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»Folge mir«, sagte einer der Bewaffneten.

Fünfzig Meter entfernt hockte der Junge an der Mauer, nackt, in einen Umhang gehüllt. Er hatte sichtlich Angst.

»Wer bist du?« fragte Thurnock.

Der Junge schwieg.

»Man müßte ihn vertrimmen«, sagte Thurnock aufgebracht.

»Sind das deine Männer?« fragte mich der Junge.

»Ja.«

»Wer bist du?« wollte er wissen.

»Bosk.«

»Aus dem Rat der Kapitäne?«

Als ich nickte, glaubte ich Angst in seinen Augen zu sehen.

»Wer bist du?« erkundigte ich mich.

»Nur ein Sklave.«

»Zeig mir deine Hände.«

Widerstrebend gehorchte er. Sie waren glatt und makellos.

»Trägt er ein Brandzeichen?« fragte ich die Bewaffneten.

»Nein.«

»Da wir dich aus dem Kanal geholt haben, werden wir dich Fisch nennen. Und da du Sklave bist, erhältst du einen Kragen und wirst in meinem Haus dienen.«

Er starrte mich wütend an.

Der Junge, überlegte ich, konnte mir noch einmal nützlich sein. Fiel er dem Rat in die Hände, wurde er zweifellos gefoltert und aufgespießt oder zum Dienst auf einem Schiff gepreßt. Bei mir würde seine Identität geheimbleiben.

»Wer ist er denn?« fragte Thurnock und blickte hinter dem Jungen her, der von den Männern fortgetragen wurde.

»Natürlich Henrius Sevarius«, sagte ich.

13

»Malt meine Schiffe grün an«, hatte ich gesagt.

Wir schrieben die Fünfte Wartende Hand, vier Monate nach dem mißglückten Staatsstreich des Henrius Sevarius in Port Kar. Inzwischen war die Flagge Bosks, des Piraten, auf dem Thassa weithin gefürchtet.

Wie es dazu kam, möchte ich berichten.

Vor etwa drei Monaten fuhr ich mit meinem schnellsten Rammschiff, begleitet von meinen anderen beiden Rammschiffen und von fünf Kriegsschiffen des Arsenals, in den riesigen, befestigten Hafen von Telnus ein, der Hauptstadt des Ubarats Cos. Ich ließ mich an Land rudern und schickte das Boot zurück. Ich wollte allein vor die Ubars von Cos und Tyros treten – dies war mein Wunsch und gehörte zu meinem Plan.

Ich erinnere mich, wie ich vor den Thronsesseln stand, im riesigen Thronsaal von Cos.

Ich trug den Ubars der beiden Inselreiche nach bestem Vermögen die Vorschläge des Kapitänsrats von Port Kar vor, die Vorstellung von Frieden und vermehrtem Handel zwischen den beiden Ubaraten und der bösen Stadt im Voskdelta, Port Kar.

Der Ubar von Cos, Lurius aus Jad, und der Ubar von Tyros, Chenbar aus Kasra, der gerade einen Staatsbesuch in Cos absolvierte, hörten mich schweigend an, ohne Fragen zu stellen. Neben ihnen saß kostbar gekleidet und juwelengeschmückt Vivina, das Mündel von Chenbar. Es war kein Zufall, daß sie sich auch in Cos aufhielt. Sie sollte Lurius vorgestellt werden, damit der entscheide, ob er sie zur Gefährtin nehme. Ihr Körper sollte die beiden Insel-Ubarate verbinden. Ihr Schleier war durchsichtig, und ich sah, daß sie sehr schön war, wenn auch noch sehr jung. Mein Blick wanderte von ihr zu dem dicken Lurius aus Jad, Ubar von Cos, der wie ein Fleischberg auf seinem Thron ruhte. Chenbar aus Kasra dagegen, Ubar von Tyros, war ein hagerer Mann mit großen Augen und nervösen Händen. Ich bezweifelte nicht, daß er ein intelligenter Mann war, der mit Waffen umzugehen verstand.

Als, ich meinen Vortrag beendet hatte, stand Chenbar auf und sagte mit einem Blick auf Lurius: »Beschlagnahmt seine Schiffe!«

»Du wirst feststellen«, sagte ich, »daß meine Einheiten den Hafen von Telnus bereits verlassen haben.«

Der dicke Lurius sprang mit wabbelndem Bauch auf und schüttelte drohend die Faust.

»Soll das heißen, daß unser Friedensangebot abgelehnt ist.«

»Richtig«, sagte Chenbar, während Lurius noch um Worte rang.

»Dann gehe ich jetzt«, sagte ich.

»Ich glaube nicht«, sagte Chenbar lächelnd.

»Legt ihn in Ketten!« kreischte Lurius.

»Ich beanspruche die Immunität des Heralds.«

»Die wird dir verweigert!« schrie Lurius mit zornrotem Gesicht.

Ich streckte die Arme aus, und Stahlbänder schnappten um meine Handgelenke zu. »Wir haben euch den Frieden angeboten«, sagte ich.

»Und wir haben ihn ausgeschlagen!«

Ich hörte das Gelächter Vivinas; andere stimmten in das Lachen ein.

»Legt ihn an die Marktkette«, sagte Lurius schweratmend, »und verkauft ihn am Sklavenkai. Wenn du erst auf der Ruderbank eines Rundschiffes sitzt, hältst du dich vielleicht nicht mehr für so mutig und schlau, mein lieber Kapitän aus Port Kar.«

»Das werden wir sehen«, sagte ich, »Ubar.«

»Warte«, hörte ich Chenbars Stimme. »Ich möchte dir noch die noble Vivina vorstellen.« Und er deutete auf das verschleierte Mädchen.

»Ich möchte nicht einem Tarsk aus Port Kar vorgestellt werden«, fauchte das Mädchen.

»Wir wollen doch unsere guten Manieren nicht vergessen«, sagte Chenbar lächelnd.

Das Mädchen erhob sich und nickte kurz in meine Richtung.

»Welche Ehre für mich«, sagte ich.

»Tharlarion!« zischte sie.

»Eure berückende Schönheit, hohe Dame, ist eines Ubars aus Cos in der Tat würdig …«

Lurius grinste, während das Mädchen kaum eine Miene verzog. »… oder einem Kragen in Port Kar«, fügte ich hinzu.

Lurius sprang mit geballten Fäusten auf.

»Tötet ihn!« kreischte Vivina.

»Still«, sagte Chenbar. »Die noble Vivina ist, wie du zweifellos weißt, dem Ubar von Cos, Lurius, versprochen.«

»Das wußte ich nicht«, sagte ich.

»Ja«, bemerkte Chenbar. »Ich habe heute morgen mein Wort gegeben.«

Das Mädchen starrte mich wütend an, während Lurius grinste.

Chenbar lächelte und hob einen Arm. »Diese Gefährtenschaft wird unsere beiden Ubarate verbinden. Nach der Zeremonie werden sich unsere Flotten zusammentun, damit wir Port Kar einen Staatsbesuch abstatten können. Unsere Schiffe werden bereits ausgerüstet.«

»Und wann soll die Begegnung stattfinden?« fragte ich.

»Etwa um die sechste Wartende Hand«, erwiderte er.

»Du bist sehr freizügig mit deinen Informationen«, sagte ich.

»Naja«, sagte Chenbar, »wir sind ja hier unter Freunden.«

»Und unter Sklaven«, sagte das Mädchen mit vielsagendem Blick auf meine Fesseln.

»Ihr habt Geschäfte mit Ubar Henrius Sevarius aus Port Kar?«

Chenbar lächelte. »Wir haben mit seinem Regenten Claudius gesprochen.«

»Und was ist mit Henrius Sevarius selbst?«

»Der ist doch nur ein Kind ohne Macht.«

»Wem folgen seine Männer?«

»Natürlich Claudius«, sagte Chenbar. »Merk dir diesen Namen. Claudius soll Ubar von Port Kar werden.«

»Als Agent von Tyros und Cos.«

»Aber natürlich«, lachte Chenbar.

»Du weißt vielleicht nicht, daß Claudius’ und Henrius Sevarius’ Streitkräfte nicht das Kommando über die Stadt haben.«

»Unsere Informationen sind besser als du glaubst«, erwiderte Chenbar lächelnd. »Du kannst versichert sein, daß wir Claudius aus seiner jetzigen Lage befreien werden.«

»Du scheinst über die Ereignisse in Port Kar bestens informiert zu sein.«

»O ja«, sagte Chenbar. »Vielleicht möchtest du unseren wichtigsten Kurier kennenlernen – den Mann, der zu gegebener Zeit unsere Flotten in den Hafen von Port Kar führen soll?«

»Ja, das möchte ich gern.«

Aus einer Gruppe von Würdenträgern löste sich ein Mann. Er hatte langes schwarzes Haar, das mit einer roten Schnur im Nacken zusammengebunden war. Er trug in der Armbeuge einen Helm mit dem Büschel Sleenhaar, das ihn als Kapitän Port Kars auswies. Der Helm wies auch zwei goldene Streifen auf.

Ich hatte Samos erwartet.

»Lysius ist mein Name«, sagte der Mann. »Du kennst mich, Bosk.«

Ich lächelte. Er hatte mit einer Handvoll Männer aus der Festung des Henrius Sevarius fliehen können, einen Tag nachdem wir den Jungen aus dem Kanal gefischt hatten. Darauf waren die Wachen verstärkt worden.

»Ja«, sagte ich. »Ich erinnere mich vielleicht besser an dich, als du denkst.«

»Was soll das heißen?« fragte er.