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Ich erschrak, als ich sah, daß seine Pupillen rot waren.

Bei meiner instinktiven Bewegung ging ein Ausdruck des Ärgers über sein Gesicht, doch im nächsten Augenblick war er wieder ganz der wohlwollende, freundliche Gastgeber.

»Komm, komm«, sagte er. »Komm, Cabot. Wir haben dich schon erwartet.«

Er kannte meinen Namen.

Wer wartete auf mich?

Aber natürlich kannte er meinen Namen, und bei den Wartenden musste es sich um die Priesterkönige Görs handeln.

Ich vergaß seine Augen, denn das erschien mir aus irgendeinem Grunde nicht mehr wichtig. Vielleicht hatte ich mich ja auch geirrt. Er war nun wieder in den Schatten des Tunneleingangs getreten.

»Du kommst doch, nicht wahr?« fragte er.

»Ja«, sagte ich.

»Ich heiße Parp«, sagte er und zog wieder an seiner Pfeife.

Er reichte mir nicht die Hand, und ich sah ihn stumm an. Ein seltsamer Name für einen Priesterkönig. Ich wusste allerdings nicht, was ich eigentlich erwartet hatte. Er schien meine Verwirrung zu spüren.

»Ja«, sagte er. »Parp.« Er zuckte die Achseln. »Kein besonders eindrucksvoller Name für einen Priesterkönig. Aber ich bin ja auch kein besonderer Priesterkönig.« Er lachte leise.

»Bist du Priesterkönig?« fragte ich.

»Natürlich«, sagte er.

Mir war, als wollte mein Herz stehenbleiben.

In diesem Augenblick brüllte einer der Larls. Ich fuhr zusammen, aber zu meiner Überraschung schien sich auch der Mann mit der Pfeife nicht ganz in der Gewalt zu haben. Mit weißer Hand umklammerte er seine Pfeife. Ich fand es seltsam, daß sich ein Priesterkönig vor einem Larl fürchtete.

Ohne sich umzusehen, marschierte der Mann nun in den Tunnel hinein.

Ich nahm meine Waffen und folgte ihm. Nur das Grollen der Berglarls, zwischen denen ich hindurchschritt, brachte mir in Erinnerung, daß ich nun endlich den Saal der Priesterkönige erreicht hatte.

4

Als ich dem Manne Parp folgte, schloß sich das Steinportal hinter mir.

Ich warf einen letzten Blick auf das Sardargebirge, auf den Weg, den ich erklommen hatte, auf den kalten blauen Himmel.

Der Priesterkönig schwieg und schritt energisch aus. Der Tunnel war mit Energielampen erleuchtet, wie ich sie aus den Tunneln unter der Stadt Ar kannte. In dieser Hinsicht schienen die Priesterkönige nicht weiter fortgeschritten zu sein als die Menschen im Schatten der Berge. Auch fehlte jeder Schmuck; glatt und farblos erstreckten sich die Felswände zu beiden Seiten.

Ich stellte fest, daß der Tunnel vielbegangen sein musste. Der Fußboden war von den Sandalen unzähliger Menschen blankgetreten, vielleicht schon vor Tausenden von Jahren, vielleicht auch erst gestern oder heute früh.

Dann erreichten wir einen riesigen Saal. Er war sehr schlicht, hatte in seiner Größe jedoch etwas Luftiges, Feierliches.

Am Eingang blieb ich überwältigt stehen. Es schien sich um eine riesige, vollkommene Kuppel zu handeln, die einen Durchmesser von mindestens tausend Metern hatte. Das Dach bestand aus einer schimmernden durchsichtigen Substanz, über der der vertraute blaue Himmel leuchtete.

»Komm weiter, Cabot«, sagte Parp.

Ich folgte ihm.

Der gewaltige Kuppelraum war leer bis auf eine Empore im Mittelpunkt.

Auf dieser Empore stand ein Thron, der aus einem einzelnen Felsblock gehauen schien.

Wir brauchten lange, um diese Empore zu erreichen.

»Warte hier«, sagte Parp schließlich und deutete auf eine Stelle außerhalb eines Rings aus Fußbodenfliesen, der den Thron umgab.

Mühsam erklomm Parp die neun Stufen, die zur Empore führten, und bestieg dann den Steinthron. Er bildete einen seltsamen Kontrast zu dem majestätischen Sessel, auf dem er hockte. Seine Sandalen reichten nicht ganz bis zum Boden hinunter, und er verzog etwas das Gesicht, als er sich zurechtsetzte.

»Offen gesagt, wir könnten hier gut ein Kissen gebrauchen«, sagte er und klopfte seine Pfeife am Thron aus, wobei Asche und Tabakreste zu Boden rieselten.

Ich beobachtete ihn reglos.

Dann begann er in einer Tasche zu fummeln, die an seinem Gürtel hing, und nahm einen Plastikumschlag heraus. Mit spitzen Fingern füllte er dann seine Pfeife mit frischem Tabak und nahm ein silbrigglänzendes Zylinderobjekt zur Hand. Einen Augenblick schien er es auf mich zu richten.

Ich hob meinen Schild.

»Bitte, Cabot!« sagte Parp leicht ungeduldig und benutzte das Silberobjekt, um seine Pfeife anzuzünden. Er lachte leise und zog an seiner Pfeife. Als er sie ausgeraucht hatte, klopfte er sie wieder aus und wiederholte den Vorgang des Stopfens.

»Hattest du eine gute Reise?« fragte er schließlich.

»Wo ist mein Vater?« fragte ich. »Was ist aus Ko-ro-ba geworden? Aus dem Mädchen Talena, die meine Freie Gefährtin war?«

»Die Reise hier herauf ist beschwerlich«, sagte Parp. »Liegt hauptsächlich am Wetter.« Er zog an seiner Pfeife.

Mein jahrelanger Hass auf die Priesterkönige begann an die Oberfläche zu dringen. Rote Kreise wirbelten vor meinen Augen, und eine seltsame Hitze brodelte in mir, suchte nach einem Ausgang. »Beantworte mir meine Frage!« brüllte ich.

»Auch bringen die Larls besondere Gefahren«, fuhr Parp gemütlich fort.

Mit einem Wutschrei wollte ich mich auf den Mann stürzen, doch ich hielt mich im letzten Augenblick noch zurück. Ich war kein Mörder.

Parp lächelte. »Das war klug von dir. Du hättest mich nämlich nicht verletzen können.«

Ich starrte ihn fragend an.

»Nein«, sagteer. »Versuch’s ruhig. Wirf deinen Speer.«

Ich zielte mit der Waffe auf die Empore und warf sie. Ein seltsames Knistern ertönte, Hitze schlug mir ins Gesicht. Ich fuhr zurück.

Am Fuße des Throns lagen Aschenreste und einige Tropfen geschmolzener Bronze.

»Wie du siehst«, sagte Parp, »hättest du mich nicht umbringen können.«

Jetzt begriff ich auch den Zweck des Fliesenkreises, der den Thron umgab.

Ich zog den Helm vom Kopf und warf meinen Schild zu Boden. »Ich bin dein Gefangener.«

»Unsinn«, sagte Parp, »nur mein Gast.«

»Ich behalte mein Schwert!« sagte ich. »Du musst dirs holen, wenn du es haben willst.«

Parp lachte. »Ich habe keine Verwendung dafür«, sagte er. »Du übrigens auch nicht.«

»Wo sind die anderen Priesterkönige?« fragte ich.

»Leider bin ich wohl der einzige.«

Parp schien seltsam unruhig zu werden. Sein Blick irrte hin und her.

Dann schaute er zur Kuppel auf. Es wurde Abend. Er schien nervös zu sein. Seine Finger spielten mit der Pfeife; Tabak rieselte zu Boden.

»Wirst du mir von meinem Vater, meiner Stadt und meiner Geliebten berichten?« fragte ich.

»Vielleicht«, sagte Parp. »Aber zunächst bist du sicher müde von der Reise.«

Es stimmte; außerdem verspürte ich Hunger.

»Nein«, sagte ich. »Ich möchte lieber reden.«

Die goreanische Nacht schien hereinzubrechen. Aus der Ferne hörte ich das Fauchen eines Berglarls. Parp schien auf seinem Thron zu erschauern.

»Hat ein Priesterkönig Angst vor einem Larl?« fragte ich.

Parps Lachen hatte etwas von seiner Fröhlichkeit verloren.

Ich fragte mich, warum man mich ins Gebirge hatte vordringen lassen und was ich hier im Saal der Priesterkönige sollte.

Plötzlich ertönte das widerhallende Dröhnen eines fernen Gongs, ein matter, doch durchdringender Laut, der durch weite Tunnel zu uns zu dringen schien.

Abrupt stand Parp auf. Sein Gesicht war bleich. »Unser Gespräch ist zu Ende«, sagte er. Mit schlecht verhohlenem Entsetzen blickte er sich um.

»Aber was ist mit mir, deinem Gefangenen?« fragte ich.

»Mein Gast!« berichtigte mich Parp ärgerlich, wobei er fast seine Pfeife fallen ließ. Er klopfte damit einmal gegen den Thron und steckte sie fort.

»Dein Gast?« fragte ich.

»Ja«, schnappte Parp und blickte wie gehetzt hin und her, »wenigstens solange, bis du vernichtet werden musst.«

Ich starrte ihn an. Im Dämmerlicht des Saales wollte es mir scheinen, als glommen die Pupillen des Priesterkönigs einen kurzen Moment hellrot auf, wie zwei winzige glühende Kupferstücke. Da wusste ich, daß ich mich vorhin nicht geirrt hatte. Seine Augen waren nicht die eines Menschen. Was immer Parp sein mochte – er war jedenfalls kein gewöhnlicher Mensch.