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»Weil ich Priesterkönig bin. Nicht alle Priesterkönige sind wie Sarm«, sagte er und starrte auf mich herab. »Komm, es ist spät, und du bist müde. Wir legen uns oben schlafen.«

Misk verließ den Raum, und ich folgte ihm mit der Fackel.

17

Obwohl das Moos in meiner Kabine weich war, konnte ich an diesem Abend kaum einschlafen. Die Enthüllungen Misks machten mir sehr zu schaffen. Ich vermochte das geflügelte Wesen auf dem Steintisch nicht zu vergessen, ebensowenig wie Misks Plan und die Drohung, die über dem Nest der Priesterkönige schwebte.

»Du bist wach«, sagte die Stimme eines Übersetzungsgerätes plötzlich.

Ich fuhr zusammen und richtete mich auf. Vorsichtig öffnete ich die Tür meiner Kabine und trat in Misks Gemach.

»Sei gegrüßt, Edler Sarm«, sagte ich.

»Begrüßung, Matok«, erwiderte dieser.

»Wo ist Misk?«

»Er hat Pflichten – an einem anderen Ort. Das Fest von Tola ist nahe, und die Priesterkönige sind allen Lebewesen freundlich gesonnen.«

»Das freut mich zu hören«, erwiderte ich. »Welche Pflichten haben Misk denn so früh abberufen?«

»Er bewahrt Gur für die Mutter.«

»Wie bitte?«

Sarm blickte sich in Misks Unterkunft um. »Ein schöner Raum«, sagte er und untersuchte die kahlen Wände mit seinen Antennen, bewunderte die Geruchsmuster, die als Wandschmuck dienten.

»Was willst du?« fragte ich.

»Ich möchte dein Freund sein.«

Dieser Ausspruch verwunderte mich, denn ich wusste, daß es in der Geruchssprache der Priesterkönige eigentlich keinen Ausdruck für dieses Wort gab. Ich behielt mein Erstaunen jedoch für mich; vielleicht waren die Übersetzungsbänder kürzlich geändert worden.

»Ich fühle mich geehrt«, sagte ich.

Sarm betrachtete meine Kabine. »Du hast der Kaste der Krieger angehört«, sagte er. »Vielleicht möchtest du einen weiblichen Mul zur Gesellschaft?«

»Nein.«

»Du kannst auch mehr als einen haben, wenn du möchtest. Vielleicht auch seltene Metalle und Steine?«

»Nein.«

»Vielleicht möchtest du Mul-Vorarbeiter in einem Lagerhaus oder einer Fungus-Farm werden?«

»Eine große Ehre – aber nein.«

»Was möchtest du dann?«

»Meine Freiheit. Ich möchte, daß die Stadt Ko-ro-ba wiederersteht, daß die Sicherheit ihrer Einwohner gewährleistet wird. Ich möchte meinen Vater wiedersehen, meine Freunde und meine Freie Gefährtin.«

»Vielleicht lassen sich diese Dinge arrangieren«, sagte Sarm.

»Was muß ich dafür tun?«

»Sag mir, warum du in das Nest gebracht wurdest«, sagte Sarm, und plötzlich schlugen seine Fühler wie Peitschen in meine Richtung, und in ihrer Erstarrung schienen sie wie Waffen auf mich gerichtet.

»Ich habe nicht die geringste Ahnung«, sagte ich.

Die Fühler zuckten kurz vor Ärger, und die harten Klingen an der Spitze seiner Vorderbeine schnappten vor und zurück, doch dann entspannte sich Sarm und legte seine Greifwerkzeuge zusammen. »So, so«, tönte es aus dem Übersetzungsgerät.

»Möchtest du ein Stück Fungus?« fragte ich.

»Misk hat ausgiebig mit dir sprechen können. Was hat er dir gesagt?«

»Es besteht Nestvertrauen zwischen uns«, sagte ich.

»Nestvertrauen mit einem Menschen? Eine interessante Vorstellung.«

»Entschuldigst du mich, während ich mich wasche?«

»Natürlich.«

Ich blieb einige Zeit in der Waschkabine und bereitete mir anschließend ausgiebig einen Fungusbrei, den ich dann umständlich verzehrte.

Wenn ich geglaubt hatte, Sarm durch diese Taktik nervös oder unruhig zu machen, sah ich mich getäuscht. Die ganze Zeit über verweilte er reglos mitten im Zimmer, und nur seine Antennen bewegten sich ab und zu. Endlich verließ ich meine Kabine.

»Ich möchte dein Freund sein«, sagte Sarm.

Ich schwieg.

»Vielleicht möchtest du das Nest sehen?«

»Ja«, sagte ich, »gern.«

»Gut.«

Ich fragte nicht nach der Mutter, denn ich wusste, daß kein Mensch sie zu Gesicht bekommen durfte; doch ansonsten war Sarm ein aufmerksamer und freundlicher Führer, der auf meine Fragen einging und interessante Besichtigungspunkte vorschlug. Wir bestiegen eine Transportscheibe, in deren Bedienung mich Sarm unterwies. Die Scheibe schwebt auf Gas und wird durch ein besonderes schwerkraftabstoßendes Metall leichter gemacht,, von dem noch die Rede sein soll. Die Geschwindigkeit wird durch einen kleinen Doppelstreifen gesteuert, auf den man seine Füße stellen muß; die Richtung wird durch den Fahrgast bestimmt, der sich – ähnlich wie bei den altbekannten Rollschuhen oder Rollbrettern – zur Seite neigen muß.

Nimmt man die Fußspitze von der Beschleunigungszelle, bremst die Scheibe ab – mehr oder weniger sanft, je nach dem vorhandenen Platz.

Dieses Steuersystem wird durch eine automatische Abtastzelle geleitet, die die Bremsgeschwindigkeit bestimmt; sie ist allerdings nur aktiviert, wenn die Scheibe nicht gerade beschleunigt wird.

Auf meine Bitte führte mich Sarm in den Beobachtungsraum, von wo die goreanische Welt unter Kontrolle gehalten wird.

Ein Netzwerk kleiner Schiffe, vom Boden aus nicht zu sehen und durch Fernsteuerung gelenkt, tragen die Linsen und Empfänger, die ihre Informationen ins Sardargebirge abstrahlen. Ich sagte Sarm, daß Satelliten doch weitaus weniger teuer wären, doch dem widersprach er.

Damals wusste ich noch nicht, daß sich die Priesterkönige auch die Schwerkraft zunutze machen konnten.

»Der Grund für diese Art atmosphärischer Beobachtung liegt darin, daß das Signal weitaus definitiver ist, wenn man sich näher am Beobachtungspunkt befindet. Vom Weltall aus brauchten wir weitaus präzisere Geräte.«

Die Empfänger der Überwachungsschiffe nahmen Lichtmuster, Gerüche und Geräusche auf, die selektiv gesammelt und verstärkt ins Sardargebirge abgestrahlt und dort überwacht und analysiert wurden. In großen Beobachtungszellen nachvollzogen, wurden diese Informationen von Priesterkönigen abgelesen. Überflüssig zu erwähnen, daß eingehende Signale natürlich auch aufgezeichnet werden konnten.

»Wir wenden ein zufälliges System an, das auf lange Sicht wirksamer ist als ein genau vorher festgelegter Beobachtungsplan. Natürlich suchen wir uns auch bestimmte Koordinaten heraus und beobachten durchgehend, wenn wir auf etwas Wichtiges oder Ungewöhnliches gestoßen sind.«

»Wurde die Vernichtung der Stadt Ko-ro-ba aufgezeichnet?«

»Nein«, erwiderte Sarm, »das war für uns ziemlich nebensächlich.«

»Ich habe einmal einen Mann den Flammentod sterben sehen. Befindet sich dieser Apparat ebenfalls hier?«

»Ja«, sagte Sarm und deutete mit einem Vorderbein auf einen Metallschrank an einer Wand. Mehrere Knöpfe und Anzeigetafeln schimmerten daran. »Die Projektionspunkte für den Flammentod befinden sich in den Überwachungsschiffen, aber die Koordinaten werden hier bestimmt, und das Feuersignal wird aus diesem Raum gegeben.«

Ich sah mich um. Der Raum war sehr lang, in vier Ebenen gehalten, die sich fast wie Stufen übereinander auftürmten. Auf diesen Ebenen erstreckten sich Beobachtungswürfel aus durchsichtigem Material, von denen es nach Sarms Angaben vierhundert gab. In jedem dieser Räume saß ein Priesterkönig, groß, wachsam, reglos. Ich wanderte an einigen Beobachtungswürfeln entlang und starrte hinein. In den meisten zeichnete sich die langsam dahinwandernde Landschaft Görs ab; einmal sah ich auch eine Stadt, die ich aber nicht erkannte.

»Das interessiert dich vielleicht«, sagte Sarm und deutete auf einen bestimmten Beobachtungsstand. Hier wurde die Szene nicht von oben gesehen, sondern die Beobachtungslinse schien senkrecht zu stehen.

Zu sehen war eine Straße, die von einigen Bäumen gesäumt war.

»Hier sehen wir mit den Augen eines Eingepflanzten«, sagte Sarm.

Ich hielt den Atem an.

Sarms Fühler krümmten sich. »Ja«, sagte er, »seine Pupillen sind durch Linsen und ein Kontrollnetz ersetzt, und ein Sender ist mit seinem Gehirngewebe verschmolzen. Er selbst ist bewusstlos, wenn das Netz aktiviert ist. Später gewähren wir ihm Ruhe, und er kann dann wieder sehen und hören und denken.«