Ich glitt auf dem eisüberzogenen Deck aus und wehrte Chenbars Klinge dicht vor meinem Hals ab. Dann sprang ich wieder auf und setzte den Kampf fort. Wir gingen in den Clinch, hielten unsere Schwertarme mit den freien Händen gepackt.
Ich warf Chenbar gegen die Reling; er prallte mit Rücken und Kopf gegen das Heckspriet. Ich hörte einen Krieger hinter mir, der jedoch von einem meiner Leute abgefangen wurde. Waffengeklirr ertönte von allen Seiten. Ich fürchtete schon, Chenbar das Rückgrat gebrochen zu haben, ließ die Schwerthand des Admirals aus Tyros los und versetzte ihm einen Faustschlag in den Magen. Als er nach vorn zuckte, riß ich meine Rechte los und hieb ihm mit der Faust ins Gesicht. Dann wirbelte ich herum. Meine Männer hinderten die Soldaten des Gegners daran, auf das Ruderdeck des Schiffs zu klettern. Chenbar war betäubt in die Knie gegangen. Ich zog eine Sklavenfessel aus dem Gürtel und legte sie Chenbar an. Dann zerrte ich den Mann zu den Klauen meines Tarn. Mit dem Seil von meinem Gürtel machte ich die Sklavenfessel am rechten Fuß des Vogels fest.
Chenbar versuchte schwerfällig sich aufzurichten, doch ich setzte ihm einen Fuß in den Nacken und drückte ihn wieder zu Boden.
Dann sah ich mich um.
Meine Männer drängten die Schiffsbesatzung über die Reling ins kalte Wasser. Die gegnerischen Soldaten waren völlig überrumpelt worden und wehrten sich kaum noch. Außerdem waren meine Männer um etwa hundert Schwerter überlegen.
Die feindlichen Soldaten schwammen zu ihren anderen Tarnschiffen hinüber, die nun aufschlossen, um uns zu entern.
Armbrustpfeile begannen über das Deck des Flaggschiffs zu sirren.
»Haltet die Gefangenen über die Brustwehren!« rief ich.
Da dröhnte eine Stimme über das Wasser: »Nicht schießen!«
Nun kehrte der erste Tarn zum Flaggschiff zurück; er hatte seine Feuerbomben abgeworfen. Fünf Männer ergriffen das Seil und wurden in Sekundenschnelle vom Schiff gehoben.
»Setzt das Schiff in Brand!« rief ich meinen Männern zu.
Sie eilten unter Deck.
Weitere Tarns kehrten zurück, und immer mehr Männer, manchmal sieben an einem Seil, wurden vom Schiff getragen.
Schon begann sich Rauch durch die Decksritzen zu kräuseln.
Meine Männer wehrten enternde Kämpfer ab, stießen ein gegnerisches Schiff mit den Rudern zurück.
Ein weiteres Schiff näherte sich unserer Flanke, wobei es die Ruder abscherte. Meine Männer eilten hinüber, um es fortzustoßen.
»Seht doch!« rief ein Krieger.
Ein großer Jubel setzte ein. Das Schiff trug die Flagge Bosks. »Tab!« brüllten sie. »Tab!«
Es war die Venna, die kühn vorgestoßen war, um uns zu befreien. Ich sah Tab, der sogar bei dieser Kälte schwitzte, am Heck seines Schiffs.
Im nächsten Augenblick tauchte auf der anderen Seite die Tela auf, das Schwesternschiff der Venna. Die schweren Dollborde, parallel verlaufende Balken, die ihre Außenwandung schützten, wiesen zahlreiche neue Schrammen auf und waren halb abgerissen.
Meine Männer sprangen hastig hinüber. Ich winkte Tarnkämpfer fort, die jetzt erst das Flaggschiff anflogen, um unsere Soldaten abzuholen.
Ringsum brannten Schiffe. Im nächsten Augenblick loderten auch bei uns die Flammen hoch auf.
Männer aus Tyros, die sich bis jetzt an Bord gehalten hatten, sprangen nun auch in das kalte Wasser, um zu anderen Schiffen zu schwimmen. In einigen hundert Metern Entfernung sah ich Gestalten an Bord von Tarnschiffen klettern, einige sogar über die Ruder.
Chenbar und ich blieben allein an Bord des Flaggschiffs zurück. Ich stieg in den Tarnsattel.
Chenbar schüttelte verzweifelt den Kopf, sprang auf. »Kämpft!« brüllte er seinen fernen Schiffen zu. »Kämpft!«
Ich zog am ersten Zügel, und der Tarn sprang in den Wind. Chenbar aus Kasra, Ubar von Tyros, baumelte gefesselt unter mir, der Wut des Winds und des peitschenden Schneesturms hilflos ausgeliefert, ein Gefangener Bosks, eines Kapitäns aus Port Kar, Admiral der Flotte dieser Stadt.
18
Als wir das eisige Deck der Dorna erreichten, erhoben sich meine Männer von ihren Ruderbänken und brüllten begeistert herauf.
»Führe den Gefangenen unter Deck«, sagte ich zu einem Offizier. »Er muß angekettet werden. Der Rat wird entscheiden, was aus ihm wird.«
Wieder klang Jubelgeschrei auf.
Chenbar blieb einen Augenblick lang vor mir stehen, die Fäuste geballt, das Gesicht vor Wut verzerrt, dann wurde er herumgerissen und von zwei Seeleuten unter Deck geschleift.
»Wahrscheinlich endet er in den Lumpen eines Sklaven auf irgendeiner Galeere«, bemerkte der Rudermeister.
»Admiral!« rief eine Stimme aus dem Mastkorb. »Die Flotte aus Cos und Tyros dreht ab! Sie flieht!«
Ich begann zu zittern und brachte kein Wort heraus. Die Männer ringsum jubelten.
Dann sagte ich: »Ruft unsere Schiffe zurück!«
Männer rannten los, um unseren Reserveschiffen zu signalisieren, sie sollten sich der kämpfenden Flotte nähern und den Rückzug anordnen.
Die Dorna kämpfte nun mit den Wellen wie ein gefangener Sleen. Ich blickte zu den Rundschiffen hinüber, die ebenfalls wie wild auf den Wogen tanzten.
»Anker lichten!« befahl ich. »Und setzt das Sturmsegel.«
Männer hasteten los, während ich signalisieren ließ, jedes Schiff sollte sich nach bestem Vermögen sofort in Sicherheit bringen. Es war unmöglich, den Sieg über die Flotte aus Cos und Tyros auszukosten und den fliehenden Einheiten etwa nachzusetzen.
Ich stand auf dem schwankenden Deck der Dorna, mit dem Rücken zum Sturm. Der Admiralsumhang, den meine Männer vom Rundschiff mitgebracht hatten, wurde mir gebracht, und ich wickelte mir zitternd vor Kälte den dicken Stoff um die Schulter. Man reichte mir eine Schale mit heißem Paga.
»Der Siegestrank«, sagte der Rudermeister.
Ich grinste. Ich fühlte mich gar nicht wie ein Sieger. Mir war kalt, aber ich lebte. Ich schlürfte dankbar den heißen Paga.
Die Rah war herabgelassen worden, damit das kleine dreieckige Sturmsegel gesetzt werden konnte. Die Anker wurden gelichtet, und die Rah, von Flaschenzügen gehoben, begann am Mast emporzusteigen. Inzwischen zogen die Steuerbordruder auf Zuruf des Rudermeisters das Schiff herum, um das Heck in den Wind zu bringen. Der Sturm packte unsere Flanke, und die Dorna neigte sich nach Lee. Das Deck wurde von zwei Brechern überspült. Die beiden Steuerleute mühten sich mit ihren Seitenrudern, drehten das Schiff herum. Dann hatten wir den Wind von achtern und der Rudermeister begann seinen Schlagrhythmus, trieb das Schiff an, bis das Sturmsegel der vollen Wucht des Windes ausgesetzt war. Die Dorna wurde wie von einer Riesenfaust gepackt, der Mast knirschte, und eine schreckliche Sekunde lang neigte sich der Bug unter Wasser, ehe er wieder in die Höhe kam und den Himmel auszufüllen schien.
»Zieht durch!« rief der Rudermeister, dessen Stimme im Toben des Winds fast unterging. »Zieht – durch! Zieht – durch!«
Die Trommel legte die höchste Schlagzahl vor. Das winzige Sturmsegel, das sich im Wind blähte, zerrte an der Takelage. Die Dorna schnitt durch das Wasser, durchpflügte die Wellen, die sich zu beiden Seiten hoch auftürmten. Sie würde es überstehen.
Ich wußte nicht, ob der errungene Sieg entscheidend für die Stellung Port Kars war oder nicht, aber eins war mir klar – der fünfundzwanzigste Se’Kara, der heutige Tag, würde in Port Kar nicht so schnell vergessen werden, in der früher so verhaßten Stadt, die nun einen Heimstein gefunden hatte, in jener Stadt, die man die Geißel des schimmernden Thassa nannte, die sich jetzt jedoch einen besseren Ruf erwerben konnte, vielleicht sogar als Juwel des Meeres. Ich fragte mich, wieviele Männer überall auf Gor erzählen würden, sie hätten am fünfundzwanzigsten Se’Kara vor Port Kar mitgekämpft, im Schneesturm in tobender See und unter schwarzem Himmel. Ich lächelte. Dieser Tag würde zweifellos ein Feiertag in Port Kar werden.
Ich ging zu dem Tarn, der mich zur Dorna getragen hatte, zog meinen Admiralsmantel aus und legte ihn dem zitternden Vogel über den Rücken.