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»Es tut mir leid, Vika aus Treve«, sagte ich leise.

Seltsamerweise schien ihr Körper keinerlei Wunden aufzuweisen.

Ich fragte mich, ob sie etwa aus Angst gestorben war.

Es waren keine Kratzer oder Prellungen zu sehen. Ihr Körper war völlig intakt.

Ich fand keinen Hinweis auf die Art ihres Todes – bis auf einen kleinen Einstich an ihrer linken Flanke, durch den eine Art Gift hatte injiziert werden können. Dieser Eindruck wurde verstärkt durch fünf runde Schwellungen, die sich von ihrem Schenkel an ihrer Seite entlangzogen.

Diese Schwellungen, hart und rund, schienen unter der Haut zu liegen, möglicherweise eine Reaktion auf das Gift, das ihr anscheinend eingespritzt worden war.

Ich fuhr mir mit dem Arm über die Stirn.

Ich konnte nichts für sie tun, außer vielleicht den Goldenen Käfer zu jagen.

Ich fragte mich, ob ich sie irgendwo vergraben sollte, aber das erschien mir angesichts der Felstunnels ein unmögliches Unterfangen. Ich konnte sie aus der unschönen Höhle tragen, aber solange das Ungeheuer nicht vernichtet war, gab es keine Sicherheit für die Tote.

Ich wandte ihr den Rücken und machte mich daran, die Tunnels nach dem Goldenen Käfer abzusuchen, der jedoch verschwunden zu sein schien.

Das Schwert in der Rechten, die Mul-Fackel in der Linken, so stolperte ich durch die Gänge. Es war eine lange, unheimliche Suche, während der mein Hass auf den Goldenen Käfer gegen mein Mitleid mit Vika kämpfte – bis ich mich schließlich von solchen störenden Gefühlen freimachte, und ganz in meiner Aufgabe aufging – Doch meine Gedanken kehrten immer wieder zu dem Mädchen zurück. Ich hatte sie seit einigen Wochen nicht mehr gesehen. Wieso war sie erst jetzt in diese Tunnels gebracht worden? Wie hatte sie so lange überleben können? Und wieso hatte der Goldene Käfer sie nicht aufgefressen?

Und ich wunderte mich über die fünf seltsamen Schwellungen an ihrem Körper.

Misk hatte mir gesagt, ich würde zu spät kommen, denn der Goldene Käfer würde bald ausschlüpfen.

Ein Entsetzensschrei kam über meine Lippen, und ich wandte mich um und rannte zurück, so schnell mich meine Beine trugen.

Immer wieder stieß ich gegen Felsvorsprünge, verletzte mir Schultern und Beine an scharfen Kanten, doch ich verlangsamte meinen Schritt nicht. Ich brauchte nicht einmal auf die winzigen Zeichen zu achten, die ich zur Orientierung an die Tunnelwände gekratzt hatte, denn ich schien jede Kurve und Biegung aus dem Gedächtnis zu kennen.

Ich stürzte in die Höhle des Goldenen Käfers und hielt die Fackel in die Höhe. »Verzeih mir, Vika!« rief ich.

Ich fiel neben ihr auf die Knie und stieß die Mul-Fackel in einen Felsspalt.

Aus ihrem Fleisch blickten mich an einer Stelle die schimmernden Augen eines Organismus an, goldenfarbig und etwa so groß wie eine junge Schildkröte, ein Wesen, das sich aus einer ledrigen Hülle zu befreien versuchte. Mit dem Schwert löste ich das Ei und zerdrückte es und das Wesen unter meiner Sandale.

Vorsichtig entfernte ich das zweite Ei auf gleiche Weise und zertrat es, ebenso wie die anderen drei Eier.

Dann nahm ich mein Schwert, wischte auf einer Seite das schützende öl ab und hielt den schimmernden Stahl vor den Mund des Mädchens. Als ich die Klinge anhob, stieß ich einen Freudenschrei aus, denn ein Stück Metall war beschlagen.

Ich nahm Vika in die Arme und drückte sie an mich.

»Mein Mädchen!« sagte ich. »Du lebst!«

24

In diesem Augenblick hörte ich ein leises Geräusch. Als ich aufblickte, entdeckte ich zwei flackernde Augen, die mich von einem der Tunnelausgänge her anstarrten.

Der Goldene Käfer war nicht ganz so groß wie ein Priesterkönig, doch entschieden gewichtiger. Er hatte etwa den Umfang eines irdischen Nashorns, und als erstes fielen mir zwei hohle, große Zangen auf, mit mehrfachen Spitzen versehen, die etwa einen Meter vor dem Körper zusammentrafen. Es schien sich um eine Art Mutation der Kieferwerkzeuge eines Käfers zu handeln. Die Sensorenantennen waren im Gegensatz zu denen der Priesterkönige nur sehr kurz. Sie bogen sich zur Seite und endeten in Quasten aus goldenem Haar. Ganz seltsam muteten mehrere Stränge goldenen Haares an, eine Art Mähne, die sich vom Kopf des Wesens über seinen gewölbten goldenen Rücken zogen und hinten fast bis zum Boden reichten. Der Rücken selbst schien in zwei Hälften geteilt, bei denen es sich vor Urzeiten um Hornflügel gehandelt haben mochte, doch nun waren die beiden Teile an den Berührungsstellen zusammengewachsen und bildeten einen einheitlichen starren goldenen Panzer. Der Kopf des Wesens war unter den Panzer gezogen, doch die Augen waren deutlich zu sehen, und natürlich die Kieferwerkzeuge.

Ich wusste, daß das Wesen Priesterkönige töten konnte.

Am meisten belastete mich die Sorge um die Sicherheit Vikas. Mit gezogenem Schwert machte ich mich zum Kampf bereih. Das Wesen schien verwirrt zu sein und machte keine Anstalten, anzugreifen. Zweifellos war ihm in seinem langen Leben Ähnliches noch nicht vorgekommen. Es wich ein Stück zurück und zog den Kopf noch tiefer unter den Panzer. Es hob die langen, röhrenförmigen Zangen vor die Augen, als wollte es sie vor dem Licht schützen.

Da fiel mir ein, daß das Licht der Mul-Fackel das Wesen vielleicht geblendet hatte. Vielleicht wirkte auch der Geruch des flackernden Lichts auf den empfindlichen Geruchssinn des Goldenen Käfers ein, so daß er sich vorübergehend nicht zurechtfand.

Offensichtlich begriff das Wesen noch nicht, was sich in seiner Höhle abgespielt hatte.

Ich ergriff die Mul-Fackel und schwenkte sie in Richtung Käfer, in der Erwartung, daß sich das Tier hastig zurückziehen würde, aber es geschah nichts, außer daß er die kneiferartigen Arme hob. Das kam mir sehr unnatürlich vor, als sei das Wesen blind, oder eine blinde, fleischfressende Pflanzenwucherung. Eins wurde mir klar: Der Käfer fürchtete mich oder die Flamme nicht.

Ich zog mich einen Schritt zurück, und das Wesen rückte auf sechs kurzen Beinen vor.

Ich überlegte, daß ich dem Wesen wahrscheinlich kaum zu schaden vermochte, besonders wenn es seinen Kopf unter den Panzer gezogen hatte. Dies bewirkte natürlich auch, wie ich hoffte, eine Einengung seiner Sinneswahrnehmungen – weniger das Sehvermögen, auf das sich die Priesterkönige und dieses Höhlenwesen wahrscheinlich ohnehin nicht verließen, sondern eher der Geruchssinn der kurzen Fühler, die ebenfalls ein Stück unter dem hornigen Panzerrand verschwunden waren.

Ich steckte das Schwert in die Scheide und kniete neben Vika nieder, ohne den Blick von dem Wesen zu nehmen, das etwa vier Meter vor mir verhielt.

Ich tastete auf Vikas Gesicht herum und schloß ihre Augen, damit sie nicht länger blind ins Leere starrte.

Ihr Körper war noch starr von dem Gift, das die Lähmung hervorgerufen hatte, aber schon kam sie mir wärmer und weniger steif und reglos vor – wahrscheinlich begann sich bereits auszuwirken, daß ich die Eier entfernt hatte.

Als ich das Mädchen berührte, kam der Käfer einen weiteren Schritt näher.

Er begann zu zischen.

Dieses Geräusch schockierte mich einen Augenblick, denn ich war an das unheimliche Schweigen der Priesterkönige gewöhnt.

Jetzt begann das Insekt, seinen Kopf unter dem goldenen Panzer hervorzustrecken, und die mit Goldhaaren besetzten Antennen wanden sich hin und her und erkundeten die Höhle.

Mit dem rechten Arm hob ich Vika über meine Schulter und stand auf.

Das Zischen wurde lauter.

Offensichtlich wollte der Käfer nicht, daß ich Vika aus der Höhle trug.

Meine Last auf der Schulter, die Mul-Fackel in einer Hand, so ging ich langsam rückwärts auf einen Tunnelausgang zu.

Das Wesen folgte mir, verharrte jedoch, als es das Mooslager erreichte und zwischen den Oberresten der zertretenen Eier herumzusuchen begann.