Tatsächlich haben die Priesterkönige vor langer Zeit ihre Welt durch Schwerkraftkontrolle in unser System gebracht – eine Ingenieursleistung, die ohne solche Vorkenntnisse unmöglich gewesen wäre.
Die Scheibe selbst fliegt unglaublich ruhig, und man hat das Gefühl, als bewege sich die Welt ringsum und nicht der Gleiter. Wenn man das Fahrzeug startet, scheint der Boden unter einem fortzufallen, und bewegt man sich horizontal, rast der Horizont auf einen zu.
Die Besatzung des ersten Schiffes bestand aus mir, Al-Ka und Ba-Ta.
Ab und zu setzte sich auch Misk ans Steuer, aber bei diesen Gelegenheiten war es ziemlich eng im Schiff. Ein Priesterkönig, wenn er nicht stehen kann, wird sehr schnell nervös, und da Misk das Schiff nicht von vornherein groß genug konstruiert hatte, hatte er sich wohl nicht mit dem Gedanken getragen, selbst an den Kämpfen gegen seine früheren Artgenossen teilzunehmen. Außerdem war das Schiff in seiner kleineren Form viel wendiger in den Tunneln.
Als wir mit dem Bau des Schiffes fertig waren, hatten wir das Gefühl, eine Waffe in der Hand zu haben, die den seltsamen unterirdischen Kampf entscheiden konnte. Das Feuer aus den Silberröhren konnte das Schiff beschädigen, doch das Käfigplastik bot ausreichend Schutz für die Besatzung.
Wir beschlossen, dem Gegner noch ein Ultimatum zu stellen und das Schiff nach Möglichkeit gar nicht einzusetzen. Wir beratschlagten noch über unser Vorgehen, als plötzlich ohne Vorwarnung eine Wand von Misks Hauptquartier zu verschwimmen schien. Sie hob sich an und verwandelte sich lautlos in Pulver, Misk griff nach mir und zerrte mich mit dem unglaublichen Tempo eines Priesterkönigs mit, stieß meine Kabine zur Seite, öffnete die Falltür und ließ sich hindurchfallen.
»Was ist das?« fragte ich.
»Schwerkraftsprengung«, sagte Misk. »Das ist sogar Priesterkönigen verboten. Sarm könnte den ganzen Planeten damit vernichten Wir lauschten auf die Schreie, die von draußen hereindrangen.
Wir hörten keine Gebäude zusammenstürzen, sondern nur die Geräusche der Menschen, und die Furcht und das Entsetzen, die darin schwangen, war uns Anzeichen genug für die Vernichtungswelle, die oben tobte.
29
»Sarm hebt den Ur-Halt auf«, sagte Misk.
»Schieb mich hoch!« brüllte ich.
Misk gehorchte, und ich kroch aus der Falltür und sah mich um. Misks Unterkunft war verschwunden, und neue Durchgänge taten sich auf, wo zuvor feste Wände gewesen waren. Ich vermochte in den nächsten Tunnelkomplex zu schauen. Ober dem Chaos schwebten zehn Schiffe, wie sie vielleicht für die Überwachung der Planetenoberfläche eingesetzt wurden, und im Bug jedes Gefährts zeigte sich eine konische Geschützmündung.
Ich sah keine Strahlen, die sich aus den Spitzen lösten, aber wohin sie sich richteten, schien Materie zu Staub zu werden. Wolken aus feinsten Partikeln schwebten durch die Luft. Die Geschütze beschossen systematisch die Siedlung. Hier und dort wurden auch Muls oder Priesterkönige aufgelöst.
Ich eilte zu der Werkstatt, wo Misk und ich das Schiff gebaut hatten.
Unterwegs kam ich an einer Gruppe eingeschüchterter Menschen vorbei, die sich hinter Mauerresten duckten.
Ich sah einen Mann auf dem Boden liegen, dem ein Arm fehlte. »Meine Finger!« brüllte er. »Meine Finger tun weh!« Einer aus der Gruppe hinter der Mauer kniete neben ihm und versuchte die Blutung zu stillen. Es war Vika!
»Schnell Cabot!« rief sie. »Ich muß den Arm abbinden!« Ich nahm den Armstumpf des Mannes und preßte ihn zusammen. Vika riß einen Streifen Tuch ab und schnürte es mit einem kleinen Stahlstift als Knebel um den Arm. Es war zu sehen, daß sie die Tochter eines Arztes war.
Als sie fertig war, stand ich hastig auf. »Ich muß los«, sagte ich.
»Darf ich mitkommen?«
»Du wirst hier gebraucht.«
»Ja, Cabot – du hast recht.«
Als ich mich umwandte, hob sie noch kurz die Hand. »Sieh dich vor«, sagte sie. Der Mann stöhnte wieder, und das Mädchen bückte sich zu ihm hinab.
War das wirklich Vika aus Treve?
Ich eilte zu Misks Werkstatt, riß die Doppeltür auf und sprang in das Schiff. Die Luke klappte hinter mir zu, und eine Sekunde später schien der Boden unter mir fortzusinken.
In wenigen Ihn hatte ich das Schiff in den großen Nestkomplex gebracht, wo die zehn Schiffe Sarms noch immer ihren systematischen Angriff flogen, ruhig, methodisch, als wären sie damit beschäftigt, einen Rasen zu mähen.
Ich wusste nicht, wie Sarms Schiffe bewaffnet waren, und ich selbst verfügte nur über eine einzige Silberröhre, eine Waffe, der die Gravitationssprenger in Sarms Kampfgleitern weit überlegen waren.
Außerdem wusste ich, daß mein Käfigplastik keinen Schutz gegen Sarms neue Waffe bot, die nach dem Prinzip arbeitete, Materie durch Auflösung zu vernichten, sie zu pulverisieren und zu verstreuen.
Ich raste ins Freie, und der Boden der Höhle fiel unter mir zurück. Ich jagte hinauf in die Nähe der Energielampen im Scheitelpunkt der riesigen Kuppelhöhle. Offenbar hatte mich bisher keines der feindlichen Schiffe bemerkt.
Ich nahm das führende Schiff aufs Korn und stürzte darauf zu. Dabei verengte ich die Strahlungsbreite meiner Silberröhre, um ihre Wirkung zu erhöhen.
Aus zweihundert Metern Entfernung eröffnete ich das Feuer. Ich griff von hinten an, wo mir das gefährliche Buggeschütz des Gegners nichts anhaben konnte.
Zu meiner Freude sah ich, wie sich das Metall schwärzte und auseinanderquoll, während ich meine Scheibe abfing und zur Unterseite des zweiten Schiffes wieder hochriss. Auch hier fand ich mühelos mein Ziel. Das erste Schiff begann sich langsam in der Luft zu drehen; offensichtlich hatte die Mannschaft die Kontrolle verloren. Es kippte ab.
Ich hoffte, daß sich Sarm in diesem Flaggschiff aufgehalten hatte. Das zweite Schiff schwirrte zur Decke hoch und zerschellte dort zu einem Schauer aus Wrackteilen.
Die anderen acht Schiffe gaben ihr Vernichtungswerk auf und schienen unentschlossen. Ich fragte mich, ob sie untereinander in Verbindung standen. Ich nahm es an. Offenbar hatten sie nicht mit Gegenwehr gerechnet, vielleicht hatten sie mich noch gar nicht entdeckt. Während sie noch ratlos verharrten, setzte ich erneut zum Sturzflug an, und ein drittes Schiff zerplatzte wie ein Spielzeug im Feuersturm. Im Aufsteigen verwandelte ich auch das vierte Schiff in eine brennende Fackel.
Die restlichen sechs Schiffe rückten jetzt eng zusammen; die gefährlichen Waffenmündungen starrten auswärts. Ich hielt mich Über dem tödlichen Kreis auf. Beim nächsten Sturzangriff konnte ich meine Position nicht mehr vor ihnen verheimlichen; sie mussten mich unter sich entdecken, und mindestens ein Schiff hatte mich dann im Schussbereich. Schon jetzt neigte sich ein Gleiter nach unten, um den unteren Bereich zu überwachen, während sich ein zweites Schiff aus dem Kreis lösen wollte, um die Höhlendecke im Auge zu behalten.
Gleich gäbe es überhaupt keine Angriffsmöglichkeit mehr, die nicht zugleich den sicheren Tod bedeutete.
Die Höhlendecke sprang zurück, und im nächsten Augenblick verhielt mein Schiff im Kranz der sechs Schiffe, auf allen vier Seiten und oben und unten von Gegnern eingeschlossen.