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»Halt still, Sklave!« sagte das Mädchen neben mir heftig.

»Er kommt aus Port Kar«, sagte sie wieder, »oder er wollte ein Port Karer werden! Was macht es für einen Unterschied?«

Aber Ho-Hak sagte nichts, auch schien er kaum Notiz von dem Mädchen zu nehmen.

Ärgerlich nahm sie die Hände aus meinem Haar.

Ho-Hak schien sich ganz auf meinen ledergeschützten Langbogen zu konzentrieren. Schließlich beugte er sich vor und löste das Leder von dem gelben Bogen aus weichem Ka-la-na-Holz. Das Tuch mit den Feder- und Flugpfeilen fiel auf die geflochtene Oberfläche der Insel.

Zwei oder drei Männer hielten hörbar den Atem an. Wahrscheinlich hatten sie noch nie einen Langbogen gesehen.

Ho-Hak stand auf. Der Bogen war größer als die meisten der Anwesenden.

Er reichte dem blonden Mädchen die Waffe.

»Spann ihn«, befahl er.

Ärgerlich warf sie ihre Sumpfgänse zu Boden und nahm den Bogen. Sie ergriff das Holz mit der linken Hand, stemmte das untere Ende gegen den Spann ihres linken Fußes, nahm die mit Seide verflochtene Hanfsehne in die rechte Hand und begann sich abzumühen. Wütend warf sie den Bogen schließlich zu Boden.

Ho-Hak musterte mich, und seine großen Ohren neigten sich leicht in meine Richtung. »Dies ist ein Bogen der Bauern, nicht wahr?« fragte er. »Großer Bogen genannt oder auch Langbogen?«

»Richtig«, sagte ich.

»Vor langer Zeit«, fuhr er fort, »hörte ich einmal in einem Dorf in den Vorbergen des Thentisgebirges von einem solchen Bogen singen.«

Ich schwieg. Ho-Hak gab die Waffe an den Mann mit dem Perlenstirnband weiter. »Spann den Bogen«, sagte er.

Der Mann gab seinen Sumpfspeer an einen Begleiter weiter und wandte sich dem Bogen zu. Zuversichtlich nahm er ihn in die Hand. Doch der Ausdruck des Selbstvertrauens schwand schnell. Sein Gesicht rötete sich, die Adern traten an seiner Stirn hervor, und schließlich stieß er einen Wutschrei aus und warf Ho-Hak den Bogen zu.

Dieser betrachtete die Waffe, stemmte sie gegen den Spann seines linken Fußes, nahm den Bogen in die linke und die Schnur in die rechte Hand.

Ein anerkennendes Murmeln wurde laut, als er die Waffe spannte.

Ich sah ihn bewundernd an. Er war sehr stark; er hatte den Bogen glatt gespannt. Seine Kräfte mochten zwar nur von dem Dienst auf den Galeeren herrühren – aber enorm waren sie trotzdem.

»Gut gemacht«, sagte ich.

Ho-Hak nahm nun den Lederschurz zur Hand und befestigte ihn an seinem linken Unterarm, damit seine Haut vor der zurückschnellenden Sehne geschützt wurde; dann bedeckte er auch seine Finger mit dem dafür vorgesehenen Lederstück. Schließlich wählte er einen Flugpfeil, legte ihn auf die Sehne und zog ihn bis zur Spitze durch.

Er hielt den Pfeil in die Höhe, richtete ihn in einem Winkel von etwa fünfzig Grad in den Himmel. Dann kam das klare, schnelle, singende Aufblitzen in der Sehne, und der Pfeil sirrte davon.

Die Männer und Frauen ringsum schrien bewundernd und verblüfft auf, denn sie hatten so etwas nicht für möglich gehalten.

Der Pfeil war im Himmel verschwunden, schien in die Wolken entstiegen zu sein. Die Gruppe schwieg ehrfürchtig.

Ho-Hak löste die Bogensehne. »Hiermit«, sagte er, »verteidigen Bauern ihren Besitz.«

Er blickte in die Runde, legte den Bogen wieder zu Boden und rollte ihn in das Leder. Dann wandte er sich an mich. »Verstehst du mit dieser Waffe umzugehen?«

»Ja.«

»Paßt auf, daß er nicht entkommt«, sagte Ho-Hak.

Ich spürte die Spitzen zweier Sumpfspeere im Rücken. »Er wird nicht fliehen«, sagte das Mädchen und zwängte ihre Finger in die Schlinge, die ohnehin eng genug meinen Hals umschloß. Ich spürte ihre Knöchel. Sie regte mich auf, weil sie tat, als hätte sie mich ganz allein gefangen.

»Gehörst du zu den Bauern?« fragte Ho-Hak.

»Nein«, sagte ich. »Ich bin Krieger.«

»Mit einem solchen Bogen«, sagte Ho-Hak zu dem Mann mit dem Perlen-Stirnband, »könnten wir uns von den Söldnern Port Kars befreien.«

»Das ist eine Waffe für Bauern«, sagte der Mann mit dem Stirnband, der den Bogen nicht hatte spannen können. »Und ich bin kein Bauer. Ich gehöre zum Rencevolk.«

»Ich auch!« rief das Mädchen, und die anderen fielen ein.

»Außerdem«, wandte ein anderer Mann ein, »haben wir kein Metall für die Pfeilspitzen und auch kein Pfeilholz, und das Ka-la-na wächst nicht im Sumpf. Wir haben auch keine Sehnen für solche Waffen.«

»Und wir haben kein Leder«, sagte ein dritter.

»Wir könnten Tharlarion töten«, bemerkte Ho-Hak, »und uns Leder beschaffen. Vielleicht lassen sich auch die Zähne des Sumpfhais zu Pfeilspitzen schärfen.« »Fehlen uns immer noch Ka-la-na, Sehnen und das Pfeilholz.«

»Wir könnten solche Dinge eintauschen«, sagte Ho-Hak. »Es gibt Bauern, die am Rande des Deltas leben, besonders im Osten.«

Der Mann mit dem Stirnband lachte. »Du bist nicht hier im Rence geboren.«

»Nein«, erwiderte Ho-Hak. »Das stimmt.«

»Aber wir sind hier geboren. Wir sind das Rencevolk.«

Zustimmendes Gemurmel der Runde. Wieder saß Ho-Hak reglos auf seinem Thron.

»Was soll aus mir werden?« fragte ich.

»Foltern wir ihn zum Fest«, schlug der Mann mit dem Stirnband aus Perlen vor.

Ho-Haks Ohren legten sich flach an. Er musterte den Sprecher gleichmütig. »Wir sind nicht aus Port Kar«, sagte er.

Der Mann mit dem Stirnband zuckte die Achseln und merkte, daß sein Vorschlag auf keine große Begeisterung stieß, was mir natürlich nicht mißfiel.

»Also«, wiederholte ich, »was soll mein Schicksal sein?«

»Wir haben dich nicht hergebeten«, sagte Ho-Hak.

»Gebt mir meinen Besitz zurück«, sagte ich, »dann reise ich weiter und belästige euch nicht mehr.«

Ho-Hak lächelte.

Das Mädchen neben mir lachte, ebenso der Mann mit dem Stirnband.

»Bei uns ist es Sitte«, sagte Ho-Hak, »unseren Gefangenen aus Port Kar die Wahl freizustellen.«

»Und was wäre das für eine Wahl?« fragte ich.

»Natürlich wirst du den Sumpftharlarion gefesselt zum Fraß vorgeworfen«, sagte Ho-Hak. Ich erbleichte.

»Die Entscheidung für dich ist einfach.« Er musterte mich. »Entweder wirst du lebendig ins Wasser geworfen – oder, wenn du möchtest, töten wir dich vorher.«

Verzweifelt bäumte ich mich in meinen Fesseln auf. Ungerührt beobachteten mich die Rencebauern. Vielleicht eine volle Ehn lang kämpfte ich gegen die Ranken, doch sie waren zu fest.

»Von den Körpern bleibt selten etwas übrig«, bemerkte Ho-Hak.

»Es ist schade, daß er so schnell sterben soll«, bemerkte das Mädchen.

»Stimmt«, sagte der Mann mit dem Stirnband. »Foltern wir ihn zum Fest.«

»Nein«, sagte das Mädchen und starrte mich wütend an. »Behalten wir ihn lieber als Sklaven!«

Ho-Hak musterte mich.

»Ist das nicht eine schönere Rache?« zischte sie. »Daß er den Rencebauern als Lasttier dient? Er soll den ganzen Tag arbeiten, jede Stunde. Er soll unseren Haß auf Port Kar zu spüren bekommen!«

»Wie kommt es«, fragte ich das Mädchen, »daß du die Einwohner dieser Stadt so haßt?«

»Schweig, Sklave!« schrie sie, schob ihre Finger tiefer in die Schlinge um meinen Hals und drehte sie herum, bis ich nicht mehr schlucken oder atmen konnte. Die Gesichter ringsum verschwammen. Es wurde dunkel um mich.

Dann zog sie ihre Hand zurück, ich holte keuchend Atem.

»Ich würde sagen, wir werfen ihn den Sumpftharlarion zum Fraße vor«, sagte der Mann mit dem Stirnband.

»Nein«, sagte ich tonlos. »Nein.«

Ho-Hak starrte mich an. Er schien überrascht zu sein. »Nein, nein«, wiederholte ich, und mir war, als spräche ein anderer. Ich begann zu schwitzen und hatte Angst. Ich wollte nicht sterben.

Ho-Hak blickte mich seltsam an. Seine großen Ohren neigten sich vor, beinahe fragend.

»Du bist Krieger?« fragte Ho-Hak.

»Ja«, antwortete ich.

Ich hätte mir gewünscht, den Respekt dieses ruhigen, starken Mannes zu gewinnen, vor allen Dingen seinen Respekt, der einmal ein Sklave gewesen war und der nun vor mir auf seinem Thron saß.