Wieder starrte sie auf die Sensoren, die wie schwarze, ausgestochene Metallaugen ins Leere starrten. Sie waren verkohlt und tot und zerschmettert, und selbst die Wand ringsum zeigte rote Spuren ihrer Vernichtung.
»Sie können dir nicht mehr weh tun«, sagte ich.
Vika machte noch einen Schritt, und dann schienen ihre Beine den Dienst zu verweigern, und sie begann zu schwanken. Sie streckte mir ihre Hand entgegen. Ihre Augen waren angstvoll geweitet.
»Die Frauen von Treve«, sagte ich, »sind nicht nur schön und stolz, sondern auch mutig.«
Sie trat durch das Portal und sank ohnmächtig in meine Arme.
Ich hob sie hoch und trug sie zu meinem Steinlager. Nachdenklich musterte ich die zerstörten Sensoren am Portal und die Überreste der Überwachungsvorrichtung an der Decke.
Vielleicht brauchte ich auf die Priesterkönige Görs nicht mehr allzulange zu warten.
Vika hatte gesagt, daß sie mich rufen würden, wenn sie mich sprechen wollten.
Ich lachte leise. Vielleicht fühlten sie sich jetzt etwas zur Eile angespornt.
9
Ich wollte Vika auf meinem Steinlager ruhen lassen, auf meinen Schlaffellen und seidenen Laken.
Das war ungewöhnlich, denn normalerweise schläft ein goreanisches Sklavenmädchen zu Füßen ihres Herrn, oft nur auf einer Strohmatte und mit einer dünnen baumwollähnlichen Decke.
Ich hatte Vika sanft auf die große Plattform gelegt und küßte sie nun zärtlich auf die Stirn.
Ihre Augen öffneten sich.
»War ich auf dem Korridor?« fragte sie.
»Ja«, erwiderte ich.
Sie sah mich lange an. »Wie kann ich dich gewinnen?« fragte sie. »Ich liebe dich, Tarl Cabot.«
»Du bist mir nur dankbar.«
»Nein«, erwiderte sie. »Ich liebe dich.«
»Das darfst du nicht.«
»Es ist aber wahr.«
Ich fragte mich, wie ich mich nun verhalten sollte, denn ich durfte sie nicht in dem Glauben lassen, daß wir uns lieben konnten. Im Haus der Priesterkönige durfte es keine Liebe geben – außerdem war da immer noch Talena, deren Erinnerung sich nie aus meinem Herzen löschen ließ.
»Aber du bist eine Frau aus Treve«, sagte ich lächelnd.
»Du hieltest mich für eine Vergnügungssklavin«, sagte sie.
Ich zuckte die Achseln.
Sie wandte den Kopf und sagte: »Du hattest sogar fast recht, Tarl Cabot.«
»Wie soll ich das verstehen?«
»Meine Mutter«, sagte sie verbittert, »war eine Vergnügungssklavin aus Ar.«
»Dann muß sie sehr schön gewesen sein.«
Vika musterte mich seltsam. »Ja«, sagte sie, »das nehme ich auch an.«
»Erinnerst du dich nicht an sie?«
»Nein«, sagte sie, »denn sie starb, als ich noch sehr jung war.«
»Das tut mir leid.«
»Egal – sie war ja nur ein Tier, das in den Vergnügungszentren Ars aufgezogen wurde.«
»Verachtest du sie so sehr?« fragte ich.
»Sie war eine geborene Sklavin«, sagte Vika.
Ich schwieg.
»Mein Vater dagegen«, sagte Vika, »dessen Sklavin sie war und der der trevischen Kaste der Ärzte angehörte, liebte sie so sehr, daß er sie zu seiner Freien Gefährtin machen wollte.« Vika lachte leise. »Drei Jahre lang widersetzte sie sich diesem Wunsch.«
»Warum das?«
»Weil sie ihn ebenfalls liebte«, sagte Vika, »und weil sie nicht wollte, daß er sich eine unwürdige Vergnügungssklavin zur Freien Gefährtin nahm.«
»Sie war eine sehr großherzige Frau«, sagte ich.
Vika machte eine angewiderte Handbewegung. »Sie war töricht«, sagte sie. »Wie oft bekommt eine geborene Sklavin schon die Chance geboten, die Freiheit zu erlangen?«
»Selten«, sagte ich.
»Aber schließlich stimmte sie doch zu, seine Freie Gefährtin zu werden.
Sie hatte wohl Angst, daß er sich selbst töten würde.« Vika musterte mich offen.
»Ich bin als freie Frau geboren«, sagte sie. »Du musst erkennen, daß ich keine geborene Sklavin bin.«
»Ich verstehe das. Vielleicht war deine Mutter nicht nur schön, sondern auch stolz und mutig.«
»Wie kann das sein? Ich habe dir doch gesagt, daß sie eine geborene Sklavin war, ein Tierwesen aus Ar.«
»Aber du hast sie nicht gekannt.«
»Ich wusste, was sie war.«
»Was ist mit deinem Vater?«
»Auf eine Weise ist er auch tot«, sagte sie.
»Was meinst du damit – ›auf eine Weise‹?«
»Nichts«, sagte sie.
Ich sah mich um, betrachtete die Truhen an der Wand, die zerschmetterte Vorrichtung an der Decke, die zerbrochenen Sensoren, das große leere Portal, das in den Korridor führte.
»Er muß dich sehr geliebt haben, nachdem deine Mutter starb«, sagte ich.
»Ja«, antwortete Vika, »das stimmt wohl – aber er war trotzdem ein Narr.«
»Warum sagst du das?«
»Er ist mir ins Sardargebirge gefolgt, um mich zu retten«, sagte sie.
»Das bringt nur ein mutiger Mann über sich.«
Sie rollte von mir fort und starrte die Wand an. Nach längerem Schweigen sagte sie verächtlich: »Er war ein lächerlicher kleiner Mann«, sagte sie, »und fürchtete sich schon vor dem Schrei eines Larl.« Sie fuhr herum. »Wie hat meine Mutter ihn lieben können!«
»Vielleicht war er nett zu ihr«, sagte ich, »wenn andere sie grausam behandelten.«
»Warum sollte jemand eine Vergnügungssklavin freundlich behandeln?« fragte Vika.
Ich zuckte die Achseln.
»Was wurde aus ihm, als er hier ins Gebirge kam?«
Das wollte mir Vika nicht sagen.
»Weißt du es?« fragte ich.
Sie schüttelte den Kopf. »Frage mich nicht.«
Ich bedrängte sie nicht weiter. »Wie kommt es, daß er dich ins Sardargebirge reisen ließ?«
»Die Erlaubnis gab er mir nicht«, sagte Vika. »Er versuchte mich sogar zurückzuhalten, aber ich suchte die Wissenden von Treve auf und schlug mich als Opfer für die Priesterkönige vor. Natürlich verschwieg ich meine wahren Gründe.« Sie hielt inne. »Ich möchte wissen, ob sie meine Motive ahnten.«
»Es wäre denkbar.«
»Mein Vater wollte davon natürlich nichts wissen«, fuhr sie fort und lachte. »Er schloß mich in meinen Gemächern ein, aber der Höchste Wissende der Stadt schickte Krieger, die in unsere Wohnung eindrangen und meinen Vater verprügelten, bis er sich nicht mehr rühren konnte. Ich begleitete sie voller Freude. Oh, wie sehr es mich freute, als sie ihn schlugen und er schrie! Ich Hasste ihn – wie sehr ich ihn Hasste! Er war kein richtiger Mann, und obwohl er der Kaste der Ärzte angehörte, konnte er keinen Schmerz ertragen. Er ertrug ja nicht einmal den Schrei eines Larl.«
»Vielleicht fühlte er sich als Arzt besonders am Platze, weil er Schmerzen nicht ertragen konnte.«
»Vielleicht«, sagte Vika. »Er wollte immer helfen, immer das Leiden anderer Leute beenden, sogar von Tieren oder Sklaven.«
Ich lächelte.
»Wie du siehst, war er ein Schwächling.«
Sie räkelte sich auf dem Seidenlaken. »Du bist der erste Mann, der mit mir über solche Dinge spricht. Ich liebe dich, Tarl Cabot.«
»Ich glaube nicht«, sagte ich leise.
»Aber bestimmt!«
»Eines Tages«, sagte ich, »wirst du Liebe empfinden – aber wohl nicht für einen Krieger aus Ko-ro-ba.«
»Glaubst du, daß ich nicht lieben kann?« fragte sie.
»Eines Tages wirst du lieben, du wirst dich verzehren vor Liebe.«
»Kannst du lieben?« fragte sie herausfordernd.
»Ich weiß es nicht«, sagte ich lächelnd. »Vor langer Zeit habe ich einmal geliebt – oder glaubte es jedenfalls.«
»Wer war das Mädchen?« fragte Vika nicht sehr freundlich.
»Ein schlankes, dunkelhaariges Wesen«, sagte ich. »Sie hieß Talena.«
»War sie schön?«
»Ja.«
»So schön wie ich?«
»Ihr seid beide sehr schön.«
»War sie eine Sklavin?«
»Nein«, sagte ich, »sie war die Tochter eines Ubar.«
Wut entstellte Vikas Züge, und sie sprang auf und rannte auf und ab, und ihre Finger kämpften mit dem verhassten Sklavenkragen. »Ich verstehe!« sagte sie. »Und ich – Vika – bin nur ein Sklavenmädchen!«
»Sei nicht wütend«, sagte ich.