»Was sind deine Pflichten, Sklavin?« fragte ich.
»Der Herr hat sie mir noch nicht genannt«, erwiderte sie.
Ich musterte Vina, früher die noble Vivina, die einmal Ubara von Cos werden sollte – jetzt eine Sklavin im Hause Bosks aus Port Kar.
»Ja, welche Tunika soll ich für dich holen lassen?« fragte ich. »Die Tunika einer Haussklavin? Oder die Glöckchen und das Seidengewand einer Vergnügungssklavin?«
Sie schwieg.
Aus dem Beutel neben mir, der viele Goldstücke enthielt, zog ich ein kleines zusammengefaltetes Kleidungsstück und warf es dem Mädchen zu.
Sie fing es auf. »Nein!« rief sie.
Ich lachte. »Zieh es an!« befahl ich.
Gelächter brandete auf, als sie die knappe Tunika einer Küchensklavin überstreifte.
»In Cos wärst du Ubara geworden«, sagte ich. »In meinem Hause wirst du in der Küche arbeiten.«
Mit zornrotem Gesicht und geballten Fäusten starrte mich Vivina an.
»Küchenmeister!« rief ich.
»Hier, Kapitän!« erwiderte Tellius aus dem Hintergrund.
»Tritt vor!«
Der Mann näherte sich meinem Tisch.
»Hier«, sagte ich, »hast du ein neues Mädchen für die Küche.«
»Eine Schönheit«, sagte er lachend und ging um Vina herum.
»Fisch!« rief ich. »Wo ist der Sklave Fisch?«
»Hier!« rief er und trat vor.
Ich deutete auf das Mädchen. »Findest du die Sklavin hübsch?« fragte ich.
Er starrte mich verwirrt an. »Ja«, erwiderte er.
»Dann soll sie dir unterstehen.«
»Nein! Nein!« rief das Mädchen.
»Ich glaube, die Arme des Sklaven Fisch werden dir willkommener sein als die Arme des beleibten Lurius auf seinem Liebeslager in Cos.«
Tränen standen ihr in den Augen, als sie mich ansah.
Ich wandte mich an den Küchenmeister. »In der Nacht kettest du sie zusammen.«
Das Mädchen sank weinend zu Boden. Fisch beugte sich vor, hob sie sanft hoch und führte sie aus dem Saal.
Ich lachte, und die Männer meines Hauses fielen in das Gelächter ein. Was für ein Witz, das Mädchen zu versklaven, das Ubara von Cos hatte werden sollen, sie einem Küchensklaven zu überlassen, einem Jungen! Diese Geschichte sprach sich bestimmt bald in allen Häfen des Thassa und in allen Städten Gors herum. Wie beschämt mußten Tyros und Cos sein, die Feinde meiner Stadt, Port Kar. Was für eine köstliche Niederlage! Wie herrlich doch der Erfolg war, der Triumph!
Trunken griff ich in den Beutel neben meinem Sessel, schaufelte die Münzen mit den Händen heraus, schleuderte sie in den Saal.
»Paga!« rief ich dann und hielt Telima meinen Kelch hin.
Taumelnd richtete ich mich auf, vergoß Paga. Ich bedauerte nur daß Midice und Tab heute abend nicht bei mir waren. Ich lachte, als die Männer hinter meinen Goldmünzen herkrochen und wild darum rauften. Immer wieder streute ich Tarnmünzen um mich.
»Heil Bosk!« vernahm ich. »Heil Bosk, Admiral von Port Kar!«
Ich trank und trank. »Ja!« rief ich. »Heil Bosk!«
Plötzlich hörte ich einen Angstschrei, und als ich mich umdrehte und benommen zum Ende des Tisches starrte, sah ich Luma dort sitzen. Sie starrte mich an. Ihr Gesicht war eine Maske des Entsetzens.
»Dein Gesicht!!« rief sie. »Dein Gesicht!«
Ich starrte sie verblüfft an. Es wurde plötzlich still im Saal.
»Nein«, sagte sie plötzlich und schüttelte den Kopf. »Jetzt ist es fort.«
»Was ist los?« fragte ich.
»Dein Gesicht!« sagte sie.
»Was ist damit?«
»Nichts! Einen Augenblick lang dachte ich … es wäre Surbus’ Gesicht!«
Ich stieß einen Wutschrei aus, packte den großen Tisch, warf ihn um. Geschirr und Pagakelche fielen klirrend zu Boden. Thura und Ula kreischten, auch Sandra schrie auf und huschte davon. Luma, am Tisch angekettet, wurde von der Plattform gestoßen und stürzte zu Boden. Sklavinnen flohen laut schreiend aus dem Saal.
Aufgebracht packte ich den Goldbeutel und schleuderte ihn in den Saal. Ein Regen goldener Münzen ergoß sich über Tische und Bänke, ehe das Leder den Boden berührte. Wütend machte ich kehrt und taumelte davon.
»Admiral!« rief jemand hinter mir. »Admiral!«
Ich umfaßte das Medaillon an meinem Hals. Stolpernd, vor Wut brüllend, taumelte ich auf mein Quartier zu. Ich prallte gegen Wände, stürzte zuweilen, rappelte mich jedoch immer wieder auf.
Dann riß ich die Tür meines Quartiers auf.
Midice und Tab keuchend, eng umschlungen. Sie fuhren erschrocken auseinander.
Ich brüllte auf vor Wut, schlug mit den Fäusten gegen die Wände, warf meinen Umhang ab und zog das Schwert.
»Ich laß dich foltern und pfählen, Midice«, sagte ich heiser.
»Nein!« sagte Tab. »Ich habe Schuld. Ich habe mich ihr aufgedrängt.«
»Nein! Nein!« rief Midice. »Ich allein bin schuld! Ich allein!«
»Foltern und pfählen«, wiederholte ich. Dann wandte ich mich an Tab. »Du bist mir ein guter Helfer gewesen, Tab«, sagte ich. »Ich will dir die Folter ersparen.« Dann machte ich eine Bewegung mit dem Schwert. »Verteidige dich!«
Tab zuckte die Achseln, ohne die Waffe zu ziehen. »Ich weiß, daß du mich töten kannst«, bemerkte er.
»Verteidige dich!« brüllte ich.
»Also gut«, sagte Tab, und seine Waffe zuckte aus der Scheide.
Midice warf sich weinend zwischen uns. »Nein!« rief sie. »Töte mich! Laß ihn frei!«
»Warum hast du mir das angetan?«
»Ich liebe ihn«, sagte sie schluchzend. »Ich liebe ihn.«
Ich lachte. »Du kannst nicht lieben. Du bist Midice. Du bist klein und egoistisch und eitel. Du kannst nicht lieben.«
»Ich liebe ihn«, flüsterte sie. »Wirklich!«
»Und mich liebst du nicht?«
»Nein«, flüsterte sie mit erstickter Stimme. »Nein! Nein!«
»Aber ich habe dir soviel gegeben«, klagte ich. »Und habe ich dir nicht große Freude bereitet?«
»Ja«, sagte sie, »aber ich liebe dich nicht. Ich habe dich nie geliebt.«
Ich schluchzte und steckte meine Klinge in die Scheide zurück.
»Nimm sie«, sagte ich müde zu Tab. »Sie gehört dir.«
»Ich liebe sie«, sagte er.
»Bring sie fort!« brüllte ich. »Verlaßt meinen Dienst. Aus meinen Augen!«
Midice stürzte sich ins Tabs Arme. Die beiden machten kehrt und verließen den Raum. Tab trug noch die Klinge in der Rechten.
Ich wanderte ruhelos im Zimmer auf und ab und setzte mich schließlich auf den Rand meiner Steincouch und stützte den Kopf in die Hände.
Wie lange ich so dasaß, weiß ich nicht. Nach einiger Zeit hörte ich jedenfalls ein leises Geräusch und blickte auf.
Telima stand auf der Schwelle.
»Willst du hier den Boden putzen?« fragte ich streng.
Sie lächelte. »Das habe ich vorhin schon getan«, sagte sie, »damit ich dich beim Fest bedienen konnte.«
»Weiß der Küchenmeister, daß du hier bist?«
»Nein.«
Ich sah an ihrem linken Arm den Ring, den ich ihr weggenommen und Midice gegeben hatte.
»Woher hast du den Armreif?«
»Von Midice.«
»Du hast ihn gestohlen«, sagte ich.
»Nein, Midice hat ihn mir zurückgegeben.«
»Wann?«
»Vor über einem Monat.«
»Ich habe nie bemerkt, daß du ihn getragen hast.«
»Ich hatte ihn im Stroh meiner Schlafmatte versteckt.«
Ich betrachtete Telima. Sie stand schüchtern in der Tür. Sie war barfuß und trug die kurze, fleckige Tunika einer Küchensklavin. Um ihren Hals zog sich ein einfacher Stahlkragen – doch am linken Arm trug sie das goldene Band.
»Warum trägst du den Armreif?«
»Er ist alles, was ich besitze.«
»Warum bist du gekommen?«
»Midice«, sagte sie nur.
Ich senkte niedergeschlagen den Kopf.
Telima kam näher.
»Sie hat dich gemocht«, sagte sie.
Ich schüttelte den Kopf.
»Sie kann nichts dafür, wenn sie dich nicht geliebt hat.«
»Geh wieder in die Küche! Oder ich töte dich!«
Telima kniete nieder, Tränen in den Augen. »Nein, das brächtest du nicht fertig.«
»Ich bin Bosk!« rief ich und stand auf.
»Ja«, sagte sie lächelnd. »Du bist Bosk. Und ich habe dir diesen Namen gegeben.«