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In dieser Situation verheimlichte Sarm mir nicht mehr, warum er mich am Leben erhalten hatte. »Es heißt, daß zwischen dir und Misk Nestvertrauen besteht. Wenn das stimmt, wird er bereit sein, für dich zu sterben.«

»Was soll das?«

»Sein Leben gegen das deine.«

»Niemals!«

»Nein!« rief Vika. »Er gehört mir!«

»Keine Angst, kleiner Mul«, sagte Sarm. »Wir bekommen Misk – und du bekommst deinen Sklaven!« »Sarm ist heimtückisch«, sagte ich. »Sarm ist ein Priesterkönig«, sagte er.

31

Der Treffpunkt wurde vereinbart – einer der Plätze in dem Gebiet, das von Sarms Truppen kontrolliert wurde.

Misk sollte allein kommen, und ich und Sarm sollten ihm entgegentreten.

Niemand durfte Waffen tragen. Misk musste sich ergeben, woraufhin ich theoretisch freigelassen wurde.

Aber ich wusste, daß Sarm sein Versprechen nicht zu halten gedachte.

Er wollte Misk umbringen und der Opposition damit den Führer rauben.

Ich fiel dann als Sklave Vika zu oder wurde, was noch wahrscheinlicher war, sofort getötet.

Beim Losketten informierte mich Sarm, daß der kleine Kasten auf seiner Brust mein Kontrollnetz aktivierte und daß er mich beim ersten Anzeichen von Feindseligkeit ausschalten würde – was einem Ausbrennen meines Gehirns gleichkam.

Ich sagte, ich hätte verstanden.

Ich fragte mich, was Sarm tun würde, wenn er wusste, daß Kusk und Parp mir gar kein Netz eingepflanzt hatten.

Trotz der klaren Vereinbarung verbarg Sarm eine Silberröhre an seinem Übersetzungsgerät, so daß die Waffe von vorn nicht zu sehen war.

Zu meiner Überraschung wollte Vika aus Treve ihren goldenen Herrn begleiten. Wahrscheinlich fürchtete sie, daß Sarm mich umbringen könnte, ohne auf sie Rücksicht zu nehmen. »Ich möchte meinen Herrn triumphieren sehen«, sagte sie, und Sarm schlug ihr die Bitte nicht ab.

Ich musste einige Schritte vor dem Priesterkönig hergehen, der sein Netz-Kontrollgerät griffbereit hielt. Vika ging neben ihm.

Endlich erblickte ich auf der anderen Seite des Platzes Misks hohe Gestalt.

Wie schwer fiel mir dieser Anblick! Wie warm wurde mir um das Herz, als ich erkannte, daß er, obwohl er ein Priesterkönig war, sein Leben für mich geben wollte – weil wir Freunde waren, weil Nestvertrauen zwischen uns bestand!

Er blieb stehen, und auch wir verhielten.

Und dann schritten wir langsam aufeinander zu – über die viereckigen Pflastersteine des Platzes im Nest der Priesterkönige.

Er war noch außer Reichweite der Silberröhren, als ich zu laufen begann. In der Hoffnung, daß er mich hören konnte, rief ich: »Kehr um!

Es ist eine Falle!«

Misk blieb stehen.

Ich hörte Sarms Übersetzungsgerät hinter mir: »Dafür sollst du sterben, Mul.«

Ich wandte mich um und erblickte Sarm, der vor Wut erbebte und mit zitternden Armen an den Kontrollen des Netzgerätes hantierte. »Dafür stirbst du, Mul«, wiederholte er.

Aber ich blieb ruhig stehen.

Sarm brauchte nur Sekundenbruchteile, um zu erkennen, daß er hereingelegt worden war, und griff nach seiner Silberröhre.

Ich machte mich auf den plötzlichen Feuerstoß gefasst, der mir das Fleisch von den Knochen brennen würde.

Aber als Sarm auf den Auslöser drückte, ertönte nur ein leises Knacken.

Der Priesterkönig begann ratlos zu zittern.

»Es funktioniert nicht«, tönte es gefühllos aus dem Übersetzungsgerät.

»Das kann es auch nicht!« rief Vika. »Ich habe die Röhre heute morgen entleert!«

Das Mädchen lief zu mir herüber und stellte sich an meine Seite.

»Ich verstehe nicht. . .«, dröhnte Sarms Übersetzer.

»Ich wollte meinen Herrn triumphieren sehen!« rief Vika.

Sanft zog ich das Mädchen an mich.

»So hast du deinen Kampf verloren«, sagte ich.

Sarm schleuderte die Silberröhre in meine Richtung. Ich duckte mich und hörte die Waffe hinter mir zu Boden poltern. Zu meiner Verblüffung wandte sich der Priesterkönig um und ergriff die Flucht.

Vika lag mir weinend in den Armen.

Einen Augenblick später trat Misk zu uns.

Der Krieg war zu Ende.

Sarm war verschwunden, und mit seiner Flucht lösten sich die gegnerischen Streitkräfte auf, denn sie waren nur durch Sarms dominierende Persönlichkeit und sein Prestige als Erstgeborener zusammengehalten worden.

Die Priesterkönige, die ihm treu geblieben waren, hatten sich zu ihrem Verhalten aufgrund der Gesetze des Nestes verpflichtet gefühlt, denn immerhin war Misk nur der Fünftgeborene gewesen.

Nun aber stieg er zum Range des Höchstgeborenen auf, so daß sich nach den gleichen Gesetzen automatisch ihre Treue auf ihn verlagerte.

Schwieriger war die Frage, was mit den ehemaligen Muls geschehen sollte, die sich Sarm aufgrund von Versprechungen angeschlossen hatten, welche nun nicht erfüllt werden konnten. Insgesamt handelte es sich aber nur um etwa achtzig Personen.

Al-Ka und Ba-Ta brachten zwei weibliche Gefangene mit, die sie augenzwinkernd mit Beschlag belegten. Die beiden freundeten sich schnell mit Vika an.

Misk und ich versuchten zu überlegen, wie das Nest nach Beendigung des Krieges neu zu organisieren war. Am einfachsten waren dabei die Versorgungsprobleme, die Priesterkönigen und Menschen überhaupt das Leben im Nest ermöglichten. Schwieriger wurde es schon bei den politischen Arrangements, die das Zusammenbleiben der beiden so verschiedenen Spezies regelten. Im Gegensatz zu meinen Befürchtungen war Misk durchaus bereit, den Menschen bei Entscheidungen Sitz und Stimme einzuräumen und zudem für den Heimtransport all jener zu sorgen, die nicht im Nest bleiben wollten.

Wir beratschlagten noch über diese Fragen, als sich plötzlich der Fußboden unseres Zimmers aufzubäumen und zu zerplatzen schien.

Gleichzeitig brachen zwei Wände ein. Misk deckte mich mit seinem Körper und wehrte eine Lawine von Gesteinsbrocken ab.

Das ganze Nest schien in Bewegung zu geraten.

»Ein Erdbeben!« rief ich.

»Sarm ist nicht tot«, sagte Misk. Ungläubig sah er sich um. In der Ferne hörten wir die Kuppel eines Höhlenkomplexes knirschen, riesige Felsbrocken schienen auf die darunterliegenden Gebäude zu stürzen.

»Er will das Nest vernichten!« sagte Misk. »Er läßt den Planeten auseinander brechen!«

»Wo ist er?«

»In der Energiezentrale!«

Ich kletterte über Felsbrocken, stürzte aus dem Raum und sprang auf die erste Transportscheibe, die ich finden konnte. Ob wohl der Weg durch mancherlei Felsbrocken und Staubwehen blockiert war, hob sich die Scheibe mühelos über die Hindernisse, wenn der Flug dadurch auch ziemlich unruhig ausfiel.

Nach wenigen Minuten erreichte ich die Energiezentrale, sprang von der Scheibe und stemmte mich gegen die große Tür. Sie war verschlossen.

In größter Eile suchte ich den nächsten Entlüftungsschacht und riß das Schutzgitter heraus. Kaum eine Minute später hatte ich ein zweites Gitter losgetreten und ließ mich in dem großen Kuppelraum der Energiezentrale zu Boden. Von Sarm war nichts zu entdecken.

Da ich mich mit den Maschinen nicht auskannte, öffnete ich von innen die verschlossenen Türen, damit Misk und seine Ingenieure Gelegenheit hatten, den Schaden zu reparieren. Kaum hatte ich die Riegel gelöst, als sich das Metall der Tür über mir verfärbte.

Ich hob den Kopf und erblickte Sarm auf einem Gittersteg. Er hatte eine Silberröhre auf mich gerichtet. Im Zickzack rannte ich um die riesige Kuppel herum, wo Sarm nicht ohne weiteres auf mich schießen konnte.

Dann sah ich ihn durch die durchsichtige Kuppel, die die Energiequelle schützte, eine goldene Gestalt ganz in der Spitze der Höhle. Er schien aber kein Interesse an mir zu haben, denn er begann methodisch auf die Anlagen rings zu schießen und vernichtete eine Sektion nach der anderen. Mit jedem Treffer erbebte das ganze Nest, und Feuer leckte aus den zerstörten Anlagen. Schließlich schoß er unmittelbar in die Energieanlage unter sich, die zu grollen begann und Geysire aus purpurnen Flammen senkrecht in die Höhe schickte und den durchsichtigen Schutzdom zu füllen begann.