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Aus dem Augenwinkel nahm ich plötzlich eine gewölbte goldene Gestalt wahr – einen der Käfer, der sich durch die geöffneten Türen in das Energiezentrum verirrt hatte.

Wo blieben Misk und seine Fachleute? Wahrscheinlich hatten sie Mühe, sich einen Weg durch die Tunnel zu bahnen.

Ich wusste, daß ich Sarm irgendwie aufhalten musste – aber was sollte ich tun? Er war mit einer Silberröhre bewaffnet, während ich nur mein Schwert hatte.

Während Sarm seinen vernichtenden Beschuss fortsetzte, verließ ich meine Deckung und eilte zu der schmalen Stiege, die an der Kuppel entlang noch oben führte. Die durchsichtige Kuppel vermochte die darin tobenden Gewalten kaum noch zu bändigen. Mit hastigen Schritten stieg ich empor und sah bald Sarm in aller Deutlichkeit am Gipfelpunkt der Kuppel vor mir, wo er mir einmal die technische Überlegenheit seiner Rasse und die Vorzüge der Modifikation des Gangliennetzes geschildert hatte.

Plötzlich fuhr er herum, erspürte mich, und schon zuckte die Silberröhre hoch. Ich warf mich zu Boden, ließ mich die Stahlstufen hinabrollen, bis sich die Krümmung der Kuppel zwischen mich und den Priesterkönig geschoben hatte. Zweimal feuerte Sarm, ehe er sich wieder seinem Vernichtungswerk zuwandte. Ich stieg sofort wieder empor, wobei ich zu meiner Erleichterung feststellte, daß Sarms Silberröhre zu flackern begann und bald entleert zu sein schien.

Ich fragte mich, was Sarm nun noch unternehmen konnte. Er steckte in einer Sackgasse und war mir, nachdem seine Waffe nun erschöpft war, mehr oder weniger ausgeliefert.

Langsam stieg ich weiter aufwärts. Sarm schien keine Eile zu haben.

Offenbar wartete er auf mich.

Ich sah, wie er die Silberröhre fortwarf, die durch eines der klaffenden Löcher in der Energiekuppel verschwand. Schließlich trennten uns nur noch wenige Meter. Er hatte meine Annäherung verfolgt und richtete seine Antennen auf mich. »Ich wusste, daß du kommen würdest«, sagte er.

Zu unserer Linken brach eine Wand ein, zerfiel in ihre Einzelteile, die polternd im Kuppelschacht verschwanden. Eine Staubwolke versperrte mir kurz den Ausblick auf Sarms majestätische Gestalt. »Ich vernichte den Planeten«, sagte er. »Er hat seinen Zweck erfüllt. Er hat das Nest der Priesterkönige beherbergt – doch jetzt gibt es keine Priesterkönige mehr, nur noch mich, Sarm.« »Noch immer leben vier Priesterkönige im Nest«, sagte ich. »Nein, es gibt nur einen Priesterkönig, den Erstgeborenen Sarm, der das Nest nicht verriet, der von der Mutter geliebt wurde, der die alten Wahrheiten seines Volkes bewahrte und schützte.«

Neue Steine fielen aus der Höhlendecke und prallten von der Kuppeloberfläche ab.

»Du hast das Nest zerstört – jetzt zerstöre ich dich.« Ich zog mein Schwert.

Sarm griff nach dem Stahlgeländer des Laufganges und riß mit unglaublicher Kraft ein etwa fünf Meter langes Stück heraus. Er konnte mich damit von der Treppe stoßen, ehe ich überhaupt an ihn herankam.

Ich trat zurück, und Sarm rückte ein Stück vor.

»Primitiv«, sagteer, »aberangemessen.«

Ich wusste, daß mir der Rückzug unmöglich war, denn Sarm war viel schneller als ich. Zur Seite konnte ich auch nicht springen, denn die Treppe war nur schmal. Und vor mir stand Sarm – die Waffe zum Schlag erhoben. Wenn sein erster Hieb fehlging, kam ich vielleicht mit dem Schwert an ihn heran – aber er traf sein Ziel bestimmt.

Vielleicht war es gar kein so schlechter Ort zum Sterben.

Hätte ich es gewagt, den Blick von Sarm zu wenden, wäre mir sicher die Szene ringsum eindrucksvoll erschienen – Steine polterten durch die riesige Halle, Flammen zuckten, Kontakte schmorten, grell beleuchtete Staubwolken wallten hin und her. Der ganze Globus schien in Aufruhr zu sein – das Sardargebirge mochte auseinander brechen, Sa-Tarna-Felder untergehen. Ich hätte mir die Panik in den Städten Görs vorgestellt, das Auf und Ab der Schiffe auf dem Meer, die Panik der Tiere – und von allen Menschen war ich hier an dem Ort, wo dieser Vernichtungsprozeß seinen Anfang genommen hatte – ich sah mich dem Urheber all des Chaos’ gegenüber, dem goldenen Todesbringer einer Welt.

»Schlag zu«, sagte ich, »damit es endlich vorüber ist.«

Sarm hob die lange Stange, und ich duckte mich mit abwehrend erhobener Klinge.

Aber der Priesterkönig rührte sich nicht.

Zu meiner Verblüffung senkte sich die lange Waffe sogar wieder, und Sarm nahm plötzlich eine seltsame Haltung an – als lausche er in die Ferne. Die Sensorenhaare seines Körpers hoben sich, streckten sich in eine bestimmte Richtung. Seine Fühler erschlafften.

»Töte ihn«, sagte er, »töte ihn.«

Ich dachte zuerst, daß er sich selbst Mut zuredete – aber ich bemerkte schnell, daß das nicht zutreffen konnte. Und dann nahm ich ebenfalls den Geruch wahr und drehte mich um.

Auf der Treppe hinter mir entdeckte ich den Goldenen Käfer, den ich schon unten bemerkt hatte. Mit seinen sechs dünnen Beinen schob er sich langsam über die Stufen. Die Haare auf seinem Rücken waren hochgereckt und bewegten sich wie Unterwasserpflanzen hin und her.

Der narkotische Duft seiner Haare blieb auch auf mich nicht ohne Einfluss. Sarm ließ seine Waffe fallen, die klappernd auf die Kugel prallte und in der Tiefe verschwand.

»Töte den Käfer, Cabot«, klang es aus Sarms Übersetzungsgerät.

»Bitte.« Der Priesterkönig vermochte sich nicht zu bewegen. »Du bist ein Mensch, du kannst ihn töten.«

Ich trat zur Seite und stellte mich auf das durchsichtige Material der großen Kuppel, wobei ich mich am Geländer festhielt. »Das darf man nicht«, sagte ich. »Es ist ein Verbrechen, einen Goldenen Käfer zu töten!«

Langsam drückte sich der schwere Körper mit dem verwachsenen Panzer an mir vorbei, und die gebogenen Greifarme öffneten sich.

»Cabot«, sagte Sarms Übersetzungsgerät.

»Und so«, sagte ich, »verstehen die Menschen die Instinkte der Priesterkönige auszunutzen.«

»Cabot – Cabot – Cabot.«

Zu meiner Verblüffung stürzte Sarm jetzt auf den Käfer zu, sank zu Boden, als ginge er in die Knie und stieß Gesicht und Fühler in das wogende Kopfhaar des Goldenen Insekts.

Ich sah, wie sich die gekrümmten Kiefer schlössen, wie sich die Spitzen in den Hals des Priesterkönigs bohrten.

Staubwolken wogten zwischen mir und den beiden Lebewesen, die im Todesgriff vereint waren.

In diesem Augenblick schien sich Kuppel und Treppe etwas anzuheben, doch die beiden Wesen kümmerten sich nicht darum.

Sarms Fühler lagen im goldenen Haar des Insekts; er nahm sogar einige Haare in den Mund und versuchte ihre Ausscheidung mit der Zunge zu schmecken.

»Welche Wonne«, tönte es aus Sarms Übersetzer, »welche Wonne.«

Ich verschloß die Ohren vor dem grausamen Sauggeräusch des Käfers.

Ich wusste nun, warum die Goldenen Käfer im Nest leben durften, warum die Priesterkönige sie nicht umbrachten, obwohl ihr Leben davon abhing.

Ich fragte mich, ob die Haare des Goldenen Käfers, angereichert mit der narkotischen Ausscheidung, ein ausreichender Ausgleich für die asketischen Jahrtausende war, die ein Priesterkönig über den Geheimnissen der Wissenschaft verbrachte, ob sie einen würdigen Gipfelpunkt für das lange Leben im Nest bildeten, ein Leben mit all seinen Gesetzen und Pflichten und Verantwortlichkeiten.

Priesterkönige kannten wenige Freuden, das war mir bekannt – doch wie ich jetzt vermutete, war das Erlebnis des Todes eine davon.

Wie gegen einen übermächtigen Impuls ankämpfend, hob Sarm noch einmal den Kopf und starrte mich an.

»Cabot«, sagte er.

»Stirb, Priesterkönig«, sagte ich leise.

Mit einem letzten Aufbäumen löste sich Sarm aus dem Griff des Goldenen Käfers, stürzte vom Treppengang, rutschte über die Kuppelwandung und verschwand tief unten.

Der angeschwollene, lethargische Käfer wandte sich langsam um.

Mit einem Schwerthieb zerschlug ich ihm den Kopf und stieß das leblose Insekt von der Treppe.