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»Ich möchte sichergehen«, sagte Sarm, »daß deine Waffe hier nicht wieder verschlossen werden kann.« Als fiele es ihm erst jetzt ein, fügte er hinzu: »Ich bin dein Freund.«

»Es ist wirklich ein Glück für mich, einen solchen Freund zu haben«, antwortete ich. Für mich war klar, daß Sarms Vorgehen den Eindruck erwecken sollte, als wäre der Schrank gewaltsam geöffnet worden.

»Woher hast du die grünen Blätter?« fragte ich.

»Wir züchten sie in besonderen Räumen unter Lampen«, antwortete Sarm. »Sie werden von allen Priesterkönigen getragen im Angedenken an den Hochzeitsflug, der stets im Freien stattfindet – wo es viel grüne Dinge gibt.«

Sarms Vorderbeine berührten die Metallstücke an seinem Halsband.

»Auch diese Dinge haben ihre Bedeutung.«

»Es sind Schmuckstücke zum Fest von Tola«, sagte ich.

»Nicht nur«, erwiderte Sarm, »schau sie dir genau an.«

Ich näherte mich dem Priesterkönig und betrachtete die Metallstücke.

Einige erinnerten mich an Schaber, andere an Ahlen, andere wieder an Messer.

»Es sind Werkzeuge!« sagte ich überrascht.

»Vor langer Zeit, in Nestern, die längst vergangen sind, hat mein Volk mit diesen Werkzeugen die Reise begonnen, die letztlich zum Status der Priesterkönige führte.«

»Aber was ist mit den Modifikationen des Gangliennetzes?« fragte ich.

»Ah, Misk hat dir schon davon erzählt, nicht wahr?« erwiderte Sarm.

»Aber diese Werkzeuge sind vielleicht schon älter als die Modifikationen des Netzes. Es ist denkbar, daß es ohne sie und ohne die Veränderungen, die sie vor Urzeiten bewirkten, keine Modifikationen gegeben hätte, da diese dann ohne praktischen Nutzen gewesen wären.«

»Dann will mir also scheinen, als stecke in diesen Metallwerkzeugen die eigentliche Macht der Priesterkönige«, sagte ich.

»Das ist unklar«, sagte Sarm und zuckte irritiert mit seinen Fühlern.

»Also gut«, sagte ich.

Es freute mich, daß sich Sarm nur mühsam zu beherrschen vermochte.

Sein ganzer Körper schien zu zittern. Er drückte seine Vorderbeine zusammen, um das instinktive Auslösen der Knochenklingen zu verhindern.

»Übrigens«, sagte ich und maß instinktiv die Entfernung zu Sarm, »wie bringt man einen Priesterkönig um?«

Sarm entspannte sich. »Mit deiner winzigen Waffe wird das nicht einfach sein, »aber Misk wird dir nicht widerstehen können, also kannst du dir Zeit lassen.«

»Du meinst, ich soll ihn abschlachten?«

»Schlag auf die Gehirnkuppeln an Hals und Brust«, sagte Sarm. »Dazu brauchst du wahrscheinlich nur etwa fünfzig Hiebe.«

Der Mut wollte mich verlassen. Es hatte nun fast den Anschein, als könnte ich den Priesterkönigen mit meiner Klinge nichts anhaben, wenn ich sie auch zu verletzen vermochte. Ich überlegte, daß es doch einen lebenswichtigen Punkt geben musste, von dem Sarm noch nicht gesprochen hatte, vermutlich ein wichtiges Organ oder eine Organgruppe zur Bewegung der Körperflüssigkeiten der Priesterkönige, ein Organ, das der Funktion nach unserem Herzen entsprach. Natürlich würde er mir das nicht verraten, denn er zog es bestimmt vor, daß ich auf Misk herumhackte, als wäre er eine gefühllose Fungusmasse. Selbst wenn ich Misk nicht wohlgesonnen gewesen wäre, hätte ich das nicht getan; denn so tötet ein ausgebildeter Krieger nicht. Ich wäre auf einen schnellen Tod ausgewesen.

»Wirst du mich begleiten, wenn ich Misk umbringe?« fragte ich.

»Nein, denn es ist Tola, und ich muß der Mutter Gur geben.«

»Was bedeutet das?«

»Das geht Menschen nichts an.«

»Also gut.«

»Draußen findest du eine Transportscheibe und die beiden Muls Mul Al-Ka und Mul Ba-Ta. Sie bringen dich zu Misk und werden dir später bei der Beseitigung der Leiche helfen.«

»Kann ich mich auf sie verlassen?«

»Natürlich, sie sind mir treu ergeben.«

»Und das Mädchen?«

»Mul Al-Ka und Mul Ba-Ta werden dir sagen, wo du sie findest.«

»Aber brauche ich die beiden Muls? Es wüssten zu viele von der Tat.«

»Keine Sorge. Ich habe ihnen befohlen, sich in der Vernichtungskammer zu melden, wenn alles vorüber ist.« Sarm schwieg einen Augenblick und kam dann meinem Einwand zuvor: »Sicher, Kusk wird sich eine Zeitlang ärgern, aber daran kann ich nichts ändern. Und er kann ja immer neue Muls schaffen, wenn es ihm Spaß macht.«

»Ich verstehe«, sagte ich.

»Außerdem hat er sie mir geschenkt, und ich kann damit machen, was ich will.«

»Also gut«, sagte ich.

»Ich wünsche dir Glück bei deinem Unternehmen«, fuhr Sarm fort.

»Damit tust du dem Nest und den Priesterkönigen einen großen Dienst und wirst großen Ruhm gewinnen und ein Leben in Ehre und Reichtum.

Sarm ist dein Freund.«

Als ich mich zum Gehen wandte, sah ich, wie Sarm sein Übersetzungsgerät abschaltete. Er winkte mir kurz nach – anscheinend eine wohlwollende Geste des Abschieds.

Doch meine Nase, die nun schon auf die Geruchssignale der Priesterkönige eingestimmt und durch meine Übungen mit Misks Übersetzungsgerät trainiert war, entzifferte die Geruchsbotschaft, die er mir nachschickte und die natürlich nicht mehr übersetzt wurde: »Stirb, Tarl Cabot!«

Ich lächelte und verließ die Unterkunft.

20

Draußen traf ich Mul Al-Ka und Mul Ba-Ta, die aus gutem Grund nicht sehr guter Stimmung zu sein schienen.

»Wir haben Anweisung«, sagte Mul Al-Ka, »dich zum Priesterkönig Misk zu bringen, den du töten wirst.«

»Anschließend sollen wir dir bei der Beseitigung der Leiche helfen«, fügte Mul Ba-Ta hinzu.

Ich lächelte und betrat die Transportscheibe, auf der die beiden Muls standen. Sie wandten mir ostentativ den Rücken zu. Mul Al-Ka betätigte den Beschleunigungsstreifen und lenkte die Scheibe in einen breiten Tunnel.

»Eure Anweisungen seid ihr nun losgeworden«, sagte ich nach kurzem Schweigen und schlug den beiden auf die Schultern. »Jetzt sagt mir, was ihr wirklich wollt.«

»Du merkst bestimmt, wir haben uns so hingestellt, daß du uns mühelos von der Scheibe stoßen kannst.«

»Die Absicht habe ich nicht.«

»Oh«, sagte Mul Al-Ka.

»Es schien uns eine gute Idee zu sein«, bemerkte Mul Ba-Ta.

»Warum wollt ihr von der Scheibe gestoßen werden?« fragte ich.

»Damit du Zeit zur Flucht hast und dich verstecken kannst«, sagte Mul Ba-Ta.

»Aber ich soll doch mit Ehren und Reichtümern belohnt werden.«

Die beiden Muls schwiegen. Eine seltsame Traurigkeit schien sich ihrer bemächtigt zu haben, eine Stimmung, die ich eigentlich rührend fand, die jedoch auch etwas Komisches hatte, da beide gleichermaßen davon befallen waren.

»Schau, Tarl Cabot«, sagte Mul Al-Ka plötzlich, »wir möchten dir etwas zeigen.«

Mit diesen Worten schwang er die Transportscheibe ruckartig herum und raste in einen Seitentunnel. Eine Zeitlang schössen wir mit Höchstgeschwindigkeit dahin, bis wir elegant vor einem großen Stahlportal zum Stillstand kamen.

»Was soll das?« fragte ich.

»Wir haben Anweisung, nicht mit dir zu sprechen«, sagte Mul Al-Ka.

»Habt ihr Anweisung, mich hierher zu bringen?«

»Nein«, sagte Mul Ba-Ta. »Es hat mit den Ehren und den Reichtümern und den Priesterkönigen zu tun.«

Der Saal, in dem wir uns nun befanden, war leer und unterschied sich eigentlich nicht von der Anlage, in der ich ›behandelt‹ worden war.

Allerdings gab es keine Beobachtungsschirme sondern nur eine schwere kugelförmige Apparatur hoch über unseren Köpfen. Die Kugel war an gegliederten Halterungen befestigt, die aus der Decke kamen.

Zahlreiche Drähte, von der Kugel ausgehend, verschwanden in der Decke.

Ich hatte das Gefühl, von diesem Gerät schon einmal gehört zu haben.

Eine Tür öffnete sich, und zwei plastikbekleidete Muls schoben eine auf Gas schwebende Scheibe herein. Sie platzierten sie unmittelbar unter dem Kugelgerät an der Decke. Auf der Scheibe befand sich eine Art Plastikblock und darin ein Mädchen, in die traditionelle Robe der Verhüllung gekleidet. Nur ihr Kopf war frei, so daß sie atmen konnte.