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»Wir haben drei Männer im Haus umzingelt«, meldete ein Seemann. Wir hasteten in den großen Festsaal, in dem drei Männer von Armbrustschützen in Schach gehalten wurden. Es waren Lysius, Claudius und Henrak.

»Sei gegrüßt, Tab«, sagte ich und schlug meinem Kapitän auf die Schulter.

»Sei gegrüßt, Admiral.«

Als Lysius mich erblickte, stürzte er vor. Ich erwiderte seinen Angriff sofort, und nach kurzem Schlagwechsel sank er blutüberströmt zu Boden.

»Ich bin reich«, sagte Claudius. »Ich kann für meine Freiheit bezahlen.«

»Der Rat der Kapitäne von Port Kar«, sagte Samos, »hat mit dir zu sprechen.«

»Aber ich habe auch etwas mit ihm zu klären«, sagte Fischs Stimme. Der Junge hatte sein Schwert gezogen.

»Du!« rief Claudius. »Du!«

Samos starrte den Jungen verwundert an und wandte sich an Claudius. »Der Anblick eines einfachen Sklaven scheint dich seltsam zu berühren!«

In seiner armseligen Sklaventunika stand der Junge vor uns, ein junger Ubar. Er lebte, und er hatte für sein Recht und seine Stadt gekämpft. Er war kein Junge mehr.

Mit einem Wutschrei, das Schwert erhoben, stürzte sich Claudius auf den Sklaven, der den Angriff jedoch geschickt parierte.

»Ja«, sagte er. »Ich bin kein schlechter Fechter! Und jetzt wollen wir kämpfen.«

Claudius warf seinen weißen Umhang fort und näherte sich vorsichtig.

Er war ein ausgezeichneter Schwertkämpfer, doch Sekunden später war Fisch blitzschnell vorgesprungen, zurückgewichen – und wischte seine Klinge an der weißen Tunika ab, die am Boden lag. Claudius stand schwankend in der Mitte des großen Saals. Er wollte schreien, doch nur ein Schwall Blut drang aus seinem Mund, und dann stürzte er um und regte sich nicht mehr.

»Bemerkenswert«, sagte Samos. »Claudius ist tot. Von einem einfachen Sklaven erschlagen.«

Fisch lächelte.

»Und der da«, sagte Ho-Hak und deutete auf Henrak, »ist ein Rencebauer, und mit dem habe ich eine Rechnung zu begleichen!«

Henrak starrte ihn an, aschgrau im Gesicht.

»Eechius ist bei dem Überfall auf die Renceinsel getötet worden«, sagte Ho-Hak. »Er war mein Sohn.«

»Tu mir nichts!« flehte Henrak. Er wollte sich zur Flucht wenden, doch er kam nicht weit.

Ho-Hak packte sein Handgelenk, ergriff den Mann und stemmte ihn über seinen Kopf. Henrak zappelte und schrie, doch er wurde aus dem Saal getragen.

Wir folgten dem riesigen Mann aus den Sümpfen, sahen, wie er die schmale Treppe der Mauer zum Delta hinaufstieg und sich auf ihre Brustwehr stellte. Als Silhouette vor dem Himmel stehend, verharrte einen Augenblick, dann schleuderte er die schreiende Gestalt in den Sumpf hinaus.

Am Fuße der Mauer warteten die Tharlarion.

Der Abend war weit fortgeschritten.

Wir hatten aus den Vorräten der Venna und Tela ein reichhaltiges Abendessen serviert bekommen. Dabei bedienten Telima und Vina in der Tunika von Küchensklavinnen. Fisch saß bei uns am Tisch und wurde ebenfalls bedient.

Midice kniete neben Tab, ohne mich anzusehen. Der Kapitän hatte ihr den Arm um die Schultern gelegt.

»Wie ich sehe«, sagte Ho-Hak zu Telima, »trägst du immer noch den goldenen Armreif.«

»Ja.«

»Daran sollte ich dich erkennen«, sagte Ho-Hak, »als du vor vielen Jahren in die Sümpfe kamst.«

Telima starrte ihn verwirrt an.

Samos setzte seine Pagaschale ab. »Wie werden sich die Dinge wohl in der Stadt entwickeln?« fragte er Tab.

Tab senkte nachdenklich den Kopf. »Die Ubars Eteocles und Sullius Maximus sind mit ihren Schiffen und Männern geflohen. Die letzte Festung des Henrius Sevarius ist verlassen. Der Ratsbau, obwohl teilweise durch Feuer zerstört, steht noch. Die Stadt, so will mir scheinen, ist in Sicherheit. Ich glaube, daß die Flotte in vier oder fünf Tagen eintrifft.«

»Dann scheint ja der Heimstein Port Kars nicht mehr gefährdet zu sein.« Samos hob seine Pagaschale.

Wir tranken mit.

»Wenn es mein Kapitän gestattet«, sagte Tab. »Es ist spät, und ich möchte mich zurückziehen.«

»Es sei dir gestattet«, sagte ich.

Er neigte den Kopf und ging. Midice richtete sich auf und begleitete ihn.

»Es wäre sicher nicht klug«, sagte Ho-Hak, »wenn die Rencebauern zu lange in Port Kar blieben. Wir werden im Schutze der Nacht abziehen.«

»Dank sei dir und deinem Volk«, sagte ich.

»Die Renceinseln, die nun vereint sind, stehen dir zur Verfügung.«

»Dafür sei dir gedankt, Ho-Hak«, erwiderte ich.

»Wir können nie gutmachen, was du für uns getan hast. Du hast viele von uns vor Port Kar gerettet und uns den Gebrauch des Langbogens gelehrt.«

»Dafür habt ihr mich mehr als entschädigt«, erwiderte ich.

»Dann stehen wir also nicht mehr in des anderen Schuld?«

»Nein.«

»So schließen wir Freundschaft.«

Wir reichten uns die Hände.

»Du hast viele Freunde in den Sümpfen!«

»Das ehrt mich«, sagte ich.

Ho-Hak wandte sich zum Gehen, und ich blickte dem breitschultrigen ehemaligen Galeerensklaven nach. Ich hörte, wie er draußen seine Männer zusammenrief. Sie würden zu ihren Rencebooten zurückkehren, die unten an der Deltamauer festgemacht waren.

»Wenn du gestattest, Kapitän«, sagte Thurnock mit einem Blick auf Thura. »Es ist spät.«

Ich nickte und Thurnock und Clitus verließen mit ihren Sklavinnen den großen Saal.

Samos, Telima und ich blieben allein zurück.

»Bald muß der Morgen grauen«, bemerkte der Sklavenhändler.

»Vielleicht noch eine Ahn bis Sonnenaufgang.«

»Nehmen wir unsere Umhänge«, sagte Samos. »Wir wollen auf den Wehrturm steigen.«

Wir zogen uns warm an und folgten Samos über den gepflasterten Hof, um das Hauptgebäude herum und in den nun geöffneten Turm.

Von seiner Spitze aus waren Tabs Männer von der Venna und der Tela zu erkennen, die hier und dort Wache standen. Das große Tor, das zur Stadt führte, war geschlossen. Nacheinander kletterten die Rencebauern über die Mauer und stiegen in ihre kleinen Boote, die wir nicht sehen konnten. Ho-Hak folgte als letzter, und wir winkten ihm zum Abschied zu.

Der endlose Sumpf glitzerte im Licht der drei Monde.

Telima wandte sich an Samos. »Dann war es also vorgesehen, daß ich aus deinem Haus floh?«

»Ja«, erwiderte Samos, »und du solltest auch den goldenen Armreif nehmen, so daß Ho-Hak und seine Männer dich im Sumpf erkennen würden.«

»Sie fanden mich nach wenigen Stunden.«

»Sie warteten auf dich«, sagte Samos.

»Ich verstehe das nicht.«

»Ich kaufte dich, als du noch ein Mädchen warst«, sagte Samos. »Und ich hatte von Anfang an diesen Plan.«

»Du hast mich wie deine Tochter großgezogen«, sagte sie. »Aber als ich siebzehn wurde …«

»Ja – da wurdest du grausam behandelt und dann durftest du fliehen.«

»Aber warum?«

»Samos«, schaltete ich mich ein, »hast du die Nachricht geschickt, die ich vor einigen Monaten im Rat der Kapitäne erhielt?«

»Ja.«

»Aber damals hast du das abgestritten«, sagte ich.

»Die Folterkammer schien mir nicht der rechte Ort zu sein, über die Belange der Priesterkönige zu sprechen.«

»Priesterkönige?« fragte Telima atemlos.

Ich lächelte. »Nein, da hast du wohl recht. Aber als die Nachricht übergeben wurde, warst du doch gar nicht in der Stadt.«

»Das stimmt«, sagte Samos. »Ich hoffte dadurch eine Verbindung zwischen mir und dem Zettel abstreiten zu können, falls es erforderlich werden sollte.«

»Du hast nie den Versuch gemacht, dich mit mir in Verbindung zu setzen«, sagte ich.

»Du warst nicht bereit dazu«, sagte Samos. »Außerdem brauchte dich Port Kar.«

»Du dienst also den Priesterkönigen.«

»Ja.«

»Und deswegen bist du in meine Festung gekommen – um einen Mann zu schützen, der ihnen früher auch gedient hat, nicht wahr?«

»Ja«, sagte Samos, »aber auch, weil du viel für meine Stadt, für Port Kar, getan hast. Nur deiner Initiative ist es zu verdanken, daß sie jetzt einen Heimstein besitzt.«