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Ich hatte keine Vorstellung, wie schnell der Käfer zustoßen konnte; trotzdem machte ich kehrt und eilte durch den Gang, so schnell ich konnte. In Anbetracht seines Gewichts und seiner dünnen Beine hoffte ich, daß das Insekt nicht allzu beweglich war.

Etwa eine Ehn später hörte ich aus der Höhle einen der seltsamsten und entsetzlichsten Laute, der mir je in den Ohren geklungen hatte – ein langer, wilder, verzweifelter Hauch, mehr ein Ausatmen, fast ein Zischen, fast auch ein Schmerzensschrei, ein Laut des Erkennens und der Qual.

Ich blieb stehen und lauschte.

Nun hörte ich deutlich, daß der Goldene Käfer die Verfolgung aufgenommen hatte.

Ich rückte Vika auf meiner Schulter zurecht und setzte meine Flucht fort.

Nach wenigen Ehn blieb ich wieder stehen. Offensichtlich traf meine Vermutung zu: der Käfer kam nur langsam voran. Und doch wusste ich, daß er sich dort hinten irgendwo bewegte, daß er seine Rache nicht so schnell vergessen würde. Langsam kam er, geduldig, unaufhaltsam wie der Anbruch des Winters.

Ich setzte Vika ab und lehnte die Mul-Fackel an die Felswand der Höhle.

Der Gedanke, daß der Käfer seine Beute in diesen Tunnels stundenlang, vielleicht über Tage hin verfolgte, erschien mir unwahrscheinlich, ein Rätsel der Natur. Aber ich hatte seinen Körper gesehen und wusste, daß dieses Insekt sich nicht längere Zeit mit großer Schnelligkeit bewegen konnte. Wie war es dann möglich, daß ein schwerfälliges Wesen, wie fürchterlich seine Kampfkraft aus der Nähe auch sein mochte, an eine so wachsame und schnelle Intelligenz wie die Priesterkönige herankam?

Ich bewegte Vikas Arme und Beine und rieb ihre Hände, um ihren Blutkreislauf anzuregen. Dann beugte ich mich über ihr Herz und stellte zu meiner Freude ein leises Pochen fest. Auch am Handgelenk spürte ich nun einen leichten Puls.

Die Luft in den Tunnels des Goldenen Käfers war schlecht.

Wahrscheinlich waren sie nicht so gut gelüftet wie das Nest der Priesterkönige. Plötzlich wurde mir der Sauerstoffmangel bewußt, und ich merkte, wie erschöpft und hungrig ich war. Ich setzte mich, um ein wenig auszuruhen; der Käfer war weit zurück. Jedenfalls hatte ich Zeit, kurz die Augen zu schließen.

Ich schreckte aus dem Halbschlaf. Der entsetzliche Geruch umgab mich.

Ich sah die schimmernden Augen. Die goldenen Haare auf dem Rücken standen hoch und zitterten, und von ihnen ging der Geruch aus.

Ich schrie auf, als ich die Berührung zweier langer, gebogener Objekte spürte.

25

Meine Hände umfassten die schmalen, hohlen Zangen des Goldenen Käfers und versuchten sie auseinanderzulegen. Doch der Druck nahm weiter zu. Die Spitzen waren mir schon unter die Haut gedrungen, und zu meinem Entsetzen spürte ich ein seltsames Ziehen und begriff, daß das Wesen zu saugen begonnen hatte. Aber ich war Mensch und nicht Priesterkönig, und ich begann mich zu wehren. Ich hieb gegen die grausigen Saugzangen, stemmte sie unter Aufbietung meiner ganzen Kräfte auseinander. Das Wesen zischte, als ich die beiden gebogenen Kiefernspitzen immer weiter auswärts drängte, bis sie plötzlich mit lautem Schnappen abbrachen und zu Boden fielen.

Das Zischen hörte auf.

Der Käfer taumelte, sein goldener Panzer erzitterte, und der Kopf verschwand unter dem Schutzrand. Das Tier wich vor mir zurück. Ich folgte ihm, legte beide Hände unter den Rückenpanzer und hievte es langsam auf den Rücken. Als es dann hilflos vor mir lag, mit ohnmächtig wirbelnden Beinen, zog ich mein Schwert und stach wieder und wieder in den schutzlosen weichen Bauch, bis das Ding sich nicht mehr rührte.

Mich schauderte. Der Geruch des Goldenen Käfers war übermächtig, und ich beschloß, mich davonzumachen.

In diesem Augenblick begann die Mul-Fackel zu zischen.

Ich fragte mich, wie viele andere Goldene Käfer in der Nähe lauerten.

Dann überlegte ich, wo ich mein Schwert reinigen konnte.

Mein Blick fiel auf Vika, die noch nichts zum Kampf beigetragen hatte.

Ich riß ein Stück Stoff aus ihrem Rock und reinigte damit Hände und Klinge.

Ich lächelte, als ich daran dachte, daß dieses Mädchen nach den goreanischen Gesetzen jetzt mir gehörte – ihre Freiheit war also nur kurz gewesen. Ich konnte mir ihre Wut vorstellen, wenn ihr die Wahrheit dämmerte.

Aber jetzt kam es darauf an, aus dem Tunnelsystem herauszukommen und einen Zufluchtsort für das Mädchen zu finden, wo es sich von dem Angriff des Goldenen Käfers erholen konnte.

Wo war ein solches Versteck zu finden?

Inzwischen wusste Sarm bestimmt, daß ich Misk nicht umgebracht hatte, und das Nest war kein sicherer Ort mehr für mich und für alle, die mit mir zu tun hatten.

Ob ich wollte oder nicht, meine Taten hatten mich mit Misks Schicksal verbunden. Als ich mein Schwert einstecken wollte, hörte ich vor mir im Gang ein leises Geräusch. Im Lichte der langsam verlöschenden Mul-Fackel wartete ich reglos.

Es näherte sich kein zweiter Käfer, obwohl es sicherlich noch weitere Exemplare im Tunnelsystem gab, sondern ein anderer Bewohner dieser düsteren Felsenwelt – der weißliche, lange, blinde Schleimwurm.

Sein winziger Mund an der Unterseite des Körpers berührte hier und dort den Steinboden wie der tastende Finger eines Blinden, und der lange, weißliche gummiartige Körper zog sich zusammen und rückte vor, bis das Wesen nur noch einen Meter von mir entfernt war.

Der Schleimwurm hob das vordere Ende seines langen Körpers, und der winzige rote Mund an der Unterseite schien mich anzustarren.

»Nein«, sagte ich, »der Goldene Käfer hat hier noch keine Beute gemacht.«

Keine Reaktion. Ich schüttelte mich, steckte mein Schwert ein und beugte mich zu Vika hinab. Ich war lange genug hier unten gewesen.

Ich nahm das Mädchen auf die Arme und küßte es auf die Wange. Die Mul-Fackel flackerte ein letztes Mal und tauchte uns in Dunkelheit.

Ich spürte das Leben, das in den Körper des Mädchens zurückgekehrt war, und war glücklich.

Langsam wandte ich mich um und wanderte durch den Tunnel.

In der Schwärze hinter mir hörte ich die Freßgeräusche des Schleimwurms.

Obwohl ich nur langsam vorankam, hatte ich keine Mühe, den Weg zum Ausgang des Tunnelsystems zu finden.

Als ich die Tunnels betreten hatte, hatte ich meinen Weg mit kleinen Pfeilen markiert, die ich mit dem Schwertgriff in Augenhöhe links an die Tunnelwände kratzte. Ich hatte diese Zeichen angebracht, da ich im Gegensatz zu vielen anderen, die hier herkamen, zurückzukehren gedachte.

Als ich das Portal erreichte, durch das ich eingetreten war, fand ich es verschlossen. Das überraschte mich nicht, auch nicht die Tatsache, daß es auf dieser Seite keinen Griff und auch keine sonstige Vorrichtung zum öffnen gab, denn angeblich gaben die Tunnels des Goldenen Käfers niemanden wieder frei. Die Portale wurden gelegentlich geöffnet, um dem Käfer Zutritt zum Nest zu gewähren, aber ich hatte keine Vorstellung, wann das wieder einmal fällig war.

Obwohl die Tür dick war, hätte man mein Klopfen auf der anderen Seite sicher gehört.

Andererseits hatten mir die Muls, die das Portal bewachten, erklärt, daß sie mir nicht öffnen dürften, nachdem ich einmal hindurchgeschritten wäre. Das wäre ein Gesetz der Priesterkönige. Ich wusste natürlich nicht, wie sie sich wirklich verhalten würden, aber ich hielt es für das beste, wenn sie in aller Ehrlichkeit berichten konnten, daß sie mich in die Tunnels hätten gehen sehen, ohne daß ich zurückgekehrt wäre.

Offensichtlich hatte es in Sarms Absicht gelegen, daß ich in den Höhlen umkam, also hielt ich es für gerechtfertigt, ihn in diesem Glauben zu belassen.

Ich wusste, daß die Tunnels des Goldenen Käfers ebenso wie sämtliche anderen Räumlichkeiten des Nests belüftet wurden, und hoffte die Belüftungsschächte zu benutzen, um mein Gefängnis unbemerkt zu verlassen. Wenn das nicht möglich war, wollte ich das Gangsystem weiter erkunden und einen anderen Ausgang suchen, und wenn es zum Schlimmsten kam, konnten Vika und ich bestimmt einige Zeit überleben.

Immerhin kannten wir jetzt die Gefahren und Schwächen des Goldenen Käfers. Und wenn das Portal wieder einmal geöffnet wurde, konnten wir vielleicht unbemerkt entfliehen.