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In den Monaten, die ich nun in Port Kar lebte, hatte ich insgesamt fünf Reisen gemacht, von denen vier kommerzieller Natur gewesen waren. Ich hatte keine Auseinandersetzungen mit anderen Kapitänen. Wie der Bosk suchte ich keinen Streit, sondern beschränkte mich darauf, meinen Besitz zu schützen. Meine vier Reisen hatten neutralen Inseln gegolten, die als Freihäfen für Kaufleute galten. Es gab davon mehrere, doch die bekanntesten waren Teletus, Tabot weiter südlich und im Norden Scagnar. Farnacium, Hulneth und Asperiche gehörten ebenfalls zu den Oasen des Handels. Inseln dieser Art ermöglichen den Handel mit Cos und Tyros und dem Festland mit seinen Städten wie Ko-ro-ba, Thentis, Tor, Ar, Thuria und vielen anderen.

Meine Fracht auf diesen Reisen war unterschiedlich. Wegen der Kosten wählte ich zu Anfang noch keine kostbaren Ladungen – keine Edelmetalle oder Juwelen, keine Teppiche oder Wandbehänge oder Arzneien, Seide, Öle, Parfums oder Preissklaven, auch nicht Gewürze oder Kanister mit farbigem Tafelsalz. Auf meinen ersten Reisen gab ich mich mit Werkzeugen und Steinladungen zufrieden, mit Trockenfrüchten, eingelagerten Fischen, Reptuch, Temholz, Turholz und Ka-la-na-Vorräten, dazu Horn und Felle. Einmal beförderte ich auch eine Ladung Sklaven und ein anderes Mal Felle des Meeressleen aus dem Norden – eine Fracht, die bis dahin meine kostbarste war. Ich vermochte meine Waren jeweils mit erheblichem Profit zu verkaufen. Zweimal wurden wir von Piraten aus Tyros aufgespürt, deren Schiffe grün angestrichen waren, damit sie wie das Meer aussahen – doch keiner der Piraten kam uns näher. Wahrscheinlich sahen sie, wie tief wir im Wasser lagen, und schlossen daraus, daß wir eine wenig gewinnträchtige Fracht führten. Eine Ladung Holz oder Gestein ist kaum das Risiko eines Überfalls wert.

Meine Männer waren hauptsächlich Piraten und Halsabschneider. Zweifellos legten nur wenige auf ehrliche Handelsfahrten wert und hätten lieber auf dem Meer nach guter Beute gelauert. Aber die beiden Seeleute, die mich herausforderten, erledigte ich nach wenigen Schwerthieben, so daß die anderen ihre Anwandlungen von Unlust auf die Tavernen beschränkten. Wer seinen Dienst bei mir nicht fortsetzen wollte, durfte gehen und bekam sogar noch eine halbe Last Gold mit auf den Weg. Überraschenderweise wählten nur wenige diesen Weg – wahrscheinlich spielte dabei auch der Stolz mit, einem Mann zu dienen, der nach dem Kampf mit Surbus als einer der besten Schwertkämpfer der Stadt galt.

Ich versuchte, meine Mannschaft fair zu behandeln. Während sie sich an Land wild und ungezügelt benahmen, herrschte an Bord eine gute Disziplin. Natürlich bezahlte ich sie gut und sorgte auch dafür, daß ihre Landaufenthalte angenehm verliefen.

Die fünfte Reise, die ich unternahm, sollte meine Neugier befriedigen; ich hatte sie in einer schnellen Galeere zurückgelegt – ich wollte Tyros und Cos sehen.

Beide liegen etwa vierhundert Pasang westlich von Port Kar, Tyros im Süden von Cos, etwa hundert Pasang entfernt. Tyros ist eine felsige, bergige Insel, während Cos westlich seiner Gebirge weite Ebenen besitzt, auf deren Terrassen der Ta-Wein wächst.

Während ich meine fünf Reisen unternahm, waren meine anderen sechs Schiffe auf Handelsmissionen unterwegs. Ich kehrte selten nach Port Kar zurück, ohne daß mein Vermögen in meiner Abwesenheit weiter zugenommen hatte. Ich hatte bisher nur die fünf Reisen gemacht und mich in den vorausgegangenen beiden Monaten in meinem Anwesen mit geschäftlichen und organisatorischen Fragen beschäftigt, mit der Planung und Vorbereitung anderer Reisen. Aber ich rechnete damit, daß ich bald auf das Thassa zurückkehren würde, das – wie es heißt – jedem Menschen unvergeßlich ist.

Ich hatte inzwischen auch einige Neuerungen eingeführt. Ich verwendete auf meinen vier Rundschiffen freie Männer als Ruderer, nicht Sklaven, wie es sonst in Port Kar üblich ist. Das Kampfschiff, das Langschiff, wird meines Wissens in Port Kar, Tyros oder Cos ohnehin nicht von Sklaven gerudert; in ihm sitzen stets freie Männer. Die Galeerensklaven, die mir der Freiheit wert erschienen, setzte ich frei und stellte dabei fest, daß viele freiwillig bei mir bleiben wollten und mich als ihren Kapitän anerkannten. Männer die ich aus diesem oder jenem Grunde nicht freilassen wollte, verkaufte ich an andere Kapitäne oder tauschte sie gegen Sklaven ein, denen ich die Freiheit geben konnte. Lücken, die auf meinen Bänken entstanden, wurden auf diese Weise schnell gefüllt. Ich kaufte einen starken Mann auf dem Sklavenkai und ließ ihn wortlos frei. Unweigerlich folgte er mir zu meinem Haus und bat, in meine Dienste treten zu dürfen. Freie Männer leisteten nicht nur bessere Dienste am Ruder, viele ergriffen außerdem die Gelegenheit, sich an den Waffen ausbilden zu lassen, und ich stellte tüchtige Waffenmeister für den Unterricht ein. So wurden die Rundschiffe von Bosk, dem Kapitän aus den Sümpfen, zu gefährlichen, stets kampfbereiten Einheiten. Andere Kaufleute aus Port Kar wandten sich deshalb an mich und baten um den Transport ihrer Waren auf meinen Schiffen. Ich zog es jedoch vor, meine Frachten selbst zu kaufen und zu veräußern. Darauf begannen auch andere Kapitäne mit freien Mannschaften zu experimentieren.

Meine Aufmerksamkeit galt wieder der Ratsversammlung, die gerade einen Antrag auf eine neue Holzschonung behandelte. Zur Belieferung seines Arsenals unterhielt Port Kar mehrere solcher Schonungen in den nördlichen Wäldern. Sie sind von Gräben umgeben, um Vieh und unlizensierte Fuhrleute fernzuhalten. Wächter werden eingestellt, die die Wälder bewachen, sie vor illegalem Schlag schützen, dazu Inspektoren, die jedes Jahr die Bäume schätzen und zählen. Die Wächter sind auch für die Baumpflege, für das notwendige Ausdünnen und Umpflanzen zuständig, für das Trimmen der Bäume und für den Unterhalt der Schutzgräben. Sie sind ebenso verantwortlich für das Biegen und Befestigen von Jungbäumen, die in bestimmten Formen wachsen sollen, gewöhnlich für Bugspriet und Reling. Einzelne Bäume, die außerhalb der Schonungen von Port Kar beansprucht werden, erhalten das Siegel des Arsenals. Die Lage dieser Bäume ist in einem Buch festgehalten. Die Schonungen liegen gewöhnlich in der Nähe von Flüssen, damit gefällte Bäume leichter zum Meer gebracht werden können. Bäume werden außerdem von den Waldbewohnern erworben, die das Fällen im Winter besorgen und die Stämme auf Schlitten zum Meer schaffen. Hat es in einem Winter nur wenig Schnee gegeben, steigt der Holzpreis oft an. Port Kar ist übrigens völlig abhängig von den Holzlieferungen aus dem Norden. Turholz findet bei Galeerenwandungen Verwendung und für Relingstangen und Pfosten, das Ka-la-na wird zur Gangspills und Mastkörben verarbeitet; Temholz als Ruder und Steuerruder und die Nadelbäume für Masten und Spieren, Kabinen und Deckplanken.

Der Antrag passierte den Rat.

Wieder kam der Gedanke an Tyros und Cos in mir auf, doch ich unterdrückte meine Besorgnis. Ich hatte jetzt die Mittel, zwei weitere Schiffe für meine Flotte zu erwerben, zwei große Rundschiffe mit großen Laderäumen. Ich hatte bereits Mannschaften ausgewählt und einige Reisen vorbereitet. Jedes Schiff sollte von einer Galeere mittlerer Größe begleitet werden.

Ein Junge erschien plötzlich neben mir und reichte mir einen Zettel. Ich erkannte einen Pagen des Rates.

Die Nachricht war kurz. In Blockschrift stand darauf: ICH MÖCHTE MIT DIR REDEN. Die Unterschrift, ebenfalls in Blockschrift, lautete: SAMOS.

Ich zerknüllte das Papier in der Hand.

»Wer hat dir die Nachricht gegeben?« fragte ich den Jungen.

»Ein Mann«, sagte er. »Ich kenne ihn nicht.«

Ich sah Lysius, den Offizier mit den Goldstreifen am Helm, zu mir herüberstarren.

Ich wußte nicht, ob die Nachricht wirklich von Samos kam oder nicht. Wenn ja, dann wußte er irgendwoher, daß Tarl Cabot in Port Kar war. Aber wie hatte er das erfahren? Und wie hatte er die Verbindung zu Bosk gezogen? Zweifellos wollte er mich an den Dienst der Priesterkönige erinnern. Doch ich diente den Priesterkönigen nicht mehr – ich diente nur noch mir selbst.

Ich gedachte die Nachricht zu ignorieren.