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Schließlich stand der Priesterkönig wieder still, seine Fühler lösten sich widerstrebend, wie mir scheinen wollte, und wieder ruhte es auf seinen vier Beinen und starrte mich an.

»Danke«, sagte er und kämmte seine Fühlerhaare, »daß du mich im Fahrstuhl nicht angegriffen hast.«

Ich war wie vor den Kopf geschlagen. »Oh, bitte sehr.«

»Ich hatte auch nicht angenommen, daß eine Narkose nötig sein würde.«

»Es wäre töricht gewesen, dich anzugreifen«, sagte ich.

»Unvernünftig«, stimmte mir der Priesterkönig zu. »Aber die niederen Spezies sind manchmal so. Jetzt kann ich in Ruhe der Wonne der Goldenen Käfer entgegensehen. Sarm hat gemeint, die Narkose wäre erforderlich.«

»Ist Sarm ein Priesterkönig?« fragte ich.

»Ja.«

»Dann kann sich ein Priesterkönig irren.« Dieser Umstand erschien mir bedeutsam – weitaus bedeutsamer als die einfache Tatsache, daß ein Priesterkönig das Lachen eines Menschen nicht begriff.

»Natürlich«, sagte das Wesen.

»Hätte ich dich töten können?« fragte ich.

»Möglich.«

Ich schaute über das Geländer und bestaunte die wundersame Welt, die sich unter uns ausbreitete.

»Aber daraufwäre es nicht angekommen«, sagte der Priesterkönig.

»Nein?«

»Nur das Nest ist wichtig.«

Mein Blick ruhte noch immer auf der Welt dort unten. Der Durchmesser der Kuppel mochte etwa zehn Pasang betragen.«

»Ist dies das Nest?« fragte ich.

»Der Anfang.«

»Wie heißt du?«

»Misk«, sagte das Wesen.

11

Ich wandte mich um und bemerkte eine große Rampe, die in großen Kehren zur Plattform emporstieg, auf der ich mich befand.

Ein zweiter Priesterkönig näherte sich auf einer flachen ovalen Scheibe, die über die Rampe zu gleiten schien.

Der neue Priesterkönig ähnelte Misk sehr – nur war er größer. Ich fragte mich, ob Menschen meiner Rasse die Priesterkönige voneinander unterscheiden konnten. Mir selbst fiel dies zuerst sehr schwer.

Die ovale Scheibe verhielt etwa zehn Meter vor uns, und das goldene Wesen stieg zierlich herab. Beim Näherkommen musterten mich seine Tentakel aufmerksam. Dann zog sich das Wesen etwa fünf Meter zurück.

Wie Misk trug es keinerlei Kleidung, und der einzige Schmuck bestand aus einem Obersetzungsgerät, das um seinen Hals hing.

Später sollte ich erfahren, daß der Priesterkönig seinen Rang und seine Kastenzeichen in Duftform am Körper trug – für andere Priesterkönige so klar zu erkennen wie auf der Erde etwa Uniformzeichen oder Berufskleidung.

»Warum ist es nicht narkotisiert?« fragte der zweite Priesterkönig und richtete seine Fühler auf Misk.

»Ich hielt es nicht für erforderlich«, sagte dieser.

»Ich hatte Narkose empfohlen«, sagte der Neuankömmling.

»Ich weiß«, entgegnete Misk.

»Diese Tatsache wird festgehalten.«

Misk schien die Achseln zu zucken. Er wandte den Kopf, seine Kiefer öffneten sich langsam, und die beiden Fühler zuckten kurz hin und her, als sei er ärgerlich. »Das Nest war nicht in Gefahr«, tönte es schließlich aus seinem Übersetzer.

Die Tentakel des Neuankömmlings begannen zu zittern, vielleicht vor Wut.

Es drehte einen Knopf an seinem Übersetzer, und im nächsten Augenblick war die Luft von schweren Düften erfüllt, die vielleicht einen Tadel darstellten. Ich hörte nichts, denn das Übersetzungsgerät war ausgeschaltet.

Auch Misk schaltete ab.

Ich beobachtete die Fühler und die Haltung der langen, anmutigen Körper.

Sie schritten umeinander herum, und ihre Bewegungen hatten etwas Peitschendes. Von Zeit zu Zeit, sicherlich aus Ärger oder Aufregung, neigten sich die Spitzen der Vorderbeine, und ich erhaschte einen Blick auf die scharfen Hornmesser, die in den Ballen verborgen waren.

Ich lernte später, an solchen Äußerlichkeiten Gefühle und Stimmungen der Priesterkönige abzulesen. Andere Anzeichen dieser Art waren weitaus weniger offensichtlich – etwa das Zittern der kleinen Härchen auf den Stützbeinen, als wollte das Wesen jeden Augenblick davonrennen; oder eine gewisse Unaufmerksamkeit, eine Hin- und Herbewegung der kleinen Reinigungshaken am dritten Gelenk der Vorderbeine. Überhaupt schienen mir die Priesterkönige ungewöhnlich oft an ihre Sauberkeit zu denken. Wie ich später erfuhr, halten sie die Menschen für außerordentlich unsauber und beschränken ihren Auslauf in den Tunnel gewöhnlich auf gewisse Gebiete. Oft helfen sich die Priesterkönige gegenseitig bei der Wäsche, wobei sie Reinigungshaken, Kiefer und Zungen einsetzen.

Das Übersetzungsgerät hatte natürlich seine Grenzen; es beschränkte sich auf eine präzise Übertragung, ohne daß die mechanische Stimme Gefühlswerte oder sonstige Dinge mit übermitteln konnte. Zum Beispiel konnte das Übersetzungsgerät sagen, daß der Sprecher ärgerlich war, aber zeigen konnte es das nicht.

Nach kurzer Zeit gaben die Priesterkönige ihren Rundgang auf und wandten sich in meine Richtung. Wie einstudiert schalteten sie gleichzeitig ihre Übersetzungsgeräte ein.

»Du bist Tarl Cabot aus der Stadt Ko-ro-ba«, sagte der größere Priesterkönig.

»Ja.«

»Ich bin Sarm«, lautete die Antwort, »geliebtes Kind der Mutter und Erstgeborener.«

»Bist du der Anführer der Priesterkönige?« fragte ich.

»Ja«, sagte Sarm.

»Nein«, sagte Misk.

Sarms Tentakel zuckten in Misks Richtung.

»Die Größte im Nest ist die Mutter«, sagte Misk.

Sarms Tentakel erschlafften. »Das ist wahr«, sagte er.

»Ich habe viel mit den Priesterkönigen zu besprechen«, sagte ich.

»Wenn das Wesen, das ihr die Mutter nennt, euer Anführer ist, möchte ich sie sehen.«

Sarm legte sich auf seine Hinterbeine zurück. Seine Tentakel berührten sich. »Niemand darf die Mutter sprechen – mit Ausnahme ihrer Kastenhelfer und der Hohen Priesterkönige«, sagte Sarm. »Das sind der Erstgeborene, der Zweitgeborene, der Drittgeborene, der Viertgeborene und der Fünftgeborene.«

»Außer an den drei großen Feiertagen«, sagte Misk.

Sarms Tentakel zuckten ärgerlich.

»Was sind das für Feiertage?« fragte ich.

»Die Nesttage«, sagte Misk. »Tola, Tolam und Tolama.«

»Und was bedeuten sie?« fragte ich.

»Sie erinnern an die Wiederkehr des Hochzeitsfluges«, sagte Misk, »des ersten Eies und der Ausbrütung des ersten Eies.«

»Stehen diese Feiertage bevor?« fragte ich.

»Ja«, sagte Misk.

»Aber«, schaltete sich Sarm ein, »selbst bei diesen Festen darf niemand aus den niedrigen Ständen die Mutter sehen – nur Priesterkönige.«

»Das stimmt«, sagte Misk.

Ärger stieg in mir auf. Sarm schien diese Veränderungen nicht zu bemerken, doch Misks Fühler rührten sich sofort. Vielleicht hatte er schon seine Erfahrungen mit Menschen machen müssen.

»Denke nicht schlecht von uns, Tarl Cabot«, sagte Misk, »denn an den Feiertagen brauchen die Wesen der niederen Stände nicht zu arbeiten – nicht einmal an den Funguströgen.«

»Die Priesterkönige sind großzügig«, sagte ich.

»Tun die Menschen im Schatten der Berge soviel für ihre Tiere?« fragte Misk.

»Nein«, sagte ich. »Aber Menschen sind keine Tiere.«

»Sind Menschen Priesterkönige?« fragte Sarm.

»Nein.«

»Dann sind sie Tiere«, sagte Sarm.

Ich zog mein Schwert und näherte mich Sarm. Ich hatte mich sehr schnell bewegt, und das Wesen schien überrascht zu sein. Es sprang mit fast unglaublicher Geschwindigkeit zurück und hatte im Nu eine Entfernung von fünfzehn Metern zwischen uns gelegt.

»Wenn ich nicht mit dem Wesen sprechen darf, das ihr Mutter nennt«, sagte ich, »kann ich vielleicht mit dir sprechen!«

Ich trat einen Schritt vor.

Sarm zuckte wütend zurück, und seine Fühler fuhren aufgeregt hin und her. Wir starrten uns an.