zwar durch fünf leere Thronsessel vor dem Halbkreis der Sitze, auf denen die Kapitäne Platz nahmen. Neben jedem leeren Thron verfolgte ein Schriftgelehrter die Ratsversammlungen und ergriff für seinen jeweiligen Herrn das Wort. Die Ubars selbst blieben den Zusammenkünften fern, wie sie sich aus Angst vor Attentaten überhaupt selten in der Öffentlichkeit zeigten.

Ein Schreiber, der an einem großen Tisch vor den fünf Thronsesseln saß, verlas mit monotoner Stimme die Aufzeichnung der letzten Ratsversammlung.

Gewöhnlich besteht der Rat aus etwa einhundertundzwanzig Kapitänen, manchmal mehr, manchmal weniger.

Ein Kapitän gehört automatisch dem Rat an, wenn er mindestens fünf Schiffe besitzt. Surbus war kein besonders wichtiger Kapitän gewesen, doch er hatte einer Flotte von sieben, später neun Schiffen vorgestanden. Diese Schiffe dürfen, um für die Ratsmitgliedschaft gezählt zu werden, entweder zu den Rundschiffen gehören, Einheiten mit großen Laderäumen, oder zu den Langschiffen, den Rammschiffen, die für die Kriegsführung bestimmt sind. Beide Gattungen werden hauptsächlich gerudert, doch die Rundschiffe haben eine feste Takelung und größere Segel, die im allgemeinen von zwei Masten getragen werden. Ein Rundschiff ist natürlich nicht rund, doch hat es im Verhältnis zur Kiellänge eine größere Breite, etwa im Verhältnis eins zu sechs, während diese Zahlen bei den Kriegsgaleeren eins zu acht betragen.