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Es war kurz nach Sonnenaufgang, und das graue Licht der Morgendämmerung fiel bereits durch die schmalen Fenster des Ratssaals. Ich hatte die Nachricht, die angeblich von Samos stammte, aus dem Beutel genommen und sie mit langsamen Bewegungen in der Flamme meiner Lampe verbrannt. Nun löschte ich die kleine Flamme. Es war Tag.

»Ich vermute«, sagte Samos, »daß Cos und Tyros mit dem fehlgeschlagenen Staatsstreich des Hauses Sevarius zu tun haben.«

Ich wäre überrascht gewesen, wenn diese Vermutung nicht richtig gewesen wäre. Zustimmende Rufe wurden laut.

»Ich selbst bin des ewigen Streits mit Cos und Tyros müde«, fuhr Samos fort.

Die Kapitäne sahen sich fragend an.

»Nachdem nun in Port Kar der Rat herrscht«, sagte Samos, »wäre da nicht der Friede denkbar?«

Diese Wendung der Dinge verblüffte mich.

»Zwischen Port Kar und Cos und Tyros hat es immer Krieg gegeben«, bemerkte ein Kapitän hitzig.

»Wie ihr wißt, gehört Port Kar nicht zu den beliebtesten oder angesehensten Städten Gors«, sagte Samos beschwichtigend. »Beruht das nicht auf einem Mißverständnis unserer Motive?«

Diese Frage wurde mit Gelächter beantwortet. Auch ich lächelte. Port Kar wurde von den anderen goreanischen Städten nur zu gut verstanden.

»Denken wir an unseren Handel«, sagte Samos. »Ließen sich unsere Geschäfte nicht verdreifachen, wenn wir bei den goreanischen Städten als Stadt der Liebe und des Friedens gälten?«

Lautes Gelächter erschallte.

Als wieder Stille eintrat, klang plötzlich die Stimme des Kapitäns Bejar auf, der unter mir saß: »Ja, du hast recht.«

Alle schwiegen. Ich glaube, es gab niemanden, der jetzt nicht den Atem anhielt.

»Ich beantrage«, sagte Samos, »daß sich der Rat mit Cos und Tyros in Verbindung setzt und Friedensbedingungen anbietet.«

»Nein!« riefen die versammelten Kapitäne wie ein Mann. »Nein!«

Als sich der Tumult gelegt hatte, sagte Samos leise: »Natürlich werden unsere Bedingungen abgelehnt werden.«

Die Kapitäne sahen sich verwirrt an, begannen zu lächeln, platzten laut lachend heraus.

Samos war wirklich ein kluger Mann. Die Fassade der Großzügigkeit war wirklich ein wertvolles Gut für eine maritime Stadt. Man mochte Port Kar anderweitig mit größerem Vertrauen begegnen, nachdem die Machtergreifung des Rats nun die Möglichkeit eröffnete, die Stadt zu reformieren. Welch bessere Geste war da vorstellbar als eine Friedensmission gegenüber den Erzfeinden Cos und Tyros? Wenn die Fortsetzung des Kriegs eindeutig zu ihren Lasten ging, war es vielleicht möglich, daß sich Verbündete von den beiden Insel-Ubaraten zurückzogen und sich Port Kar zuwandten. Und die Wirkung auf die neutralen Häfen und Städte konnte nur vorteilhaft sein. Zumindest mochten Schiffe aus Port Kar plötzlich Zugang zu Häfen erhalten, die ihnen bisher verschlossen gewesen waren.

»Was ist aber, wenn das Friedensangebot angenommen wird?« fragte ich. Mehrere Kapitäne lachten.

Samos runzelte die Stirn, und seine grauen Augen starrten mich an. »Dann ist es eben angenommen«, sagte er.

»Und«, fragte ich, »halten wir uns dann an die Annahme? Wäre dann wirklich Frieden zwischen Port Kar einerseits und Cos und Tyros andererseits?«

»Das ließe sich immer noch bei einer künftigen Ratsversammlung besprechen«, sagte Samos lächelnd.

Brüllendes Gelächter.

»Die Gelegenheit ist günstig«, fuhr Samos fort, »Cos und Tyros den Frieden anzubieten. Erstens ist der Rat dieser Stadt neu an die Macht gekommen. Zweitens habe ich von Spionen erfahren, daß in dieser Woche der Ubar von Tyros auf Cos erwartet wird.«

Die Kapitäne murmelten ärgerlich. Es war kein gutes Zeichen für Port Kar, wenn der Ubar von Tyros einen Besuch in Cos machte. Vielleicht waren die beiden Insel-Ubarate wirklich in eine Verschwörung gegen Port Kar verwickelt.

»Dann planen sie sicherlich, ihre Flotten gegen uns zu schicken«, sagte einer der Kapitäne.

»Vielleicht könnten das die Mitglieder einer Friedensmission in Erfahrung bringen.«

»Was ist mit unseren Spionen«, fragte ich, »die so gut unterrichtet scheinen? Wenn sie die Reisepläne des Ubar von Tyros herausfinden können, dürfte ihnen die Zusammenziehung einer großen Flotte doch erst recht nicht entgehen.«

Samos’ Hand hatte sich unwillkürlich dem Schwertgriff genähert. »Du sprichst etwas zu fix für einen, der im Rat der Kapitäne neu ist.«

»Offenbar fixer als du zu antworten gewillt bist, nobler Kapitän«, antwortete ich kühl.

Ich fragte mich, welches Interesse Samos an Cos und Tyros haben mochte.

»Die Flotten von Cos und Tyros«, sagte er, »haben sich noch nicht versammelt.«

Ich nickte langsam. Wenn er das gewußt hatte, warum hatte er es nicht schon früher ausgesprochen?

»Ich habe weniger Interesse an Beutezügen als manche meiner Kollegen«, sagte ich. »Da meine Arbeit im wesentlichen den Handel betrifft, würde ich persönlich den Frieden mit Cos und Tyros überaus willkommen heißen. Es will auch mir nicht undenkbar erscheinen, daß diese beiden Mächte des Krieges überdrüssig sind, wie es Samos hier zum Ausdruck bringt. Wenn das stimmt, wird unser Friedensangebot vielleicht sogar tatsächlich angenommen. Ein solcher Frieden – glaube ich – würde uns die Häfen von Tyros und Cos öffnen, ebenso wie die ihrer Verbündeten. Ein solcher Friede, meine Herren Kapitäne, könnte sehr gewinnträchtig sein.« Ich blickte Samos an. »Wenn ein Friedensangebot ausgesprochen wird, so würde ich hoffen, daß es ehrlich gemeint ist.«

Samos musterte mich starr. »Es ist ehrlich gemeint«, sagte er.

Die Kapitäne murmelten. Ich war verblüfft.

»Bosk«, sagte Samos laut, »weiß die Vorteile des Friedens darzustellen. Bedenken wir seine Worte wohl. Ich glaube, es gibt hier nur wenige, denen Gold nicht mehr bedeutet als Blut. Wenn Friede geschlossen würde, wer von euch hielte ihn nicht?«

Er blickte von Mann zu Mann. Zu meiner Überraschung waren alle bereit, den Frieden einzuhalten, sollte er vereinbart werden.

Zum erstenmal wollte mir scheinen, als gäbe es wirklich eine Friedenschance für die wichtigsten Ubarate am schimmernden Thassa.

Plötzlich glaubte ich Samos. Ich sah zu ihm hinüber, versuchte mir über ihn klar zu werden. Er war ein seltsamer Mann. Ich verstand ihn nicht.

»Natürlich wird unser Friedensangebot abgelehnt«, sagte Samos. Die Kapitäne grinsten, und mir wurde bewußt, daß ich mich in Port Kar befand.

»Wir brauchen einen Mann, der unser Angebot nach Cos überbringt, wo er jetzt die Ubars von Cos und Tyros antrifft.«

Ich hörte kaum noch zu.

»Es müßte sich um einen Mann handeln, der im Rang eines Ratsmitglieds steht, der bewiesen hat, daß er zu handeln versteht, und der dem Rat schon zu Diensten gewesen ist, kurz: ein Mann, der zu sprechen weiß und ein würdiger Vertreter Port Kars ist.«

Ich war müde; der Tag war längst angebrochen.

»Außerdem sollte der Betreffende in Cos und Tyros nicht allzu gut bekannt sein, jemand, der die Machthaber dort noch nicht verärgert hat oder ihr Blutsfeind geworden ist.«

Plötzlich fuhr ich auf und lächelte. Samos war kein Narr. Er war Seniorkapitän des Rats. Er hatte mich aufs Korn genommen und würde mich nicht mehr loslassen.

»Und ein solcher Mann«, fuhr Samos fort, »ist Bosk – der aus den Sümpfen kam. Erwählen wir ihn zu dem Mann, der im Namen des Rats Cos und Tyros den Frieden anbietet!«