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Ich blickte auf sie herab. Sie rührte sich nicht von der Stelle.

Unwillkürlich musste ich an die Klugheit dieser leidenschaftlichen Schauspielerin denken, der schon so viele Männer erlegen waren. Und doch wusste ich, daß ich mich nicht erweichen lassen würde, obwohl ich schon halb glaubte, daß man ihr trauen könnte.

Ich trat aus ihrer Kabine und hob den Arm, um die Plastiktür zu schließen.

Diese Bewegung schien Vika aus ihrer Erstarrung zu reißen, denn sie erzitterte plötzlich. »Nein!« rief sie. »Bitte, Herr!«

Sie eilte zu mir und warf sich in meine Arme. Süß schmeckten ihre Lippen auf den meinen, vermischt mit dem Salz ihrer Tränen, und dann stieß ich sie zurück, und sie stolperte rückwärts und prallte gegen die Wand.

Ich ließ die Plastiktür zugleiten.

Dann drehte ich den Schlüssel im Schloss und hörte das feste, schwere Zuschnappen des Mechanismus.

Vika aus Treve war meine Gefangene.

Das Mädchen warf sich gegen die Tür und trommelte mit den Fäusten dagegen. »Herr! Herr!« schrie sie.

Ich legte mir den Lederriemen mit dem Schlüssel um den Hals.

»Bis später, Vika aus Treve!« sagte ich.

»Herr!« rief sie und starrte mir nach. »Ich liebe dich!« Sie senkte den Kopf und streckte die Hände aus, wie um mich zu berühren.

»Darf ich fragen, wohin mein Herr geht?«

Ich überlegte einen Augenblick und lächelte sie an.

»Ich gehe, um der Mutter Gur zu geben.«

»Was bedeutet das?« fragte sie mit aufgerissenen Augen.

»Ich weiß es nicht – aber ich möchte es herausfinden.«

»Musst du unbedingt gehen?«

»Ja, ich habe einen Freund, der vielleicht in Gefahr ist.«

»Eine Sklavin kann sich freuen, einen solchen Herrn zu haben.«

Ich wandte mich zum Gehen.

Ihre Stimme erklang: »Ich wünsche dir alles Gute, Herr.«

Ich drehte mich um. Ihre Verstellung war fast vollkommen, fast überzeugend. Sie hatte mich so weit, daß ich an ihre Gefühle glauben wollte.

»Ja«, sagte ich, »Vika aus Treve – Sklavin – du spielst deine Rolle gut.«

Wütend, daß ich mich hatte täuschen lassen, verließ ich das Vivarium.

Ich hatte Wichtigeres zu tun, als mich mit diesem treulosen Mädchen abzugeben.

»Ich werde den weiblichen Mul gut versorgen«, sagte der Wärter, als ich an ihm vorbeistapfte.

»Wenn du willst«, erwiderte ich und wandte mich ab.

27

Das Fest von Tola dauerte an.

Allerdings war die vierte Mahlzeit schon vorbei.

Es waren fast acht goreanische Ahn – oder etwa zehn Erdenstunden vergangen, seit ich mich von Misk, Mul Al-Ka und Mul Ba-Ta getrennt hatte.

Die Transportscheibe, die mich ursprünglich zu dem Saal gebracht hatte, in dem ich dann Misk vorfand, hatte mich auch an das Tor getragen, das in das Reich des Goldenen Käfers führte, und dort sollte sie auch bleiben – ein stummer Zeuge meines Eintretens und meiner bisher nicht erfolgten Rückkehr.

Weniger gefiel mir, daß ich das Übersetzungsgerät auf der Transportscheibe gelassen hatte, aber mir war nichts anderes übriggeblieben.

Wer nahm schon ein solches Gerät mit in die Tunnels des Goldenen Käfers? Und wenn es nicht bei der Scheibe gefunden –wurde, mochte das Überlegungen auslösen – nicht daß ich womöglich zurückgekehrt sei, sondern daß ich die Welt des Käfers gar nicht erst betreten, sondern nur so getan hatte.

Ich wusste nicht, welche Bedeutung die Aussage der beiden Muls am Portal für die Priesterkönige haben würde.

Nach Verlassen des Vivariums war ich noch nicht weit gewandert, als ich meine Orientierung wiedergewann. Wenige Meter weiter entdeckte ich eine Transportscheibe, die auf ihrem Gaskissen vor einem der Portale des Versorgungssaals wartete. Das Fahrzeug war natürlich unbemannt, denn im abgeschlossenen, wohlregulierten Leben des Nestes waren Diebstähle – außer gelegentlich, wenn es um Salzrationen ging – unbekannt.

Daher setzte ich wahrscheinlich eine Art Markstein, als ich auf die Scheibe sprang und die Beschleunigungsstreifen berührte.

Kurz darauf raste ich mit meinem, sagen wir, entliehenen Fahrzeug durch die Tunnels.

Ich hatte noch keinen Pasang zurückgelegt, als ich die Scheibe vor einem anderen Portal der Versorgungshalle stoppte.

Ich trat ein und kehrte wenige Sekunden später in der purpurnen Tunika eines Mul zurück. Der Verwalter hatte die Kosten auf meine Veranlassung Sarm zugeschrieben und sagte mir, ich müsse meine Tunika sofort mit den erforderlichen Geruchssymbolen hinsichtlich meiner Identität, meiner Tadel und so weiter versehen lassen.

Ich beruhigte ihn mit dem Hinweis, daß ich mir die Sache ernsthaft überlegen wolle, und entschwand, während er mir noch gratulierte, daß es mir gestattet werde, Mul zu werden, anstatt niederer Matok zu bleiben. »Du bist nun nicht nur im Nest, sondern gehörst auch dazu.«

Draußen warf ich meine rote Plastikkleidung in die nächste Abfallröhre. Von dort wurde sie mit Luftdruck zu den fernen Verbrenneranlagen befördert.

Wieder sprang ich auf die Transportscheibe und ließ mich zu Misks Unterkunft tragen.

Dort verbrachte ich einige Minuten damit, mich mit Mul-Fungus zu stärken und einen langen Schluck aus meinem Wasserbehälter zu nehmen.

Während der Mahlzeit überlegte ich mir mein weiteres Vorgehen. Ich musste Misk finden – und wenn ich zusammen mit ihm starb!

Meine Gedanken wanderten zu Vika in ihrem Plastikkasten, der dem meinen ähnelte, auch wenn er ihr Gefängnis war. Ich betastete den Schlüssel zu ihrer Zelle, der an der Lederschlaufe um meinen Hals hing.

Ich ertappte mich bei der Hoffnung, daß die Gefangenschaft das Mädchen nicht zu sehr bedrückte – doch dann schalt ich mich wegen der Schwäche und redete mir ein, daß alle Leiden, die sie jetzt durchstehen musste, mehr als verdient waren. Ich schob den Schlüssel wieder in meine Tunika und dachte an den durchsichtigen Kasten in der vierten Reihe des Vivariums. Ja, die Zeit würde der geschorenen Vika lang werden!

Ich fragte mich, was aus Mul Al-Ka und Mul Ba-Ta geworden war.

Da auch sie Sarm Widerstand geleistet hatten, mussten sie nun auch Geächtete sein. Ich hoffte, daß sie ein Versteck gefunden hatten, wo es genügend zu essen gab. Ich schätzte ihre Chancen nicht sehr hoch ein, aber alles war besser als der Gang in die Vernichtungskammern.

Ich dachte auch an den jungen männlichen Priesterkönig in dem geheimen Labor unter Misks Quartier. Am besten hätte ich wohl Misk geholfen, indem ich ihn seinem Schicksal überließ und mich bemühte, das junge Wesen zu schützen – doch ich hatte wenig Interesse an solchen Dingen. Ich wusste nicht, wo das weibliche Ei zu finden war, noch hätte ich mich darum kümmern können, wenn mir sein Versteck bekannt gewesen wäre. Daß außerdem die Rasse der Priesterkönige geschwächt war und sterben mochte, schien einen Menschen wie mich nichts anzugehen, ganz zu schweigen von meinem Hass auf diese Wesen und von meiner Meinung über ihre Eingriffe in das Leben der Menschen dieser Welt.

Hatten sie nicht eine Stadt vernichtet? Hatten sie die Menschen Ko-ro-bas nicht in alle Winde zerstreut? Hatten sie nicht Männer den Flammentod sterben lassen, hatten sie auf Akquisitionsreisen nicht Menschen gegen ihren Willen auf diese Welt gebracht?

Hatten sie anderen Menschen nicht ihre Kontrollnetze eingepflanzt und aus der Menschenrasse die Mutation der Gur-Träger gezüchtet? Sahen sie uns nicht als niedere Ordnung von Tieren an, die gerade gut genug war, ihnen zu dienen? Und was war mit den Muls und den Kammersklaven und all jenen Menschen, die für sie arbeiten mussten, wenn sie nicht sterben wollten? Nein, sagte ich mir – es kann für den Menschen nur gut sein, wenn die Priesterkönige sterben. Aber Misk war anders, und er war mein Freund. Zwischen uns bestand Nestvertrauen, und so war ich als Krieger und als Mann bereit, mein Leben für ihn zu geben.

Ich überprüfte mein Schwert und verließ Misks Abteil, trat auf die Transportscheibe und raste lautlos durch die Tunnels.

Ich schlug die Richtung ein, in der ich die Höhle der Mutter wusste.