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Und aus tausend Übersetzungsgeräten klangen ihre Worte: »Ich sehe ihn, ich sehe ihn, und seine Flügel sind wie Goldregen!«

Dann sank die Gestalt langsam wieder auf die Plattform, und der Körper zitterte nicht mehr, und die Fühler lagen schlaff auf dem Steinboden.

Misk näherte sich ihr und berührte sie vorsichtig.

Er wandte sich an die Priesterkönige.

»Die Mutter ist tot«, sagte er.

28

Die fünfte Woche des Nestkriegs war angebrochen, und die Entscheidung stand noch immer auf des Messers Schneide.

Nach dem Tod der Mutter flohen Sarm und seine Getreuen aus der Höhle, um, wie sie sagten, die Silberröhren zu holen. Da Sarm Erstgeborener war, folgte ihm die Mehrzahl der Priesterkönige.

Bei den Silberröhren handelte es sich um geladene zylindrische Waffen, die etwa nach dem Prinzip des Flammentodes arbeiteten.

Jahrhundertelang hatten sie in ihren Behältern gelegen und waren nun im Handumdrehen kampfbereit. Mit einer solchen Waffe hätte sich ein Mann zum Ubar von ganz Gor aufschwingen können.

Nur etwa hundert Priesterkönige schlugen sich auf Misks Seite _ eine kleine Streitmacht, die über insgesamt nur ein Dutzend Silberröhren verfügte. Die größere Kampfkraft hatte auf jeden Fall der Gegner.

Misk richtete in seiner Unterkunft ein Hauptquartier ein, wo er über den Geruchskarten des Tunnelsystem brütete und seine Verteidigung plante.

In der Erwartung, uns mühelos zu zerschlagen, fegten Sarms Streitkräfte auf Transportscheiben durch Gänge und Höhlen – doch die Priesterkönige Misks ließen sich nicht blicken, sondern feuerten aus Hinterhalten und brachten Sarms unvorsichtigen Anhängern schwere Verluste bei.

So konnte die Übermacht des Erstgeborenen in etwa ausgeglichen werden, und es begann eine Phase gegenseitiger Infiltration, eine äußere Ruhe, die nur durch gelegentliche Scharmützel unterbrochen wurde.

Am zweiten Tag der zweiten Kampfwoche machte ich mich mit einer Transportscheibe auf den Weg in das Vivarium. Obwohl ich unterwegs Ausschau hielt, bemerkte ich keinerlei feindliche Truppen, auch keine Muls oder Matoks. Die Sklaven hatten sich wahrscheinlich entsetzt versteckt, als ihre Herren zu kämpfen begannen.

Ich war daher nicht wenig überrascht, als ich plötzlich ein leises Singen vernahm, das langsam lauter wurde. Ich hielt meine Transportscheibe an und wartete. In diesem Augenblick gingen die Energielampen des Tunnels aus – zum erstenmal seit Jahrhunderten waren die Leuchtquellen des Nests abgeschaltet.

Doch das Singen stockte nicht; es war, als machte die plötzliche Dunkelheit keinen Unterschied mehr.

Plötzlich erblickte ich in der Tiefe des Tunnels das blaue Leuchten einer Mul-Fackel, dahinter eine ganze Reihe zuckender Lichter, die sich seltsamerweise an der Tunneldecke entlangzubewegen schien. Es waren die Gur-Träger des Nests, die sich hier aber weit von ihren Unterkünften entfernt hatten. Der Zug kam über mir zum Stehen.

»Sei gegrüßt, Tarl Cabot«, sagte plötzlich eine Stimme von unten.

Ich hatte den Sprecher im ersten Augenblick gar nicht bemerkt. Nun erkannte ich das Zeichen auf seiner Tunika.

»Mul Al-Ka!« rief ich.

Er ergriff meine Hand. »Nur noch Al-Ka«, sagte er. »Ich habe beschlossen, daß ich kein Mul mehr bin.«

»Dann also Al-Ka!« rief ich.

Al-Ka hob den Arm. »Auch sie haben sich für die Freiheit entschieden.«

Eine dünne, zittrige Stimme ertönte von oben. »Wir haben lange auf diesen Moment gewartet. Sag uns, was wir tun sollen.«

Ich sah, daß die Gur-Träger – wie ich sie weiter nennen will – ihre goldenen Lederbeutel bei sich hatten.

»Sie bringen kein Gur«, sagte Al-Ka, »sondern Wasser und Fungus.«

»Gut«, sagte ich, »aber sage ihnen, sie brauchen nicht mitzukämpfen.

Der Krieg geht nur die Priesterkönige an.«

»Aber das Nest stirbt«, sagte eines der Wesen von der Decke, »und wir haben beschlossen, daß wir lieber in Freiheit sterben.«

»Es ist ihr Entschluß«, sagte Al-Ka. »Außerdem können sie tausend Meter weit in der Dunkelheit sehen, kommen mit sehr wenig Fungus am Tag aus und sind kräftig und mutig!«

»Wo ist Mul Ba-Ta?« fragte ich. Ich hatte die beiden Männer bisher immer zusammen gesehen.

»Er ist in die Weideräume und Fungushöhlen gegangen«, sagte Al-Ka.«

»Ich hoffe, daß er bald zurückkommt.«

»Das hoffe ich auch«, sagte Al-Ka. »Die Lichter sind abgeschaltet.

Priesterkönige brauchen kein Licht, aber Menschen sind in der Dunkelheit behindert.«

»Dann ist das Licht wegen der Muls abgeschaltet worden.«

»Die Muls lehnen sich auf«, sagte Al-Ka einfach.

»Dazu brauchen sie Licht«, sagte ich.

»Es gibt Menschen im Nest, die wissen damit Bescheid. Wir haben wieder Licht, sobald die nötigen Geräte gebaut sind und die Energie zugeleitet werden kann.«

Seine Ruhe verblüffte mich.

»Wohin fährst du?« fragte mich Al-Ka.

»Zu einem der Vivarien, um einen weiblichen Mul zu holen.«

»Eine gute Idee. Ich hole mir vielleicht eines Tages auch ein Mädchen!«

Als ich die runde Höhle des Vivariums erreichte, nahm ich meine Mul-Fackel und stieg zur vierten Reihe hinauf. Die Käfige waren leer, nichts regte sich.

Aber Vika war an Ort und Stelle. Sie hockte in einer Ecke.

Man hatte vergeblich versucht, ihre Kabine aufzubrechen. Ich nahm den Schlüssel zur Hand und öffnete die Tür.

Ein leiser Freudenschrei kam über Vikas Lippen, als sie mich er-Sie richtete sich auf und blinzelte in den Widerschein der Fackel, die ich in ihren Käfig hielt. Doch trotz ihres Lächelns schien sie sich zu fürchten.

Sie starrte mich zweifelnd an und sah dann die Gur-Wesen hinter mir, die wie Spinnen an der Decke der Vivariumhöhle klebten, grotesk anzuschauen im Licht der zahlreichen Mul-Fackeln.

»Was sind das für Wesen?«

»Ungewöhnliche Menschen«, sagte ich.

Sie musterte die kleinen runden Gestalten mit den langen Gliedern und den gepolsterten Füßen und langfingrigen Händen.

Hunderte von Augenpaaren starrten sie an.

Sie erschauerte.

Nachdem ich nun wusste, wie die Dinge im Nest standen, wollte ich sie nicht länger hier gefangenhalten. Ich hatte mir überlegt, daß sie trotz der Käfigplastik bei den Truppen Misks vielleicht sicherer war. Außerdem waren die Vivariumwächter verschwunden und die anderen Kabinen leer, so daß es nur eine Zeitfrage war, wann der Hunger einsetzte. Ich hatte keine Lust, regelmäßig herzukommen und sie zu versorgen. Wenn es nötig wurde, konnte ich sie sicherlich auch in der Nähe von Misks Hauptquartier einsperren lassen.

Ich wünschte, ich könnte ihr trauen – aber das war natürlich nicht möglich.

»Ich bin gekommen, um dich zu holen, Sklavenmädchen«, sagte ich langsam.

Vika sah mich an. Tränen standen in ihren Augen. »Danke, Herr.«

»Nenn mich Cabot, wie du’s schon getan hast.« Ich lächelte. »Du darfst mich küssen, wenn du willst.«

Mit einem Freudenschrei warf sie sich mir in die Arme. »Ich liebe dich, Herr!« rief sie. »Cabot, mein Herr!«

Ich wusste, daß ihre Worte nicht ehrlich gemeint sein konnten, aber ich berichtigte sie nicht. Ich hatte keine Lust mehr, Vika aus Treve grausam zu behandeln – was sie auch immer im Schilde führen mochte.

Nach einigen Minuten sagte ich ziemlich streng: »Ich habe keine Zeit mehr für solche Spielereien.«

Lachend gab sie mich frei.

Ich machte auf dem Absatz kehrt und verließ die Höhle, und Vika folgte mir. Wir gingen die Rampe hinab zur Transportscheibe.

Al-Ka beäugte das Mädchen.

»Sie ist sehr gesund«, sagte ich.

»Ihre Beine sehen nicht sehr kräftig aus«, bemerkte Al-Ka.

»Aber das macht mir nichts.«

»Mir auch nicht. Du kannst ihr ja noch ein Laufpensum geben, damit die Muskeln stärker werden.«