Er grinste. »Ja, Kapitän«, sagte er und rief seinem Keleustes zu: »Höchste Schlagzahl!«
Die Ramme des angreifenden Schiffs fand ihr Ziel nicht. Schnell wie ein Sleen huschten wir ihr aus dem Weg, glitten an ihr vorüber, ließen sie zurück. Der Kapitän ließ vor Überraschung nicht einmal das Feuer eröffnen, sondern drehte langsam und offenbar auch erleichtert in Richtung Cos ab.
Ich lachte. Ich hatte ihn aus dem Kampf genommen.
Die Auseinandersetzung um die Schatzflotte hatte den erwarteten Ausgang genommen. Von den vierzig Tarnschiffen des Geleitschutzes waren dreißig durch uns fortgelockt worden. Ich selbst hatte vier beschädigt oder vernichtet und ein fünftes aus dem Kampf ausgeschaltet. Als meine anderen elf Schiffe nun nacheinander zur Schatzflotte zurückkehrten, vermochten sie Ähnliches zu berichten. Einige Feindschiffe hatten sich auf ihrer Rückkehr von der Jagd jedoch neu formieren können, so daß jetzt irgendwo auf dem Thassa eine Flotte von etwa zehn feindlichen Tarnschiffen unterwegs sein mochte, die immer noch eine Gefahr darstellten. Bisher hatten sie sich jedoch nicht sehen lassen. Die anderen Feindschiffe waren schwer beschädigt, versenkt oder vertrieben worden. Während meine zwölf Schiffe verfolgt wurden, hatten sich die übrigen achtzehn Schiffe meiner Flotte auf die Tarnschiffe gestürzt, die bei der Schatzflotte geblieben waren. Unter Anwendung der elementaren Dreieckstaktik, bei der zwei Schiffe aus verschiedenen Richtungen gegen ein Schiff vorgehen, das sich nur einem der Angreifer wirkungsvoll zuwenden kann, hatten meine Schiffe in kurzer Zeit sieben der zehn verbleibenden Rammschiffe vernichtet. Zwei waren geflohen, und ein Schiff lag noch zwischen den anderen Einheiten. Einige der Rundschiffe hatten sich klugerweise verstreut und ihr Heil in der Flucht gesucht, doch von den dreißig Schatzschiffen insgesamt waren zweiundzwanzig von unseren Fahrzeugen umringt. Ein weiteres wurde gerade von einem meiner Rammschiffe zur Flotte zurückgetrieben.
Ich hatte es nicht eilig, gegen die Rundschiffe vorzugehen. Sie waren mir sicher. Mir lag daran, die sieben flüchtigen Schatzschiffe aufzutreiben. Deshalb machte ich mich daran, aus den zur Schatzflotte zurückkehrenden Rammschiffen Verfolgungsgruppen für die fehlenden Schiffe zusammenzustellen. Ich ließ zehn Tarnschiffe gezielte Suchaktionen vornehmen, in der Hoffnung, noch einige Einheiten aufzutreiben. Fünf davon sollten eine Netzformation in Richtung Cos bilden, die wahrscheinlichste, wenn auch nicht die klügste Fluchtrichtung unserer Gegner. Blieben die Bemühungen dieser Schiffe fruchtlos, sollten sie nach Ablauf von zwei Tagen nach Port Kar zurückkehren. Nachdem meine anderen elf Schiffe ausnahmslos zurückgekehrt waren, blieben somit noch zwanzig Rammschiffe bei den Schatzfahrzeugen, mehr als genug, um etwa zurückkehrende Feindschiffe abzuwehren.
Ich ließ auf der Dorna den Hauptmast wieder aufrichten und stieg selbst in den Korb des Ausgucks. Von dort aus betrachtete ich meine dreiundzwanzig Rundschiffe – und war nicht unzufrieden.
Der Mastkorb schwankte heftig hin und her. Ich hob das Fernglas an die Augen. Von den dreiundzwanzig Rundschiffen eingeschlossen lag eine lange Galeere, ein purpurnes Schiff, das die purpurne Flagge von Cos zeigte. Es war ein schönes Schiff – und seine Flagge war mit Gold eingefaßt, die Admiralsflagge, das Zeichen, daß ich das Flaggschiff der Schatzflotte vor mir hatte.
Ich ließ das Fernglas zuschnappen und stieg auf der schmalen Strickleiter wieder nach unten.
»Thurnock«, sagte ich, »zieh die Flaggen auf – wir übernehmen die Beute.«
»Ja, Kapitän«, sagte er.
Ich rechnete nicht mit Widerstand beim Entern der Rundschiffe – und diese Vermutung bewahrheitete sich. Dafür gab es mehrere Gründe. Die Rundschiffe waren zusammengetrieben worden und konnten nicht manövrieren. Sie waren außerdem langsamer als meine Rammschiffe, konnten sich also kaum zur Wehr setzen. Und ihre Rudersklaven wußten längst, daß die siegreiche Flotte Bosk, dem Kapitän aus den Sümpfen, gehörte.
Meine Männer erkletterten Schiff um Schiff und trafen nur selten auf Widerstand. Die freien Mannschaften dieser Schiffe befanden sich hoffnungslos in der Minderzahl. Ein Rundschiff, das bis zu zweihundert gefesselte Rudersklaven an Bord haben kann, führt selten eine freie Mannschaft von mehr als zwanzig oder fünfundzwanzig Mann, sofern nicht ein Kampf bevorsteht. Überdies sind diese fünfundzwanzig Mann in erster Linie Seeleute und keine Soldaten.
Die Dorna dagegen hatte eine freie Mannschaft aus zweihundertundfünfzehn Mann, die zudem alle im Umgang mit den Waffen trainiert waren.
Eine Ahn später trat ich über eine Planke an Deck des Flaggschiffs der Schatzflotte. Das Schiff befand sich ebenfalls längst in unserer Hand.
Eine große, bärtige Gestalt in purpurnem Umhang kam mir entgegen. »Ich bin Rencius Ho-Bar aus Telnus. Admiral der Schatzflotte von Cos und Tyros.«
»Legt ihn in Ketten«, sagte ich zu meinen Männern.
Der Admiral starrte mich aufgebracht an.
Ich wandte mich an Clitus, der das Schiff des Admirals bereits durchsucht hatte. »Habt ihr die Ladeliste gefunden?« fragte ich.
Er überreichte mir ein großes Buch, das mit goldener Schnur zusammengebunden und versiegelt war – das Siegel Chenbars, des Ubar von Tyros.
Ich erbrach das Siegel und öffnete die Frachtliste. Meine Beute fiel über alle Maßen reichlich aus.
Während ich die Listen durchsah, erklangen hier und dort auf den Rundschiffen die Jubelschreie der befreiten Sklavenmannschaften, während die freien Mannschaftsmitglieder in Ketten gelegt wurden.
Ich warf einen Blick auf die goldgefaßte purpurne Flagge. »Holt die Fahne ein«, sagte ich zu Thurnock, »und zieht die Fahne von Bosk auf.«
»Ja, Kapitän«, sagte Thurnock.
»Admiral!« protestierte der Admiral der Schatzflotte.
»Bringt ihn fort«, befahl ich, und der Gefesselte wurde fortgezerrt.
Ich ließ das Buch zuklappen. »Wenn diese Zahlen stimmen«, sagte ich zu Clitus, »verfügen die Kapitäne aus Port Kar ab heute über große Reichtümer.«
Er lachte.
»Der Anteil des Arsenals ist achtzehn von dreißig Anteilen.« Achtzehn Schiffe in meiner Flotte hatten dem Arsenal gehört; ein entsprechender Anteil der Beute fiel den Kapitänen der Stadt zu, während ich mir die restlichen zwölf Anteile vorbehalten hatte, ebenso wie alle Sklaven.
»Kapitän«, sagte jemand.
»Ja?«
Ein Seemann stand neben mir. »Die noble Vivina«, sagte er, »bittet euch vorgestellt zu werden.«
»Gut«, sagte ich. »Sage ihr, daß ihre Bitte gewährt ist.«
Wieder öffnete ich das Frachtenbuch. Als ich den Kopf hob, sah ich Vivina vor mir stehen. Bei meinem Anblick zuckte sie sichtlich zusammen.
Ich grinste sie an.
Sie hatte die Hand vor den Schleier gepreßt und die Augen aufgerissen. Sie trug eine prächtige Robe der Verhüllung aus schimmerndem Brokatstoff. Der Schleier war purpurn und mit Gold besetzt.
»Ich bin Vivina«, sagte sie. »Aus der Stadt Kasra auf Tyros.«
Ich nickte. »Du magst mich Bosk nennen. Ich bin Kapitän aus Port Kar.«
Hinter Vivina standen zwei Mädchen von vornehmer Abkunft.
»Ich nehme an«, sagte sie, »daß ich deine Gefangene bin.«
Ich schwieg.
»Du wirst natürlich eine schwere Strafe für deine Tat erhalten.«
Ich grinste.
»Wie du weißt, bin ich als Freie Gefährtin Lurius, Ubar von Cos, versprochen. Mein Lösegeld wird also hoch ausfallen.«
Ich deutete auf die beiden Mädchen hinter Vivina. »Wie viele von der Sorte sind an Bord?« wandte ich mich an Clitus.
»Vierzig«, lautete die Antwort.
»Sie stehen aber nicht auf der Frachtliste.«
Clitus nickte, während sich die Mädchen unruhige Blicke zuwarfen.
»Meine Mädchen werden auch ausgelöst, obwohl die Beträge für sie natürlich nicht so hoch sein werden wie für mich.«
»Wie kommst du darauf, daß wir ein Lösegeld für dich verlangen?«
Sie starrte mich sprachlos an.
»Nimm den Schleier ab!«
Als sie sich weigerte, halfen meine Männer nach. Sie war atemberaubend schön, und ihre beiden Begleiterinnen standen ihr wenig nach.