»Die noble Vivina«, sagte ich zu Clitus, »wird unseren Bug verschönen, das Flaggschiff der Schatzflotte.«
»Nein!« kreischte sie kreidebleich.
»Und die anderen Mädchen sollen auf die Bugspriete unserer Schiffe und der Rundschiffe verteilt werden – das schönste Mädchen natürlich für die Dorna.«
»Ja, Kapitän«, sagte Clitus.
Ich wandte mich ab, nahm das Frachtbuch zur Hand und vertiefte mich wieder in die Liste der Schätze.
Innerhalb einer Ahn waren wir abfahrtbereit. Als es soweit war ließ ich den Admiral der Schatzflotte, Rencius Ho-Bar, in Ketten zu mir bringen.
»Ich schicke ein Rundschiff nach Cos«, sagte ich. »Du wirst mit einigen Seeleuten angekettet auf seinen Ruderbänken sitzen. Außerdem stelle ich dir von unseren Gefangenen zehn freie Männer, sechs Seeleute, zwei Rudergänger, einen Rudermeister und einen Keleustes zur Verfügung. Das Schiff wird ausreichend Vorräte erhalten, und ihr werdet den Rückweg in fünf Tagen schaffen.«
»Du bist großzügig«, sagte der Admiral niedergeschlagen.
»Solltest du dich entschließen, nach Telnus zurückzukehren, wirst du sicher einen einigermaßen umfassenden und wahrheitsgemäßen Bericht über die Ereignisse hier abgeben.«
»Zweifellos wird man ein entsprechendes Ansinnen an mich stellen«, sagte der Admiral lächelnd.
»Damit deine Information möglichst komplett ist, teile ich dir jetzt mit, daß sich zumindest bis jetzt sieben von deinen Schatzschiffen meinem Zugriff entzogen haben. Ich rechne jedoch damit, daß ich einige noch aufgreife. Was die Tarnschiffe angeht, so habe ich eins gekapert, dein Flaggschiff, und nach den Berichten meiner Kapitäne sind etwa achtzehn oder zwanzig ernsthaft beschädigt oder gar versenkt worden. Damit bleiben dir zehn oder auch zwölf Schiffe, die sich noch auf dem Thassa herumtreiben.«
In diesem Augenblick ertönte vom Vormast eines nahegelegenen Rundschiffs ein Ruf: »Zwölf Segel! Zwölf Segel backbord!«
»Ah!« sagte ich. »Also zwölf Schiffe.«
»Sie werden kämpfen!« rief der Admiral. »Du hast noch nicht gewonnen!«
»Zweifellos werden sie ihre Masten umlegen«, sagte ich, »aber ich glaube nicht, daß sie kämpfen.«
Er starrte mich mit geballten Fäusten an.
»Thurnock«, sagte ich. »Gib siebzehn von meinen zwanzig Schiffen Befehl, sie sollen sich unseren herannahenden Freunden entgegenstellen. Zwei sollen auf der entgegengesetzten Seite der Schatzflotte bleiben. Die Dorna bleibt zunächst hier. Die siebzehn Schiffe ziehen nur mit der Dorna in den Kampf, und unter keinen Umständen dürfen sie sich mehr als vier Pasang von der Flotte entfernen.«
»Ja, Kapitän«, sagte Thurnock und machte kehrt.
Bald flatterten die Signalflaggen an den Masten. Vorbereitungen zum Gefecht liefen an. Siebzehn Einheiten setzten sich in Bewegung, glitten den herannahenden zwölf Schiffen entgegen. Die Rudermannschaft der Dorna saß einsatzbereit, gewappnet für den Augenblick, da ich an Bord kam.
»Sie legen die Masten um!« ertönte der Ruf des Ausgucks.
Sollte der Gegner auf zwei Pasang herankommen, wollte ich auf die Dorna übersteigen.
Ich wandte mich an den Admiral, der neben mir auf dem Achterdeck stand. »Möchtest du darauf wetten, daß sie noch weiter herankommen?«
»Sie werden kämpfen!« sagte er.
Auch Vivina, die für den Bug fertiggemacht wurde, beobachtete die herannahende Flotte.
Dann stieß der Admiral einen Wutschrei aus.
Die zwölf Schiffe drehten bei und nahmen Kurs auf Cos.
»Bringt den Admiral fort«, sagte ich zu Thurnock. »Und fesselt die Frau an den Bug!«
15
Unsere Rückkehr nach Port Kar war triumphal.
Ich trug das Purpur eines Flottenadmirals, eine goldene Kappe mit Quaste und Goldstreifen an den Ärmeln und an den Säumen meiner Robe.
Meine Hüfte zierte ein juwelenbesetztes Schwert, nicht mehr die Klinge, die ich in den langen Jahren meines Dienstes für die Priesterkönige getragen hatte. Dieses Schwert hatte ich kurz nach meiner Ankunft in Port Kar zur Seite gelegt und andere Waffen erworben. Irgendwie hatte ich das Gefühl, daß ich dieses Schwert nicht länger tragen konnte. Es wurzelte zu sehr in meiner Vergangenheit, sein Stahl war mit zu vielen Erinnerungen befleckt. Es erinnerte mich an ein altes Leben, das Leben eines Toren, das ich, weise geworden, überwunden hatte. Außerdem – und das war noch wichtiger – war es mit seinem schlichten Griff und der ungeschmückten Klinge zu schlicht und anspruchslos für einen Mann meiner Stellung, für einen der wichtigsten Männer einer der größten Hafenstädte auf Gor. Ich war Bosk, ein einfacher, aber kluger Mann, der aus den Sümpfen gekommen war, Port Kar im Sturm erobert hatte und der nun die anderen Städte Gors mit seiner Klugheit und seiner Klinge verblüffte – und jetzt auch mit seiner Macht und seinem Reichtum.
Meinen zehn Suchschiffen war es gelungen, fünf von den fehlenden sieben Schatzschiffen aufzubringen, von denen vier direkt auf Cos zugehalten hatten. Die Welt, dachte ich, ist doch voller Narren. Es gibt Narren und Weise, und vielleicht zum erstenmal in meinem Leben vermochte ich mich getrost zu den letzteren zu zählen.
Ich stand am Bug des langen purpurnen Schiffs, das einmal das Flaggschiff der Schatzflotte gewesen war. Auf den Dächern und in den Fenstern der Gebäude an den Kais drängten sich die Menschen, und ich hob die Hand und nahm ihren Beifall entgegen. Hinter mir bewegten sich die Schiffe in einer herrlichen Linie – zuerst die Dorna, dann die Tarnschiffe, dann die Rundschiffe; sie glitten durch die Stadt, folgten dem Triumphweg der Kanäle am Haus des Kapitänsrats vorbei.
Blumen waren in den Kanal geworfen worden, Blüten wurden zu uns auf die Schiffe geschleudert.
Das Jubelgebrüll war ohrenbetäubend.
Ich hatte verfügt, daß aus meinem Anteil der Beute jeder Arbeiter im Arsenal ein Goldstück erhalten sollte und jeder Bürger der Stadt einen Silbertarsk.
Lächelnd hob ich die Hand und winkte. Nur wenige Männer, so dachte ich, durften je einen solchen Triumph genießen!
Und so seltsam es auch erscheinen mochte, ich freute mich auf das Wiedersehen mit Midice, meiner Lieblingssklavin. Ich wollte mich mit meinen neuen Roben und Schätzen vor ihr brüsten. Ich konnte ihr nun Kleider und Juwelen schenken, die eine Ubara neidisch machen mußten. Ich konnte mir das Staunen ihrer Augen vorstellen, wenn sie die wahre Größe ihres Herrn begriff, ihre Freude, ihren Eifer.
Ich war zufrieden.
Wie einfach es doch ist, ein wirklicher Mann zu sein, mächtig und rücksichtslos, man braucht nur das Zögern und die Bedenken beiseitezuschieben, mit denen sich die Schwachen und die Toren belasten und zu Gefangenen ihrer selbst und ihres Glücks machen. Mit meiner Heimkehr nach Port Kar schmeckte ich zum erstenmal wirkliche Freiheit.
Ich hob die Hand. Blumen fielen um mich auf Deck. Ich warf einen Blick auf das Mädchen, das vor mir an den Bug gefesselt worden war, Vivina, meine Beute.
Ich war Bosk, der tun konnte, was er wollte. Hatte es je einen größeren Triumph in Port Kar gegeben?
Ich führte achtundfünfzig Schiffe in den Hafen – das Flaggschiff der Schatzflotte, Vivina am Bug, die Dorna, die anderen neunundzwanzig Schiffe, die meine ursprüngliche Flotte gebildet hatten, und als Prisen, gefüllt mit Schätzen, die ein Lösegeld für eine ganze Stadt darstellen mochten, siebenundzwanzig von den dreißig Rundschiffen der Schatzflotte von Cos und Tyros.
»Dies ist Port Kar«, sagte ich zu Vivina.
Sie schwieg.
Das Flaggschiff, dessen Ruder langsam das Wasser teilten, suchte sich majestätisch seinen Weg zwischen den Gebäuden am großen Kanal.
In den fünf Tagen unserer Reise vom Schauplatz des großen Gefechts mit der Schatzflotte hatte ich Vivina und die anderen Mädchen natürlich nicht ständig an den Bugsprieten hängen lassen; sie waren dort nur im Augenblick des Sieges und jetzt für den Einzug in Port Kar angebunden worden.
Ich erinnerte mich, wie ich Vivina am ersten Abend im Lichte der Fackeln zu mir bringen ließ. Ich empfing sie in der Admiralskabine, an Bord des Flaggschiffs.