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Ich starrte Telima an, die neben mir stand. In ihren Augen standen Tränen. Es ärgerte mich, daß die anderen im Saal ebenso gebannt waren, daß sie dem Sänger und seinen Nichtigkeiten Aufmerksamkeit schenkten, den bedeutungslosen Lauten aus dem Mund eines Blinden.

Ich dachte daran, daß Telima nur ein Rencemädchen war und wahrscheinlich noch nie einen Sänger gehört hatte. Ich überlegte, ob ich sie in die Küche schicken sollte, sah dann aber davon ab.

Im flackernden Schein der Fackeln setzte der Sänger sein Lied fort. Er sang vom düsteren Pa-Kur, dem Anführer der Attentäter und der Horden, die nach dem Diebstahl des Heimsteins über Ar hereinbrachen, er sang auch von Fahnen und schwarzen Helmen, von Standarten und von der Sonne, die auf Speerspitzen blitzte, von riesigen Belagerungstürmen, von Katapulten aus Ka-la-na und Tem-Holz, vom Donnern der Kriegstharlarion, von Rollen der Trommeln, vom Schallen der Trompeten, vom Klirren der Waffen und dem Geschrei der Männer; und er sang von der Liebe der Menschen für ihre Stadt, und törichterweise, wußte er doch so wenig vom Menschen, besang er auch den Mut der Männer und ihre Loyalität und ihre Anhänglichkeit; er sang von Duellen, die auf den Mauern Ars und am großen Tor ausgefochten wurden, und von Tarnreitern, die bis zum Tode über den Zylindern der Stadt kämpften – und von einem ganz bestimmten Zweikampf, der auf Ars Justizzylinder ausgetragen wurde, zwischen Pa-Kur und dem Mann, der in seinem Lied Tarl aus Bristol genannt wurde.

»Warum weint mein Ubar?« fragte Telima.

»Sei still, Sklavin!« fuhr ich sie an. Ärgerlich schob ich ihre Hand von meiner Schulter.

Der Sänger hatte sein Lied beendet.

»Sänger!« rief ich ihm zu. »Gibt es diesen Tarl aus Bristol wirklich?«

Der Sänger wandte den Kopf in meine Richtung. »Ich weiß es nicht«, sagte er. »Vielleicht ist das alles nur ein Lied.«

Ich lachte, reichte Telima meinen Pagakelch, den sie füllte. Dann stand ich auf und hob den Kelch.

»Es gibt Gold und Stahl!« sagte ich.

»Gold und Stahl!« riefen meine Leute im Chor. Wir tranken.

»Und Lieder«, sagte der blinde Sänger.

Es war still im Saal.

Ich sah den Mann an. »Ja«, antwortete ich und hob den Kelch in seine Richtung. »Und Lieder.«

Ein Freudenschrei klang auf, und wieder tranken wir.

Als ich mich setzte, sagte ich zu den Dienstsklaven: »Bewirtet den Sänger gut.« Dann wandte ich mich an Luma, die gefesselt am Ende des Tisches saß. »Morgen soll der Sänger, ehe er weiterwandert, einen Beutel Gold erhalten.«

»Ja, Herr«, sagte das Mädchen.

»Dank sei dir, Kapitän!« rief der Sänger.

Die Gäste freuten sich über meine Großzügigkeit, und viele schlugen sich applaudierend mit der rechten Hand gegen die linke Schulter.

Zwei Sklavenmädchen führten den Sänger an einen Tisch in einer Ecke des Saals, während ich mich wieder meinem Paga zuwandte.

Ich war wütend. Dieser Tarl aus Bristol lebte nur in Liedern. Einen solchen Mann gab es nicht. Wenn es darauf ankam, hatten nur Gold und Macht und die Körper schöner Frauen Bedeutung – und vielleicht doch auch Lieder, die aus den Mündern von Blinden erklangen? Ich war Bosk, Kapitän aus den Sümpfen, Admiral in Port Kar!

»Sandra!« rief ich. »Holt Sandra!«

Jubelgeschrei wurde laut.

Ich sah mich um. Es war wirklich eine Siegesfeier. Es betrübte mich nur, daß Midice nicht bei mir war. Sie hatte sich nicht wohlgefühlt und gebeten, in meinem Quartier bleiben zu dürfen, was ich ihr gewährt hatte. Tab nahm ebenfalls nicht an dieser Siegesfeier teil.

Im nächsten Augenblick ertönten Sklavenglocken, und Sandra, das Tanzmädchen aus Port Kar, das ich in einer Pagataverne entdeckt hatte, stand vor ihrem Herrn.

Sie war seit langem bemüht, das erste Sklavenmädchen des Hauses zu werden, doch ich hatte sie bisher meinen Männern überlassen. Die schöne, dunkelhaarige, schlanke Midice war das Mädchen meines Herzens, meine Lieblingssklavin.

Trotzdem war Sandra interessant. Es konnte nicht schaden, wenn Midice ein wenig Konkurrenz bekam.

Sandra hatte hohe Wangenknochen, blitzende schwarze Augen und pechschwarzes Haar. Sie war in einen schimmernden Umhang gekleidet.

Bei dem nun folgenden Tanz ließ ich sie keinen Augenblick aus den Augen. Golden schimmernd im Licht der Flammen, aufschreiend, stampfend, sich anmutig wiegend, so tanzte sie vor uns, ehrfürchtig bestaunt von, den Männern meines Hauses.

Sie drehte sich und wand sich, wie von eingebildeten Fesseln gehalten, fiel jedoch immer wieder in den Rhythmus der Musik ein. Sie war großartig.

Die Musik ging mit einem Crescendo zu Ende, und begeisterter Applaus klang auf. Auch ich war begeistert.

»Zu mir!« rief ich, und mit katzengleicher Gewandtheit eilte das Mädchen zu meinem Thronsessel und kniete mir zu Füßen nieder. Sie blickte auf, schweratmend, schwitzend, mit schimmernden Augen.

»Dein Tanz war nicht uninteressant«, sagte ich.

Sie legte eine Wange gegen mein Knie.

»Ka-la-na!« rief ich.

Eine Schale Wein wurde gebracht. Ich packte sie am Haar, zog ihren Kopf zurück, flößte ihr Wein ein.

»Habe ich dir gefallen?« fragte sie schließlich.

»Ja.«

»Dann schicke mich nicht zu deinen Männern zurück«, sagte sie. »Behalte Sandra für dich.«

»Das werden wir sehen. Midice ist sehr gut.«

»Sandra ist besser«, sagte das Mädchen. »Du brauchst mich nur auszuprobieren.«

»Vielleicht«, sagte ich, fuhr ihr mit der Hand durchs Haar und ließ sie neben meinem Sessel niedersitzen. Wie eine zufriedene Katze hockte sie zu meinen Füßen und genoß die neidischen und haßerfüllten Blicke der anderen Sklavinnen, die ringsum im Saal bedienten.

»Das Gold, Kapitän«, sagte einer meiner Schatzwächter.

Ich hatte für die Männer meines Hauses eine kleine Überraschung parat.

Auf die Plattform, auf der mein Sessel und mein Tisch standen, hievte er einen schweren Ledersack mit goldenen Tarnmünzen doppelten Gewichts, Münzen aus Cos und Tyros, aus Ar und Port Kar, selbst aus Thentis und Thuria, die fern im Süden lagen. Er stellte den Sack neben meinen Sessel.

Nur die Männer, die ganz in der Nähe feierten, sahen den Beutel dort stehen.

»Holt das Sklavenmädchen aus Tyros!« befahl ich.

An den Tischen wurde gelacht.

Ich hob meinen Pagakelch, der jedoch nicht gefüllt wurde. Ärgerlich sah ich mich um. Einem vorbeieilenden Sklavenmädchen rief ich zu: »Wo ist Telima?«

»Sie war doch noch eben hier!«

»Sie ist in die Küche gegangen!« rief ein anderes Sklavenmädchen.

Ich hatte ihr nicht erlaubt, sich zu entfernen.

»Ich schenke dir Paga ein«, sagte Sandra.

»Nein«, sagte ich und hielt den Pagakelch in die andere Richtung. Dann wandte ich mich an eine Sklavin. »Telima soll ausgepeitscht und wieder hierhergeschickt werden. Ich brauche Bedienung!«

»Ja, Herr«, sagte das Mädchen und eilte fort.

Ketten klirrten, und Vivina wurde zur Freude der Gäste vor meinen Tisch geführt. Ich spürte eine Bewegung neben mir und sah, daß Telima ihren Platz wieder eingenommen hatte. Tränen standen ihr in den Augen. Ich bezweifelte nicht, daß sie nun die Striemen der Peitsche des Küchenmeisters auf dem Rücken trug. Ich hielt ihr meinen Pagakelch hin, und sie füllte ihn.

Ich musterte Vivina, die von allen Seiten angestarrt wurde. Sogar einige Sklaven waren stehengeblieben und blickten herüber; auch Fisch starrte sie an.

»Sei gegrüßt, noble Vivina«, sagte ich zu ihr.

»Ist das der Name, mit dem du mich anreden willst?« fragte sie.

»Löst ihr das Haar!« sagte ich.

Der Mann, der sie zu mir geführt hatte, gehorchte. Das lange Haar fiel ihr über die Schultern herab. Ein bewunderndes Murmeln wurde laut.

»Knie nieder!« befahl ich, und sie gehorchte.

»Du bist Vina«, sagte ich.

Sie neigte den Kopf in Bestätigung des Namens, den ich ihr gegeben hatte. Dann blickte sie auf. »Ich beglückwünsche meinen Herrn«, sagte sie. »Es ist ein ausgezeichneter Name für ein Sklavenmädchen.«